10. Dezember 2016 Heuer hat der Staat die fällige Umsatzsteuer für künstlerische Werke von
zehn auf 13 Prozent angehoben. Das ist ein bemerkenswerter Schritt, wobei niemandem
verborgen sein sollte, wie wenig einschlägige Berufe zu marktfähigen Produkten führen.
Anders ausgedrückt, die Beiträge zu einem
anregenden geistigen Klima, das die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft stärkt, sind
überwiegend nicht geeignet, auf dem freien Markt materielle Profite zu generieren.
Daß andrerseits auf dem internationalen
Kunstmarkt allerhand Werke zu astronomischen Preisen gehandelt werden und auch als Medien
zum Speichern für große Schwarzgeldsummen genutzt werden können, tut hier nichts zur
Sache. Das ist ein völlig anderer Bereich des Kunstgeschehens, von dem etwa die regionale
Wissens- und Kulturarbeit absolut unberührt bleibt.
Die ökonomische Situation von
Kunstschaffenden in Österreich läßt sich knapp und unmißverständlich so skizzieren:
Ein adäquates Jahreseinkommen aus rein künstlerischer Tätigkeit ist nicht möglich. Es
gibt zwar einige Ausnahmen, ein überschaubares Feld von Künstlerinnen und Künstlern,
die in diesem Sinn marktfähig sind. Aber die fallen quantitativ eher nicht uns Gewicht,
wenn man sie der Summe jener gegenüberstellt, deren künstlerisches Schaffen keinen
hinreichenden Broterwerb ermöglicht.
Von welchen Dimensionen spreche ich? Wer sich
über einige Zeit auf dem Kunstfeld hält, sollte dabei ein Einkommen erwirtschaften
können, daß sich mit jenem des pädagogischen Personals zwischen Volks- und
Mittelschulen vergleichen läßt.
Ich würde für mich in Anspruch nehmen, daß
meine Arbeit allemal wert ist, was ein Mittelschullehrer meines Alters verdient. Es gibt
aber keine Rahmenbedingungen, die das ermöglichen. Kurz und unaufgeregt zusammengefaßt,
ich muß spätestens seit den Krisen im Kielwasser des Lehman Brothers-Debakels (2008)
immer mehr arbeiten, um immer weniger zu erwirtschaften und bleibe weit unter dem, was
andere Kulturbereiche an Einkommen ermöglichen.
Nun also auch noch der angehobene Steuersatz.
Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren und Peter Paul Skrepek von der Musikergilde
Wien ließen Anfang September wissen: "Höhere Umsatzsteuersätze können
den Privatkunden von Kunstschaffenden, Vereinen und dem Subventionsgeber kaum
weitergegeben werden. Die Kunstschaffenden müssen bei Leistungen gegenüber öffentlichen
Einrichtungen, die von der Umsatzsteuer ausgenommen sind, die Umsatzsteuer aus dem
erhaltenen Honorar selbst bezahlen."
Der Modus: "Umsatzsteuerpflicht
besteht, sobald ein Jahresumsatz von 30.000 Euro bzw. inkl. je nach zu leistenden
Umsatzsteuerbeträgen von 33.900 Euro (bei 13 Prozent) bis 36.000 Euro (bei 20 Prozent)
überschritten wird."
Bedenken Sie, daß von diesem Umsatz noch gut
40 Prozent für Einkommensteuer und Sozialversicherung abgehen. Für Freelancers gibt es
dabei keinen Arbeitgeberanteil und keinen vom Arbeitsgeber finanzierten Arbeitsplatz. Es
gibt keinen bezahlten Urlaub und keinen gesicherten Krankenstand.
Als freischaffender Künstler gehöre ich zu
den EPU, zu den Einpersonen-Unternehmen Österreichs. Die machen mehr als 60 von
100 Prozent heimischer Betriebe aus.Das ist ein ökonomisch eher schwaches Feld innerhalb
der etwas mehr als 90 Prozent KMU, also Klein- und Mittelbetriebe des Landes.
Da in der Wissens- und Kulturarbeit sehr
wesentlich immaterielle Güter und Produkte entstehen, die dem geistigen Klima einer
Nation zugute kommen, aber nicht auf herkömmliche Art marktfähig sind, besteht eine
große Konkurrenz um jene eher knappen öffentlichen Mittel, die eine Gesellschaft in ihr
kulturelles Leben investiert. Davon kommt überdies in der Provinz nur wenig an, weil
große Einrichtungen in den Landeszentren den Löwenanteil dieser Mittel binden.
Beachten Sie nun, wie massiv der Anteil
kultureller Themen in den letzten Wahlkämpfen Österreichs war. Unsere Kultur. Unsere
Identität. Die (christlichen) Werte des Abendlandes. Die Kultur des Volkes, wahlweise
Volkskultur... Mit deisen themen werden also Wahlkämpfe ausgefochten, auch gute
Geschäfte gemacht.
Disbezügliche Klärungen sind Agenda der
Wissens- und Kulturarbeit, zu der nun die Anforderungen aktueller Umbrüche kommen, wie
ich sie im vorigen Eintrag skizziert habe: "Es
ist eine interessante Zeit. Während wir uns auf dem Weg in eine Vierte Industrielle
Revolution befinden, wo uns die vorherige, die Digitale Revolution, noch nicht in
vertraute Verhältnisse entlassen hat,..."
Wir müssen damit rechnen, daß sich unsere
vertraute Arbeitswelt innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahre radikal verändert hat. Wir
müssen in eben dieser Zeit gesamteuropäische Lösungen finden, da uns rasant verarmte
Milliarden von Menschen nicht weiter via Medien tatenlos zusehen werden, wie wir unseren
überbordenden Wohlstand konsumieren.
Falls wir darauf verzichten, in solchen Fragen
neue Kompetenzen zu erwerben und neue Verfahrensweisen zu entwickeln, dürfte Europa in
seinen ökonomischen und sozialen Möglichkeiten extrem absturzgefährdet sein.
Dazu kommt, daß spätestens seit der Wahl von
Donald Trump zum Präsidenten der USA dem letzten Deppen klar sein möge, daß Europa
sicherheitspolitisch ein Protektorat Amerikas ist. Dieses Amerika will offenbar an einem
Engagement im gewohnten Ausmaß nicht festhalten.
Kurz und gut, es wird für uns alle in den
nächsten Jahrzehnten nicht billiger werden. Daß vaterländische Kräfte die Angst davor
gerne den Flüchtlingen ankreiden, illustriert deren Mangel an Zurechnungsfähigkeit in
diesen Zusammenhängen. Die anstehenden Probleme sind weit komplexer, die Quellen dieser
Probleme keineswegs in Flüchtlingsbooten zu entdecken.
Wo finde ich die Fragen, die daraus entstehen,
nun zur Debatte gestellt? Bieten etwa die dominanten Städte unserer Region, Weiz und
Gleisdorf, ein kulturpolitisches oder gesellschaftspolitisches Konzept, das solche
Anforderungen wenigstens rudimentär reflektiert? An dieser Stelle bleibt vorerst nur ein
großes Fragezeichen.
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