10. Mai 2018

Der launige Herr, mit dem ich mich nun kurz befassen durfte, steht exemplarisch für einen Teil halbwegs gebildeter Leute, denen die Laune an den Mühen weiteren Wissenserwerb vergangen ist. Darauf muß ich schließen, wo jemand in eine öffentliche Debatte hineingeht, um andere in ihren Ansichten anzufechten, selbst aber seine Gründe schuldig bleibt.

Karl G. hat schon in seinem Einstiegs-Statement demonstriert, daß er die Dinge gerne lauwarm hat und klare Positionen lieber meidet: "Ich behaupte von mir, selbst leicht links der Mitte zu stehen. Und ich bin froh darüber, nicht so weit von der Mitte abgerückt zu sein um mir anzumaßen selbst keine Fehler zu machen und diese als Privileg der jeweils anderen Seite zu sehen."

Das sind so Sätze, mit denen man sich verschleiert. Es kommt noch besser. An der Sympathieerklärung für Hubert Patterer ist nichts auszusetzen, denn man darf ja ganz nach eigenem Geschmack Fan sein, ohne das erklären zu müssen: "Daher schätze ich die sonntäglichen Kolumnen des Chefredakteurs der Kleinen Zeitung sehr..."

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Ds Lauwarme als Ideal: Ruhe sei die erste Bürgerplicht

Liest man nun Patterers Kommentar in vollem Wortlaut, staunt man freilich über den Befund seines Fans: "... weil dessen Kolumnen durch Intelligenz und heute viel zu selten gewordenen Hausverstand die rechte, als auch die linke Seite objektiv betrachten und auf beiden Seiten positives als auch negatives ansprechen, hinterfragen und auch kritisieren."

Intelligenz und Hausverstand sind zwei völlig trübe Kategorien! Gewöhnlich meint man damit, das sei "was ICH habe und den Anderen fehlt", ohne derlei zu belegen. Pure Polemik.

Die Schlüsselstelle sehe ich in der Begeisterung für die ebenfalls trübe Kategorie objektiv. Das ist eine ideologische Konstruktion, die eigentlich seit mindestens hundert Jahren ins Museum gehört. Mit einer Vorstellung von Intersubjektivität kämen wir eher voran. Das erkennt laufende Diskurse an, in denen sich mehrere Menschen einer Meinung anschließen, ohne sich die Anmaßung der Objektivität zu leisten, die ja so tut, als dürfe sie andere Ansichten übertreffen.

Überfliegt man die Zitate des Karl G., die ich in den letzten beiden Einträgen als Teil eines bemerkenswerten Ganzen notiert habe, ist offensichtlich, wie sich jemandes Selbstdarstellung und konkretes Handeln zueinander verhalten. Ein Mann, der sich in die Debatte via Massenmedium so eingeführt hat: "Ich hoffe auch in Zukunft nie nach dem Motto leben zu müssen: Ich muss nie über mich und meine Einstellung NACHDENKEN, denn ich mache keine Fehler, denn diese machen immer nur die anderen und wenn doch, dann auf keinen Fall zugeben."

In antiquierten Begriffen würde man da wohl von Heuchelei sprechen. Warum ich das hier so ausführlich behandle?´Weil Karl G. ein exemplarisches Tänzchen vorführt, wie nun in der neuen Mediensituation endlich der Bassena-Tratsch und banales Gezänk, das keinerlei Erkenntnis bewirken will, sondern nur ein Abarbeiten an Anderen ist, genau jene Öffentlichkeit erlangt, in der kritische Diskurse ihre Chance brauchen.

Ich will das in einem größeren Zusammenhang deutlich machen. Die Neue Rechte arbeitet seit den 1980er Jahren an ihrem Reüssieren in Europas Gemeindestuben, Rathäusern und Parlamenten. Sie ist dabei auf Legionen erregter Menschen angewiesen, die kritische Diskurse meiden, sich aber als kritische Geister gebärden. Mit jenen Legionen können dann genau die Positionen angefochten werden, wo tatsächlich kritischer Debatten stattfinden und Dissens ebenfalls der Beachtung wert erscheint.

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Fritz Lang: Metropolis

Um aber zum Beispiel kritischen Journalismus als Fake News markieren zu können und kritische Künstler in stillere Ecken abdrängen zu können, reicht heute kein aufgebrachter Pöbel. Weit nützlicher sind halbgebildete Bildungsbürger, die was können, die was hermachen, die aber kritische Debatten bloß simulieren. Denn es herrscht ein Informationskrieg, der -- um es mit Dichter Ernst Jandl zu sagen -- rinks und lechts neu aufstellen soll.

Das erfährt man etwa von Joachim Paul, der sein Handwerk bei unzensuriert.at gelernt hat. Er wirkt nun für die AfD im Landtag von Rheinland-Pfalz und hat sich überdies auf weitere Medienarbeit konzentriert. Die NZZ zitiert ihn unmißverständlich: «Wir müssen eine mediale Gegenmacht aufbauen. Sonst können wir als Partei nicht weiter vorrücken.» Steve Bannon habe recht, sagt Paul: «Wir sind in einem Informationskrieg.» [Quelle]

In solchen mediengestützten Kräftespielen gilt es neu zu klären, was wir unter Redlichkeit verstehen möchten. Damit mein ich eine Art Fließgleichgewicht zwischen dem Denken, Reden und Tun.

Wer nun, wie Karl G., in einem Massenmedium so angriffslustuig auftritt, im Lauf der Debatte einen erheblichen Teil seiner Statements wieder löscht, um sich darauf zu beschränken, Andersdenkenden Vorwürfe zu machen, demonstriert damit, wie man jenen den Boden bereitet, die ideologisch härter vorgehen und medial an konkreten politischen Zielen arbeiten.

Vermutlich ist es dem Karl G. selbst überhaupt nicht klar, wie er so das Geschäft einer Art der elektronischen SA erledigt. Ein historisches Motiv. Die berüchtigten Braunhemden (SA = Sturmabteilung) war eine paramilitärische Formation der NSDAP mit dem Zweck, die eigenen Leute zu terrorisieren, mißliebige Geister einzuschüchtern, gegebenenfalls zu verprügeln etc.

Genau das passiert heute in telematischer Variante im virtuellen Raum auf vielfache Art. Der schon zitierte AfD-Medienmacher Paul sagt unverblümt: «Jedes AfD-Mitglied begreift, dass das unser Kanal in die Öffentlichkeit ist.» Die NZZ folgert: "Bei der AfD sitzt die ganze Partei im «War Room». Jedes Mitglied ist ein Social-Media-Soldat."

Ganz klar, daß dabei Dissens seinen Nutzen nicht mehr als Angebot zu einem Erkenntnisgewinn hat, sondern verwendet wird, um Feinde zu markieren. AfD-Frontfrau Alice Weidel macht in der NZZ deutlich, wohin das zielt: «Unser ambitioniertes Fernziel ist es, dass die Deutschen irgendwann AfD und nicht ARD schauen»

Das ist ein völlig ungeschminkter Angriff auf das Prinzip der Gewaltenteilung, ohne das ich mir eine Demokratie nicht vorstellen kann. Das Zurückdrängen der Vierten Gewalt und das konsequente Besetzen öffentlicher Diskurse mit einer Mischung aus Scheindebatten und dem Beschimpfen, wahlweise Einschüchtern Andersdenkender ist derzeit nicht zu übersehen.

Ich staune übrigens, wie schweigsam ein großer Teil meines Milieus derzeit noch ist  Da finde ich vorerst nur wenige Ausnahmen, wie etwa den Gastkommentar, den mit Franz Wolfmayr gerade überließ: "Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Kurz!"

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