1. April 2017

Wir leben unsere Mythen. Das mag kein präziser soziologischer Befund sein. Es ist eher eine kulturelle Behauptung. Ich hab im vorigen Eintrag notiert: "Und sollten wir nicht die Technik als Ausdruck des menschlichen Bemühens deuten, jene Fertigkeiten zu erschließen, die den Göttern und Halbgöttern in unseren Mythen verfügbar sind?"

Der praktizierende Heide würde eventuell die selbe Annahme umgekehrt formulieren: Wir schreiben an den Himmel, was wir in uns finden. Und ist das nicht alles auch Gegenstand dieser oder jener Form von Kunstpraxis?

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Erschaffen. Was für ein Mythos! Aber auch das Erringen, die großen Emotionen, die Niedertracht. Alles finden wir im griechischen Himmel, wie auch die alten ägyptischen Gottheiten nicht von der noblen Art waren.

Das sind dann beispielsweise Dimensionen, die im regionalen Kulturgeschehen zu Kriterien werden: Tun sich hier Menschen hervor, die gerade einmal verstehen, ihr eigens Innerstes auszuleuchten, oder gelingt ihnen auch ein Blick zum Himmel, um über Relationen nachzudenken? Kommt das dann in ihren Erzählungen und Bildern vor; das Kleinräumige oder das Weitläufigere?

Nun wäre es ja schon eine respektable Leistung, sein eigenes Innerstes auszuleuchten, um das in eine bemerkenswerte Erzählung zu transformieren. Ich denke, das ist eine Grundlage von Kunstpraxis. Die andere Option halte ich für einen Ausdruck von Volkskultur; wenn die Anwendung künstlerischer Techniken einem dazu verhilft, angenehme Momente zu haben.

In diesem Modus wird das Publizieren solcher Werke eher zu einem sozialen Ereignis, das meist nur dann interessante Arbeiten an die Öffentlichkeit bringt, wenn sich zufällig besonderes Talent geäußert hat. Das ist erfahrungsgemäß die Ausnahme. Bilder wie jenes hinter dem fogenden Ausschnitt lassen sich allerings bestenfalls mit "Hoher persönlicher Erinnerungswert" einstufen.

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Wer keine andere Ambition kennt als sich selbst zu trösten, schließlich zu erfreuen, generiert ein kulturelles Feld, das mich seit vielen Jahren ratlos sein läßt. Die Praxis zeigt: Hier will sich alles der Kunst zurechnen und unterstellt, dies seien Momente der Gegenwartskunst. Warum kommt der Installateur in die Autowerkstatt und will allen weismachen, er sei ein Automechaniker? Wozu diese Beliebigkeit in den Begriffen? Wie sollen wir uns verständigen, wenn die Begriffe unerheblich sind?

Es ist ohnehin so, daß die Ergebnisse meist sehr aufschlußreich erscheinen und der Installateur am Auto nicht die gleichen Ergebnisse zuwege bringen wird wie an der Zentralheizung. Ich hab gestern mit Graphic Novelist Chris Scheuer solche Fragen erneut debattiert. Bei ihm haben Jahrzehnte des fast schon manisches Zeichnens eine Virtuosität in diesem Genre erbracht, die mühelos zu erkennen ist.

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In unserer Konferenz "Das Talent zur Kunst?" [link] war das ebenso zu einem zentralen Aspekt geworden: Konsequentes, langfristiges Arbeiten an den Inhalten und an den Mitteln ihrer Umsetzung bringt jene Werke hervor, unter denen sich dann manche als bemerkenswert erweisen.

Damit sollte auch deutlich werden, daß die Prozesse und ihre Ergebnisse im Fokus stehen, nicht die Tatsache ein Künstler zu sein. Das soziale Faktum (Künstler zu sein) wird nur in wenigen Fällen, womöglich in wenigen Momenten zu einem Umstand der Kunst.

Die Leute, mit denen ich vorzugsweise arbeite, haben vor allem ein Interesse an den Fragen und Aufgabenstellungen, die mit Mitteln der Kunst angegangen werden; schließlich an den künstlerischen Prozessen.

Ich denke, dabei muß sich dann auch regionale Kulturpolitik entscheiden, ob sie eher zur Sozialarbeit oder eher zur Gegenwartskunst tendiert. Dazu kommt, um es erneut zu erwähnen, die notwendige Entscheidung, wie viel an verfügbaren Mitteln man für a) den Bereich Konsumation und b) den Bereich Partizipation einsetzen möchte.

Wo Kulturpolitik sich selbst nicht versteht, wird sie sich mit der Verwaltung des Zufalls begnügen und einfach verwalten, was so daherkommt. Das trägt bloß kaum etwas zur Zukunfstfähigkeit eines Lebensraumes bei.

Wir sind freilich an Scheindebatten längst gewöhnt. Offenbar ist Twitter das neue Diskursformat. Oder aber: In der Kürze liegt die Würze. So eben auf einem Nachbarfeld erfahren, da ich mich nun einige Jahrzehnte mit Mobilitätsgeschichte befasse. Dabei spielt das Thema Maschinenverliebtheit eine große Rolle, es sind triviale Mythen zu erschließen etc.

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Nun hatte ich dieser Tage in Graz die Gelegenheit, ein überaus rares Monster zu besteigen, den Mercedes G 63 AMG 6x6. Um die Exklusivität dieser Karre zu illustrieren: In Dortmund wäre noch einer für € 585,000,- zu haben.In Hechingen bei Stuttgart stünde eine von Optimierer Brabus auf 700 PS aufgebrezelte Version für € 1.249.500,- zur Verfügung.

Darauf schreibt mir eine Tina S. via Facebook: "BIttebitte Leute! Beeindruckendes Vehikel, BUT grauslicher Umweltverpester, oder?" Mission accomplished, Empörung deponiert, sachlich völlig im Graben, weil wir ja in der Umweltfrage kein Problem mit Autos haben, die mit Preisschildern von 300.000,- Euro aufwärts behängt sind.

Da hätten wir eher über die Volksmotorisierung zu reden, die unsere Städte und Dörfer dicht macht, bei parkenden Autos winters wegen warmer Füße und sommers für die kühlende Klimaanlagen zu laufende Motoren führt. Am Himmel und auf den Weltmeeren sorgen Massentourismus und Kreuzfahrtfreuden für das Verfeuern unfaßbarer Brennstoffmengen etc. (Der landesweite Bedarf an Sprit allein für die ständige Parkplatzsuche würde Ihnen den Atem rauben.)

Gut! Wir machen in Komplexitätsreduktion, sowohl in der Problemanalyse als auch in der Empörung. Nein. Das Leben in der Kunst schließt solche Optionen vermutlich aus. Wobei nicht die Verkürzung und auch nicht die Komplexitätsreduktion problematisch wird, das können bewährte künstlerische Mittel sein. Es ist die Simulation von Sinn, an der es sich spießt.

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Gestern durfte ich nachlesen, wie es gerade um die Meisterschaft in Sinn-Simulation auf dem Boulevard steht. Alles wie gewohnt. Keine Überraschungen. Aber ich komme nun schon weit von unseren aktuellen Themen ab. Der Homo faber und die Geisterfahrer. Daedalus und Ikarus. Ich hab grade begonnen, die Zusammenhänge von Volkskultur, Pop und Gegenwartskunst ein wenig zu erkunden: [link] Ich bin gespannt, wo das hinführt...

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