5. Mai 2017 Ich
behaupte gerne: Pessimismus ist feig! Es gibt ja keine Zeit und keine Gegend, in
der so viele Menschen nun etliche Jahrzehnte in so großer Sicherheit und Freiheit leben
durften, bei gleichzeitig so breit verfügbarem Wohlstand. Das ist Österreich. Warum sich
also um die Zukunft sorgen? Es lief doch bisher ganz gut.
Kulturreferent Alois Reisenhofer
Gleisdorfs Kulturreferent Alois Reisenhofer hatte gestern
zu einem Abend geladen, an dem Fragen der Kulturpolitik zu erörtern waren. Ein Abend, der
zum Erstaunen der politischen Kräfte ohne Kunstschaffende auskommen mußte; wenn man von
mir und einer Kunsthandwerkerin absieht.
Dazu stellte Vizebürgermeister Peter Schiefer so treffend
wie ironisch fest: "Dann muß ja alles passen, wenn keiner hier ist."
Ein verblüffende Stand der Dinge. So blieb als Hauptthema des Abends die problematische
Publikumsfrequenz beim insgesamt doch sehr dichten Veranstaltungsangebot in Gleisdorf.
(Bürgermeister Christoph Stark: "Du brauchtst in so einer Stadt eine bestimmte
Veranstaltungsdichte, um gut wahrgenommen zu werden.")
Ein Evergreen! Seit 2009 ist Reisenhofer im Amt. Schon
damals war klar, daß immer mehr Geld investiert werden müsse, um damit immer weniger
Publikum in Gang zu bringen. Es dürfte demnach nicht bloß eine Marketing- und PR-Frage
sein. Woher kommt das Bonmot, wenn das Doppelte einer Sache nichts nütze, werde das
Zehnfache davon auch nichts nützen? Debatten der Kulturpolitik brauchen also eventuell
ein paar neue Fragestellungen.
Von links: Alois Reisenhofer,
Bürgermeister Christoph Stark und Vizebürgermeister Peter Schiefer
Wie zur Illustration, was am jetzigen Status quo die
Sackgase ausmacht, kam von der Kunsthandwerkerin an diesem Abend genau ein Input.
Sie beschwerte sich über die ihrer Meinung nach unzureichende PR-Arbeit bezüglich einer
Ausstellung ihrer Arbeiten am kommenden Samstag.
Das ist ungefähr, was ich mit "Selbstoptimierer"
im Kulturbereich meine. Da weist vorerst nichts über das Interesse am eigenen Vorankommen
hinaus. Gerade auf diese Haltung bezogen stünde die Frage an, warum solche Positionen mit
öffentlichen Geldern kofinanziert werden sollten und ob das nicht eher aus dem
Sozialbereich zu bezahlen wäre. Oder überhaupt: Worin besteht da der Leistungsaustausch
und was hat das Gemeinwesen davon?
Kunstschaffende behaupten gerne, ihr Kunstschaffen sei
schon an sich ein Wert (ohne Zweifel!) und damit a priori die passende Münze (sehr
zweifelhaft!) in dieser oft prüde vermiedenen Frage des Leistungsaustausches. Etwas
moderater formuliert, ich wünschte, Kulturschaffende würden mit den Funktionstragenden
aus Politik und Verwaltung einmal debattieren,
+) in welche Bereiche und Themen demnächst die knappen öffentlichen Kulturgelder
investiert werden mögen,
+) was dafür notwendig zurückstehen solle, weil die Mittel eben knapp sind, und
+) was davon privat finanziert werden soll, weil die Kommune nicht für alles aufkommen
kann.
Reden wir also über Prioritäten, streiten wir notfalls
darum. Eine politische Debatte über die Verteilung und Nutzung verfügbarer Mittel. Dabei
wäre eventuell auch zu diskutieren, wie legitim es sein kann, Kulturgelder und
Kulturprojekte dem Marketing einer Kommune nutzbar zu machen, unterzuordnen.
Kulturschaffender Karl Bauer
Es könnte ja sein, daß bei einem zu hohen Augenmerk auf
das PR-Potential der Kulturabteilung manche Entwicklungen gar nicht erst in Gang kommen,
um ein Milieu Kulturschaffender zu frischen Ereignissen zu ermutigen.
Wer erinnert sich noch, wie 2013 die Kleine Zeitung
darüber berichtet hat, daß ein verärgerter Vernissagen-Gast sich über ein angeblich
kümmerliches Buffet im Gleisdorfer Museum im Rathaus beschwert hatte? Siehe
dazu: "Hunger nach Kultur" [link]
Statt jenem Schnösel seine Anmaßung um die Ohren zu hauen
und ihm zu empfehlen, er möge doch seinen Hunger gefälligst am eigenen Kühlschrank
stillen, bevor er geistige Nahrung konsumiert, die ihm ohne Eintrittspreis angeboten
wurde, debattieren wir also bis heute, was man NOCH tun könne, um das Publikum zu "aktivieren".
In der Debatte klemmt also irgendwas...
-- [Kulturpolitik] -- |