22. Dezember 2016 Was für Tage der Unruhe! Ich nehme mir heute die Freiheit, auf das
Weltgeschehen in keiner Weise einzugehen. Nichts von Bedeutung erreicht mich. Nichts
Lautes, egal wie laut es ist, stört mich auf. Ich war eben in den Anblick einer
Wurstsemmel vertieft. Falsch! In den Anblick einer Photographie einer Wurstsemmel.
Eisenbahn am frühen Morgen.
Kürzlich hatte ich den Gleisdorfer Bahnhof um
6:00 Uhr morgens betreten, die Passage nach Graz absolviert, um dort den Zug nach Wien zu
besteigen. Die Wurstsemmel wurde mein Frühstück auf dem Weg in das andere Atlantis.
Damit bezeichne ich gerne eine eigentlich
versunkene Welt, von der noch wenige verborgene Schuppen, Hallen, Keller erhalten sind,
die über private Zugänge erreicht werden können; falls einem Zutritt gewährt wird;
siehe zu diesem Thema: [link]
Parkplätze, Warteräume, Bahnsteige... Ich
hab ein ausgeprägtes Faible für solche Durchgangsorte, für Bahnhöfe, Raststätten,
Tankstellen. Dabei kann ich zum Beispiel das Betanken eines Autos überhaupt nicht leiden
und meide es oft bis zum letzten möglichen Moment. Aber die Einrichtungen mag ich sehr.
Übergänge. Randzonen. Das andere
Atlantis meint hier vor allem Bestände und Räume in Privatbesitz. Öffentliche
Sammlungen gefallen mir auch, zählen für mich aber nicht zu diesen Territorien, weil
ihnen das Versunkene abgeht. Deswegen finde ich sie freilich nicht weniger anziehend. Im
Gegenteil. Sammeltätigkeit in Dimensionen, wie sie bloß ein Staat oder ein
internationaler Konzern schaffen würde, stellen uns atemberaubende Dinge hin. Ich habe
habe das in der Notiz "Inventar meines Denkens" zusammengefaßt: [link]
Zurück zum Privaten. Es gibt seltene Stücke,
die in manchen Kreisen sehr große Begehrlichkeiten auslösen. Darum ist der Zugang zu
solchen Artefakten strikt geregelt. Man wird empfohlen und weitergereicht. Ein kleiner
Ausflug ins Niederösterreichische war an die Bedingung geknüpft, daß ich den Ort nicht
preisgebe und auf Photos verzichte.
Die Ortsfrage ist mir keine Bürde, aber der
Bildverzicht schmerzt natürlich. Meine Begleitung nahm mir in einem der Räume sogar die
Tasche mit der Kamera ab und verfrachtete sie nach draußen, auf daß ich nicht in
Versuchung käme. Aber mir sind solche Modalitäten ohnehin vertraut, sie zu umgehen
würde einem die Türen versperren.
Ich bekam schließlich doch eine kleine
Lockerung der Bedingungen genehmigt, durfte mich in eine der Raritäten setzen und wurde
sogar mit einem Photo überrascht. Nach diesem Moment ist es dann schon einerlei, wie
Weihnachten noch verlaufen möchte.
Das war ein ziemlich außergewöhnlicher und
aufregender Augenblick in einem rund hundert Jahre alten Automobil. So erfreulich hatte
ich es zuletzt, als ich in einem noch älteren Fahrzeug chauffiert wurde: [link]
Ich habe mich so tief in die Geschichte der
letzten 200 Jahre geschraubt, daß mir die Gegenwart gerade ein wenig uninteressant
erscheint, zumal uns aktuelle Umbrüche ohnehin ganz massiv auf Mutmaßungen und
Spekulatives angewiesen sein lassen.
Ich erlebe sehr stark das Gefühl, kürzlich
habe eine Ära geendet, in der ich aufwachsen durfte, habe sich ein Zeitfenster der
unglaublichen Annehmlichkeiten geschlossen, um etwas Rauheres zu eröffnen. Natürlich hat
das Befragen der Vergangenheit etwas mit den Annahmen über die Zukunft zu tun. In dieser
Sache sind hier gerade zwei neue Arbeitsleisten eröffnet:
-- [Mensch und Maschine] [Ditmar & Urban] -- |