15. April 2017 Letzten
Jänner hatte ich beschlossen, meinen Hausrat zu verringern, Sedimente abzutragen. Das
Unternehmen stockte beizeiten. Nun ein neues Konzept. Im Eintrag vom 9. April kann man einen Kübel sehen, mit dem ich Sand
aufbewahrt hatte. In einem Leben wie meinem gibt es nicht gar so viele gute Gründe, Sand
auf Halde zu halten.
Das nun schon reichlich veraltete Cover meiner v@n-site
zeigt einen der Gründe dafür. Ich hatte mehrmals Sand gebraucht. Honig, Milch und Sand
spielten eine Rolle in meinem kleinen Erinnerungsstück für Nermin Osmanovic,
einem Bosniaken, der in die Wälder geflohen war, als die serbische Soldateska ankam: [link] Die Soldaten
hatten Nermins Vater Ramo gezwungen, seinen Sohn zurückzurufen. Siehe: [link]
Ein Akt von unübertrefflicher Obszönität.
An einer Stelle des Projektverlaufs habe ich notiert: "OHNE
ERINNERUNG KEINE GEGENWART KEIN ICH" [link] Aber mit dem
Ernst solcher Angelegenheiten im Nacken ließe sich die triviale Aufräumarbeit in meiner
Hütte nicht schaffen. Wie erwähnt, der Hausrat sollte in seinem Bestand um wenigstens
ein Drittel verringert werden.
Um das voranzubringen, habe ich den Sandkübel zum
Amtskübel ernannt. Die Mission lautet, es muß jeden Tag mindestens ein Stück
darin abgelegt werden, das auf jeden Fall größer als eine Schraube ist. Dabei war in den
ersten Tagen naturgemäß ein größeres Aufkommen. Inzwischen muß ich mich schon genauer
umsehen, um diese selbstgewählte Pflicht zu erfüllen.
Dabei fand ich jene Uhr, die mein Vater einst abgelegt
hatte, um sich eine neuere umzuschnallen, weshalb ich dieses Stück als kleines Kind
erhielt. Ich war erstaunt, daß ihr Werk noch anstandslos läuft. Ich fand ferner: eine
Dose mit Sand, ein Glas mit Zucker aus der Antike, aufgequollene Batterien aus den Zeiten,
als mein Sohn noch Gameboy spielte, eine VHS-Cassette "König der
Löwen", zwei rostige Konservendosen, mutmaßlich aus den Tagen da Napoleon in
Ägypten gelandet ist.
Da waren ferner einige Glühbirnen, Schilling-Münzen
verschiedener Werte, sehr viele alte Schlüssel, aber auch nützliche Gegenstände wie
eine Spätzle-Reibe oder originalverpackte chinesische Teeschalen. Am meisten überraschte
mich das Auftauchen meines Eherings, der auf eine Hochzeit in den 1970er Jahren verweist;
was an eine Frau erinnert, die inzwischen leider nicht mehr lebt.
Dann war da noch ein kleines Nashorn, das mich recht
fröhlich gestimmt hat. Kinderkram. Ich hänge sehr sentimental an solchen Knotenpunkten,
dann Vaterschaft gehört zum Radikalsten, was sich in meinem Leben ereignet hat. Ja, was
wäre ich ohne Erinnerungen?
Beim eingangs erwähnten Projekt war noch eine andere Notiz
angebracht, ein Zitat des Malers Hannes Schwarz: "...und zwar erlebt der Mensch
die Welt als Grenze" [link] Ich hab seine diesbezügliche Aussage hier in einer Videosequenz
von rund 30 Sekunden deponiert: [link]
Man hört dabei das Schlagens seines vom Parkinson-Syndrom
erschütterten Körpers. Ich hab ihn nie lauter sprechen gehört, immer sehr überlegt,
sich für Antworten Zeit lassend, um nichts Unerhebliches zu äußern... |