12. November 2016 Im
ersten Buch seines beeindruckenden Werkes "Vom Kriege" stellt Carl von
Clausewitz fest, der Krieg "ist ein Akt der Gewalt und es gibt in der Anwendung
derselben keine Grenzen". Kapitel Nummer 24 dieses Buches ist mit der bekannte
Aussage überschrieben: "Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit
anderen Mitteln".
Was Österreichs und Deutschlands Monarchen auf dem Weg in
den Großen Krieg mit pathetischem Geschwafel dekoriert haben, nannte er in
seiner Einleitung "Über die Natur des Krieges" ganz unspektakulär
beim Namen: "Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung
unseres Willens zu zwingen".
Gleisdorf: Da der tote Kamerad nicht
als "Held" verhöhnt wird
Es sollte in unseren Tagen breiter Konsens herrschen, daß
es einen hohen Aufwand an Lügen, Täuschung, Propaganda braucht, um Millionen von
Menschen zu Erfüllungsgehilfen für einen Angriffskrieg zu machen, der einem
Untertannen keinerlei Vorteile bringt, sondern bloß der Aristokratie und ihrem Personal
Gewinne verspricht, die mit horrenden Preisen bezahlt werden müssen.
Ich bin gelegentlich sehr aufgebracht, wenn jemand
versucht, mich blöd zu reden, was das verklungene 20. Jahrhundert angeht, das recht
angemessen als "Zeitalter der Extreme" gilt, so der Titel eines
bewegenden Buches von Eric Hobsbawm.
Ich zähle mich selbst zu den Kindern der Barbaren,
bin Brut dieser Gewalttätigkeit, die sogar in meiner Generation noch beschönigt und
verschleiert wird. Wir möchten offenbar nicht wissen, wie und worin wir in ungebrochener
Tradition dieser Ereignisse stehen, welche zum Ende des 19. Jahrhunderts den "soldatischen
Mann" als Ideal und das Heer als "Schulde der Gesellschaft"
kannten.
Wir sehen und hören es nicht, wahlweise lieber
nicht, daß Österreich nach wie vor innerfamiliäre Gewalt in epidemischen Ausmaßen
erlebt. Das ist hauptsächlich Gewalt gegen Kinder und gegen Frauen, aber auch nicht zu
knapp Gewalt von Frauen, etwa an Kindern. Hobsbawm:
Zitat: Eric Hobsbawm
Wir leben dieses Erbe. Die Verwüstungen durch die "Brutalisierungsmaschine"
und ihre Vertiefung im Zweiten Weltkrieg ist auf keinen Fall in zwei Generationen
abgearbeitet, durch anderen Umgang der Menschen miteinander ersetzt. Hobsbawm präzisierte
einen Teil des brandgefährlichen Erbes:
Zitat: Eric Hobsbawm
Hier finden sich schon Denkanstöße, die begreiflich
machen könnten, was ich heute an den unkommentieten Tafeln mit der Aufschrift "Unsere
Helden" anstößig finde. Sie werden beiden von Hobsbawm oben erwähnten Typen
nicht gerecht.
Ich mache geltend, daß die über Jahrzehnte gepflegte
Brutalsierung der Gesellschaft bis heute nachwirkt, Bestand hat, gegenwärtig immer noch
verbrämt, kaschiert, geschminkt wird. Das geschieht auf viele Arten und mit tausenden
Details der Inszenierung des "soldatischen Mannes", der einst als "tugendhaft"
galt. Und all das zwei mal für Angriffskriege entwickelt, in denen unsere Leute jeweils
die ersten Aggressoren waren.
Ich hab gestern
notiert, am 29. Juli 1914 sei der Schießkrieg von Panzerschiffen vor Belgrad aus
eröffnet worden. Historiker Manfried Rauchensteiner schrieb, "der Kommandant des
Führerschiffs der Donauflotille, Fregattenkapitän Friedrich Grund, gab auf dem
Zweiturm-Monitor 'Temes' den Feuerbefehl".
Modell des Monitors Temes
in 1:33 (Foto: Sandstein, Creative Commons)
Das geschah nur wenige Wochen nachdem Gavro Princip nahe
der Lateinerbrücke in Sarajevo das Thronfolgerehepaar erschossen hatte. (Die Schüsse von
Sarajevo waren am 28. Juni 1914 abgegeben worden.)
Kurioses Detail, der Name Temes spielt in dieser
Geschichte noch eine andere Rolle. Auf dem Aktebogen zur österreichischen
Kriegserklärung war vom Grafen Berchtold für den Kaiser notiert, eine Meldung des 4.
Korpskommandos besage, daß serbische Kräfte am 26. Juli bei Temes Kubin
österreichische Truppen unter Beschuß genommen hätten.
Es sei zu einem Feuergefecht gekommen, weshalb man dem
Monarchen empfahl, die Kriegserklärung an Serbien abzuschicken. Eine Lüge. Ein Vorwand.
Dieses Schüsse und dieses Gefecht hat es nicht gegeben.
Am 28. Juli telegrafierte Franz Josef dem rumänischen
König Carol, er sei gezwungen, gegen Serbien vorzugehen, da man auf dessen Seite ohne
vorherige Kriegserklärung ein Gefecht provoziert habe. Belgrad erhielt die
Kriegserklärung.
Erst danach, am 29. Juli, unterrichtete Berchtold seinen
Kaiser darüber, daß der Satz über den Angriff serbischer Truppen aus der
Kriegserklärung gestrichen werden mußte, weil der Vorfall "unbestätigt"
sei.
Der Außenminister korrigierte also das historisch
bedeutende Dokument ohne Wissen des Herrschers, aber "in Anhoffnung der
nachträglichen Allerhöchsten Genehmigung Eurer Majestät".
Woran erinnert mich das bloß? Auch die Nazi hatten so eine
Lüge benutzt, um ihren Leuten den Krieg als Verteidigungskrieg zu verkaufen. In
seiner Rede vor dem deutschen Reichstag sagte Adolf Hitler am 1. September 1939:
Polen hat heute Nacht zum ersten Mal auf unserem
eigenen Territorium auch mit bereits regulären Soldaten geschossen. Seit 5:45 Uhr wird
jetzt zurückgeschossen! Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten!"
Auch hier kamen übrigens die ersten Schüsse von einem
Kriegsschiff, nämlich vom das Linienschiff SMS Schleswig-Holstein.
P.S.: Beim preußischen General Clausewitz fand ich keinen
Hinweis, daß er sich mit einem Konzept von "Helden" befaßt hätte.
Was er über die Kategorien Kühnheit und Entschlossenheit schrieb, ist
eher geeignet, das Helden-Gepränge an unseren Kriegsdenkmälern als Mumpitz auszuweisen.
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