5. Februar 2017 Portugal
war ein Armenhaus in europäischer Randlage, Provinz der Provinz. Es stieg für kurze Zeit
zur Weltmacht auf, um uns heute wieder als ein Armenhaus geläufig zu sein. Was ist denn
das bloß für eine Geschichte? Diese irritierenden Vorgänge markieren etwas, das man
heute als Beginn einer globalisierten Wirtschaft deuten könnte. Fernhandel,
Geldwirtschaft, komplexe Verflechtungen bei enormen Schritten der Raumüberwindung.
Ich hab das Thema im Eintrag
vom 31.1.2017 angerissen und dabei eine Muskatnuß in die Hand genommen. In
der Beschreibung dieser Pflanze wird auch Macis erwähnt. Der Macis. Es
ist ein Mantel, der die Muskatnuß umhüllt. Diese Kombination bildet das Innere
der Frucht des Muskatbaumes.
Dazu wurde ich nun bei meinem Kaufmann fündig. Macis wird
immer noch als Gewürz angeboten, wenn auch nicht so prominent wie die Nuß. Diese und
andere Gewürze, wie etwa Pfeffer und Zimt, waren also begehrte, schwer erhältliche
Güter, an deren überaus langen und gefahrvollen Transportwegen unzählige
Umschlagplätze bestanden.
Das heißt, es mußten die Profitinteressen von sehr vielen
Leuten bedient werden, bis die Gewürze etwa in Venedig ankamen, dieser Stadt auf Stelzen
mit dem Beinamen La Serenissima, die Durchlauchtigste. Reichtum und politischer
Einfluß der Lagunenstadt ruhten ganz erheblich auf den Ergebnissen des Fernhandels.
Ich hab schon erwähnt, daß der Aufstieg Portugals zu
kurzer Weltgeltung über technische Innovation gelang, ergänzt um den systematischen
Import von Know how, wo man selbst Defizite hatte. Das war am Schiffsbau (Karavellen)
festgemacht.
Bildungsinitiativen, Import von Know how und technische
Innovation. Dieser Modus und seine Konsequenzen hatten einen formalen Höhepunkt im Vertrag
von Saragossa, der 1494 einen Interessensausgleich zwischen Spanien und Portugal
schuf, um sich beim Ausplündern der Welt nicht all zu sehr in die Quere zu kommen. (Eine
historische Entwicklung, die von einigen Päpsten fundamental mitgetragen wurde.)
Im Eintrag
vom 3.2.2017 hab ich einen ähnlichen Weg Deutschlands erwähnt, um im 19. Jahrhundert
die weltweite Vormacht Englands als Industriemacht zu beenden, schließlich auch die
britische Dominanz zur See zu brechen, denn da ging es ebenfalls um Kolonialinteressen, um
billige Rohstoffe und Arbeitskräfte, um neue Märkte. Bildungsinitiativen, Import von Know how und technische Innovation. Steht uns
das auch bevor, da wir nun in eine Vierte Industrielle Revolution zugehen?
Werden wir passende Strategien und praktische
Handlungsweisen finden? Denn etwas wird dabei in naher Zukunft verläßlich entfallen,
nämlich die Attitüde der Kolonialmacht.
Wenigstens ein halbes Jahrtausend europäischer
Kolonialismus haben auf der gesamten Welt so viel Schaden angerichtet, daß nun viele
Millionen von Menschen (ohne Aussicht auf ein besseres Leben) aufgebrochen sind, um die
elenden Gebiete hinter sich zu lassen. Davon in großer Zahl Richtung Europa. |
Caravela Vera Cruz
auf dem Rio Tejo (Foto: Lopo Pizarro, Creative Commons) |
Wir haben demnach eine sehr interessante "Modernisierungskrise",
in der wir ganz offenbar alte Modi nicht per Recycling neu auf die übrige Welt anwenden
können. Zwar haben westliche Konzerne immer noch nicht aufgehört, andere Weltgegenden
auszuplündern, ohne daß die dort ansässige Bevölkerung von den erzielbaren Gewinnen
profitieren würde, aber die betroffenen Völker sehen uns dabei nicht mehr tatenlos zu.
Es ist ziemlich infam, daß (west-) europäisches
Politik-Personal derzeit so gerne von "Wirtschaftsflüchtlingen" redet
und sich selbst vorgaukelt, wir können ein paar Milliarden Globalisierungsverlierer aus
unseren feinen Gärten verläßlich fernhalten, aus jenen Gärtemn, die wir unter anderem
mit Profiten aus ihren Ländereien eingerichtet haben.
Selbst bloß ein Hauch von Geschichtskenntnis müßte
verdeutlichen, was das für ein frivoles und nutzloses Geschwätz ist. Es scheint mir viel
einleuchtender, daß wir uns auf neue Formen der Koexistenz einstellen.
Bildungsinitiativen, Know how-Transfers und technische
Innovation, ergänzt um soziale Innovationen und selbstbewußte kulturelle Schritte in die
Zukunft sollten uns voranbringen können, ohne die nötigen Kräfte in sinnlosen Kämpfen
auf Ersatzschauplätzen zu vergeuden.
Ich habe mir schon öfter anhören dürfen, daß ich ein "Sozialromantiker"
sei. Mumpitz! Setzen wir uns doch an einen Tisch, schlagen wir die Geschichtsbücher auf
und prüfen wir, was denn nun a) romantischen Phantasien und b) realistischen Anschauungen
seien.
Nebenbei bemerkt, am massivsten kenne ich das Verdikt "Sozialromantik"
von vaterländischen Kräften, die gerne von "Unserer Kultur" und "Unserer
Identität" reden, aber in einer seriösen Erörterung viel zu oft zeigen, daß
sie ab-so-lut keinen Tau haben, wovon sie da reden, daß sie aus dem Stegreif meist nicht
einmal drei, vier gerade und kohärente Sätze zur Geschichte Österreichs hinbekommen.
Es hat gute Gründe, daß unser heuriges Kunstsymposion den
Titel "Koexistenz 2017" trägt: [link] Es hat gute Gründe,
daß wir uns im zweiten Teil von "Die Quest" mit weiteren Aspekten des
Reisens und der Abenteuerfahrt befassen: [link]
Es hat gute Gründe, daß wir im Projekt "Mensch
und Maschine" neben den historischen Hintergründen, die da ausgeleuchtet
werden, auch auf Fragen nach Know how und technischer Innovation achten: [link]
-- [Mensch und Maschine] -- |