19. Mai 2018 Ständig
drängen sich im Alltag Momente auf, die etwas anders als banal sein möchten. Es ist ein
permanentes Codieren und Decodieren. So ein Metallgerüst, das einem
Storchennest Halt geben soll, war zum Beispiel AusIöser für ein Stück Verständigung
mit dem Fotografen Richard Mayr. Der Auftakte für einen Dialog im Teilprojekt "Interferenzen".
Der kurze Gang durch ein Viertel von Graz unterstreicht
solche Möglichkeiten. Was gefunden werden kann, ergibt sich aus den Blickwinkeln. Das
sind Methoden der Realitätserschaffung. Konstruktionsweisen. Künstlerische
Arbeit ohne solches Potential ist vermutlich keine. Damit meine ich, daß ein Ausdrücken
von Befindlichkeit nicht reicht, mir nicht reicht, überdies keine Gründe von Belang
bietet. Was schert mich die kreative Arbeit von jemandem, in dem nichts vorgeht auch
Gähnen und Begehren?
Solche gähnenden und begehrend Dilettanten boomen zur Zeit
auf dem Lande, wo in einigen Bereichen ungeklärt bleibt, worum es denn überhaupt geht,
wenn sich jemand aufrafft, den Kulturbetrieb mit Beiträgen zu bereichern. Solche Fragen
beschäftigen mich derzeit, weil es im Rahmen unseres 2018er Kunstsymposions
einen Projektteil geben wird, der in einen Bereich menschlicher Gemeinschaft geht, wo
keinerlei Attitüde im Kunstkontext herrscht. Die Alltagserfahrungen in der Reflexion von
geistreichen Menschen. Das ist so noch keine Technik der Kunst, aber eine Übung in Esprit.
(Es will auch niemanden zur Kunst hin drängen.)
Mit dem Titel dieses Teilprojektes greife ich eine weit
zurückliegende Arbeit auf, die ich vor Jahren mit der Pädagogin Inge Wolfmayr umgesetzt
habe: "Ich bin eine Geschichte" war ein Ergründen von Emotionen und
Eindrücken, um sie zu einem Ausdruck zu führen, wie ihn die Kinder in der ASO
Gleisdorf (Allgemeine Sonderschule) von sich aus nicht gewählt hätten.
Aber dieser Ebenenwechsel, nun ein anderes Medium
aufzugreifen, schafft bemerkenswerte Situationen und bietet wohl auch Erfahrungen, die
einiges auslösen können. Es hat quer durch die Jahrzehnte eine Reihe vergleichbarer
Projekte gegeben, in denen sich Menschen einfanden, um Alltagsgeschichte auf solche Art
umzusetzen.
Die älteste Publikation, an die ich mich erinnere, stammt
aus dem Jahr 1985 und trägt den Titel "Wo der Bartl an Most hult"
(Versuch einer Selbstdarstellung der Region Oststeiermark). Später erschien die
ausschließlich von Frauen verfaßte Anthologie "Älter werden",
danach: "Friedensausbruch" (Frauenleben in der Nachkriegszeit), um
einige Beispiele zu nennen. Siehe dazu auch die Notiz: "Dialekt: Wosn und eckerte
Türn"!
All diese Vorhaben waren dem Prinzip gewidmet, daß sich
Menschen Medienkompetenz aneignen, dadurch auch Definitionshoheit
erlangen, um selbst zu sagen, was ihr Leben sei, was ihr Lebensraum sei, um das nach
außen zu tragen. Es ist eine Gegenposition zu einer Bedeutungsmaschinerie, die
ihre Produkte über unser aller Leben legt und dabei astronomische Budgets einsetzen darf,
im ihre eigennützigen Werbekampagnen zu fahren; über uns hinweg.
Sie ahnen schon, es geht dabei nicht bloß um die
Publikationen, welche anderen Menschen in die Hände gegeben werden können. Es geht um
die praktische Erfahrung im Umgang mit Medien. Der Anlaß dafür ist ein Umgang mit
der eigenen Situation, auch der eigenen Identität. Das heißt, solche Vorhaben, sollen
Medienkompetenz entstehen lassen. Und wenn auch das Medium Buch oder Zeitschrift
dabei auf Anhieb antiquiert erscheinen mag, bieten diese Bereiche sehr grundlegende
Eindrücke davon, wie man etwa mit sich selbst in einen Dialog treten und folglich die
eigene Geschichte formulieren kann.
Hier ein Beispiel aus dem Jahr 2004, da die neue
Mediensituation sich schon breit durchgesetzt hatte. Nur wenige Jahre davor, 1999/2000,
hatten wir in der autonomen Initiativenszene begonnen, solche Fragen nach Medienkompetenz
einer ganzen Bevölkerung (österreichweit vernetzt) zu debattieren: Worauf kommt es
an? Wer bietet das an? Sind Gegenpositionen zum kommerziellen Getöse möglich?
Damals war das Rundfunkmonopol des ORF eben
erst gefallen und es gab Überlegungen, wie ein nichtkommerzielles Radio mit hoher
kultureller Relevanz entfaltet und gesichtert werden könnte. Die Netzkultur war noch jung und vielversprechend, was eben die
Fragen nach Medienkompetenz und Selbstermächtigung betraf. Siehe dazu
die Dokumentation zum "ak3"! |
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Inzwischen haben die Social
Media eine völlig andere Situation geschaffen. Wir finden online eine mächtige
Plapper-Maschinerie, die vieles mit Geschwätzigkeit zudeckt, was dann von Goldgräbern
vereinzelt unter der Flagge der "Heimat" und der "Identitätssuche"
neu bewirtschaftet, vermarktet wird. Das Ganze garniert mit Haßtiraden und Fake News.
Das sind Zusammenhänge, in denen individuelle
Medienkompetenz auf brisant Art an Bedeutung zulegt. Und die Einlassung auf Printmedien
bietet dabei ein moderates Tempo, in dem fundamental andere Erfahrungen möglich sind als
in den virtuellen Welten der Netze. Wir konzentrieren uns also nun wieder verstärkt auf
eine Ebene, wo das Erzählen, das Zuhören und der Dialog sich medial niederschlagen
können... freilich internetgestützt.
-- [Ich bin eine Geschichte] [Netzkultur] -- |