18. Dezember 2017 Die
jüngste Wahl des Bundespräsidenten haben ich als eine Operette des Gezänks in
Erinnerung. Die darauf folgende Nationalratswahl ist es noch mehr gewesen. Nun setzt sich
derlei Gezänk in den Reaktionen auf die Wahlergebnisse fort, bei einigem Entsetzen
darüber, wer nun alles in höchste politische Ämter gekommen ist.
Wie verlockend, über all das zu räsonieren. Dieses Summen
auf den billigen Plätzen, diese Entrüstung auf den Rängen. Endlose Polemiken und so
allerhand Abschätzigkeit, auch brutale Verunglimpfungen. Allerhand verächtliche
Sprachregelungen, die eben noch vaterländische Rabauken gekennzeichnet hätten, aber nun
den Gewinnern des politischen Umschwungs auch aus meinem Umfeld zugesandt werden.
Das heißt unter anderem, ich kann am Sprachstil vieler
Wortmeldungen nicht mehr unterscheiden, ob da Gefolgsleute von Strache oder deren Gegner
sprechen. Ich lehne das ab. Man wird mir nicht erklären können, warum es legitim und
überdies nützlich sei, Menschen mit verächtlichem Gebrüll zu diffamieren, selbst wenn
mir derlei Gegenüber sehr zuwider sein sollten.
Bei jedem billigen Fernlehrgang über kreatives Schreiben
wird man vermutlich auf eine interessante Anforderung stoßen: "Don't tell me,
show me!" Erzähl es mir nicht, zeig es mir... was nun wichtig wäre, weil es
angeblich falsch läuft.
Mir fehlt bei derzeit tobender Betroffenheitsgymnastik und
Moraltrompeterei außerdem ein ganz wichtiger Aspekt. Ich hab eine sehr detaillierte
Vorstellung, was Faschismus ist, welche Enkel diese Ideologie geboren hat, und was
präfaschistische Bedingungen sind, die der Menschenverachtung die Wege freischaufeln.
Deshalb teile ich das Entsetzen vieler über den derzeitigen Status quo österreichischer
Bundespolitik.
Es ist für mich auch völlig unmißverständlich, wohin
die Neue Rechte zielt und aus welchen Traditionen sie schöpft. Ich hab im gestrigen Eintrag notiert, daß mich der überaus
intelligenter Zyniker Herbert Kickl als Innenminister schockiert. Aber statt mich über
ihn und Konsorten zu ereifern, sehe ich mir lieber genau an, wie er es gemacht hat und was
die Bedingungen dieser Karriere eines Mannes sind, den ich für weit smarter als Goebbels
halte.
Ich habe nun über Monate betrachten können, wie überaus
beherrschte, gut trainierte Leute aus solchen Lagern die nächsten Stufen ihres Weges
meißelten, darunter glänzende Strategen und ideologisch sehr konzentrierte Kräfte, die
sich überdies in der gegenwärtigen Netzkultur deutlich bewährt haben.
Keine Sorge, das löst in mir nicht den Hauch von
Bewunderung aus, aber wenn jemand einen guten Job macht, dann beeindruckt und interessiert
mich das. So komme ich nun zum fehlenden Aspekt in den Diskursen meines Milieus, nämlich
zu wenigstens einem Quentchen an selbstkritischer Betrachtung.
Es ist einladend, nun jene zu beschimpfen, die uns
politisch mißfallen, deren Erfolg auch ich für furchterregend halte, und dabei -- was
weiß ich! -- eigene Ängste, Weltekel, Ratlosigkeit an jenen abzuarbeiten, die einem
zuwider sind.
Das erspart einem, die eigenen Anteile an solchen
Entwicklungen zu überprüfen. Nun waren wir über so viele Jahre in Partylaune, haben
seit wenigstens 30 Jahren weitgehend ignoriert, wie zielstrebig und kompetent zentrale
Bereiche einer Neuen Rechten in Europa Richtung Rathäuser und Parlamente
marschieren, sich auch in vielen zivilen Einrichtungen dieser Gesellschaft etablieren.
Auch hier: Wir sehen, sie haben einen guten Job gemacht, es hat funktioniert.
Wir haben uns dagegen weder ausreichend kundig gemacht,
noch reflektiert, was solche Entwicklungen für uns, für unser Verhalten bedeuten
müßte. Wir haben erkennbar keine ausreichenden Schlüsse daraus gezogen und vor allem
für keinerlei adäquate politische Formationen gesorgt, die diesem Reüssieren der Neuen
Rechten etwas hinreichend Wirksames entgegenstellen.
Wenn ich derlei hervorhebe, wie etwas jüngst auf Facebook,
dann melden sich Entrüstete zu Wort, die mir beteuern möchten, daß sie ja alles, was
auch immer, schwurbel-schwurbel etcetera pp. Das ist leider bloß Karaoke, denn der Status
quo Österreichs macht deutlich, daß sich vaterländische Eiferer, die eine Mission
haben, Arm in Arm mit knallharten Karrieristen, denen jede Ideologie für ihr Reüssieren
recht wäre, wenn sie bloß die gewünschten Ergebnisse bringt, aus der Regierung nicht
fernhalten ließen. Punkt und Basta. Das können wir uns nicht schönreden.
Wer nun bloß auf diese Leute zeigt, erspart sich selbst,
vielleicht wenigstens für Augenblicke schamhaft zu schweigen, um sich klar zu machen: Wir
haben das zugelassen. Wir, die wie als Allererste in der Menschheitsgeschichte in einer
davor noch nie dagewesenen Fülle an Sicherheit, Freiheit und Wohlstand aufwachsen
durften, haben es zugelassen, weil wir keine ausreichend kraftvolle Kultur entwickelt und
etabliert haben, an der neofaschistische Konzepte abrinnen würden.
Wir haben auch keine ausreichend starken Netzwerke oder gar
Institutionen geschaffen, die so überzeugend wären, daß sie einen breiteren
gesellschaftlichen Konsens bewirkt hätten, an dem neofaschistische Konzepte abrinnen
würden.
Wir sind nun offenkundig die Hüter von Nischen eines
geistigen Lebens, das bei all den außergewöhnlichen Vorbedingungen -- Sicherheit,
Freiheit, Wohlstand und einer völlig neuen Mediensituation -- nicht einmal ansatzweise
jene Wirkung entfalten konnte, die aus dem letzten Wahlkampf ein relevantes Kräftemessen
gemacht hätte. Es war geradezu erbärmlich, wie wenig den Gewinnern entgegengestanden
ist. Wem wollen wir denn das nun anrechnen, wenn nicht auch uns allen?
Deshalb stört mich die aktuelle Jammerkultur, wie sie von
ziemlich viel selbstgerechten Posen durchsetzt ist und vor allem eines zeigt: Selbstdefinition
durch Feinmarkierung. Davon halte ich gar nichts. Wir könnten längst damit
beschäftigt sein, diesen Erfolg vaterländischer Kräfte zur Kenntnis zu nehmen, zu
analysieren und im Ziehen von Schlüssen den Anfang für neue oder nächste Verhältnisse
zu schaffen.
Statt Moraltrompeterei also die Konzentration darauf, daß
sich diese Situation nicht flott wird wenden lassen, sondern daß die Neue Rechte uns
recht erfolgreich herausgefordert und überflügelt hat. Ich hab weder Zeit noch Kraft zu
verlieren, um sie mit dem Lamentieren zu vergeuden.
Ich brauche keine Psychodrama-Gruppe, auf daß wir uns
wechselseitig die T-Shirts naß weinen. Ich möchte mich mit Menschen darüber
verständigen, was nun im jeweiligen Gemeinwesen konkret zu tun ist, damit die
Wertvorstellungen, welche wir für vorrangig halten, gelebt werden können und Bestand
haben.
Meine Domäne ist der Kulturbereich, da kenne ich
mich aus, da habe ich klare Vorstellungen, was auf dem Feld einer zeitgemäßen Wissens-
und Kulturarbeit machbar ist. Für andere Bereiche müssen andere Leute klug sein, denn
ich mag mich nur da exponieren, wo ich mich sachkundig fühle.
In meiner jüngsten Korrespondenz mit Wortfront-Exponentin
Sanrda Kreisler meinte die Sängerin zu solchen Fragen: "Ich lerne auch Schritt
für Schritt. Never have Big Goals, have short-time goals", denn die könne man
erreichen. Da sind wir völlig d'accord. Der Held, wie er sich ins Rad der Geschichte
wirft, um den Lauf der Welt zu ändern, das wäre eine unerträgliche Pose. Statt dessen
kontinuierliche und konsequente Arbeit an Teilbereichen, die man sich vorgenommen hat und
die man auch über zehn Jahre nicht aus den Augen verlieren wird...
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