26. Juli 2017

Ich hab im vorigen Eintrag Jean-Paul Sartre und seine Überlegungen bezüglich der Intellektuellen erwähnt. Das schien 1965, als Sartre Vorträge zu diesem Thema hielt, eine Sache von weitreichenderer Brisanz zu sein. Auf dem Weg zum Paris von 1968 gab es viel Unruhe in Europa. Deutschland erlebte seine "Bleierne Zeit". (Österreich hatte es mit seiner Sozialpartnerschaft merklich netter.)

Im November 1965 publizierte der Rechtsgelehrte Gerd Rinck in Die Zeit einen ausführlichen Essay zum Thema. In seiner Einleitung heißt es: "Niemand möchte ein Intellektueller sein. Allenfalls ein Literat, ein Journalist oder der Herausgeber eines Nachrichtenmagazins könnte sich mit dieser Bezeichnung abfinden. Die Etikettierung als 'Intellektueller' gilt als unfreundlicher Akt, beinahe ein Schimpfwort. Warum?" Da besteht aktueller Klärungsbedarf. Das ist allerdings kein Hauptereignis des 2017er Kunstsymposions.

log2389a.jpg (39458 Byte)

Dieses Foto von Ursula Glaeser zeigt einen Teil der Symposions-Crew bei der Konferenz vom letzten Wochenende. Von links: Ewald Ulrich, Martin Krusche, Lukas Weinzettl und Robert Gabris. Das Treffen war der Programmarbeit gewidmet, handelte stellenweise aber auch von Debatten über den Kunstbetrieb.

Das heurige Symposion ist ein Beispiel kollektiver Kulturarbeit, was eine komplexe Situation ergibt, die von stellenweise stürmischer Kommunikation handelt. Da nie alle an einem gemeinsamen Tisch zusammenfinden, pendelt diese Kommunikation zwischen realer sozialer Begegnung und Teleworking.

log2389b.jpg (24226 Byte)

Auf diesem Foto Ursula Glaeser und Robert Gabris in der Kanzley von Schloß Freiberg. Es ging diesmal darum die große Session zu präzisieren, auf daß die anderen zwei Sessions passend angeordnet werden können. Hier nun die Ludersdorf-Session: [link] Damit dürfte der Modus deutlich werden. Zwei Künstler, Gabris und Niki Passath, geben den Teil der Kunstpraxis im Kontrast zur Theorie, zum Vortragsblock.

Jeder künstlerische Teil wird von einer eigenen Person begleitet, Gabris von Ursula Glaeser, Passath von Mirjana Peitler-Selakov. Ewald Ulrich hat eine tragende Rolle in dieser Ludersdorfer Session, den Vortragsblock haben erst einmal hauptsächlich er und Hermann Maurer angelegt. Diese Arbeitsfassung wurde inzwischen über weitere Arbeitsschritte präzisiert.

log2389c.jpg (21304 Byte)

Das war die vorangegangene Konferenz mit (von links) Ulrich, Maurer, Glaeser und Krusche. In diesem Prozeß sind nun die Grundlagen so weit klar, daß auch die anderen zwei Sessions konkret festgelegt werden können. Der Umgang mit der Ungleichzeitigkeit fördert einen intensiven Emailverkehr.

Bürgermeister Werner Höfler, mit dem wir die Hofstätten-Session realisieren, schrieb morgens: "Bin heute noch unterwegs: momentan in Belgrad, fahren um 7.30 weiter nach Rumänien und dann über Ungarn heim." Bürgermeister Robert Schmierdorfer, unser Partner für die Albersdorf-Session, steht dafür knapp vor seinem Urlaub und ist daher momentan mit kommunalen Aufgaben ausgelastet. Aber immerhin haben wir für Albersdorf schon erste Fakten festgemacht: [link]

Kurz zurück zu Rinck und seinem Nachdenken über Intellektuelle. Er unterscheidet: "Handarbeit, Verwaltungstätigkeit, Freie Berufe, also angewandte geistige Tätigkeit, Intellektuelle: zweckfreie geistige Tätigkeit." Das erscheint mir verwandt zur Bipolarität Dienstleisting/Kunst. Rinck notiert ferner: "Der Intellektuelle denkt und zieht Konsequenzen ohne Rücksicht auf Verluste oder auf Gebote des Tages." Ich denke, das kann nur idealtypisch gemeint sein, war also schon damals kein Hinweis auf eine Art strikter Spartentrennung.

Wir kennen seit Richard Wagner die Situation, daß "Die Künste" über die Idee eines "Gesamtkunstwerkes" schließlich in der umfassenden Begrifflichkeit "Die Kunst" zusammengefaßt wurden. Innerhalb dieses Begriffes sind also die verschiedenen Sparten aufgehoben und ich sehe in unserem Kreis keine Tendenz zu "Expertentum", bei dem sich eine Person bloß einem Fachgebiet widmen würde.

log2389d.jpg (29697 Byte)

Noch einmal kurz Rinck: "Goebbels war ein Intellektueller. Auch Marx, so wie ihn die Marxisten heute verstehen. Auf der anderen Seite war die Dreyfusaffäre ein großer Erfolg der Intellektuellen (Emile Zola, Clemenceau). Seit dieser Affäre sind überhaupt erst Begriff und Name des Intellektuellen bekannt geworden." [Quelle]

Damit will ich sagen, daß der Weg zu diesem Symposion auch von Diskursen begleitet ist. Die haben aber kein vorrangiges Gewicht, wo sich das Symposion gesamt an ein Publikum wendet. Sie sind eher ein Gärstoff im gesamten Gefüge. Siehe dazu auch die aktuelle Notiz im Projekt-Logbuch: [link]

Ich hab diese Fragen nach dem öffentlichen Diskurs, nach kritischen Debatten und nach den Rollen jener, welche in solchem Zusammenhang ihre Stimmen erheben, hier zu einem Teilthema gemacht, das unter dem Titel "Koexistenz" steht; siehe den Link am Ende der Seite!

Fachdiskurs wird übrigens ein Teil der Albersdorf-Session sein, bei der nachmittags ein Round Table zu Fragen des Kunstbetriebes stattfindet. Am Abend bietet Künstler Milan Mijalkovic eine Perfomance, in der er seine Sicht dieser Kräftespiele darlegt.

-- [Kunstsymposion 2017: Koexistenz] --

[kontakt] [reset] [krusche]