11. November 2016

Dieses Foto aus dem gestrigen Eintrag hab ich nun hier stehen lassen. Wir müssen über solche Tafeln reden. Sie sind nicht einfach Memento, um Orte zu markieren, an denen die Nachkommen getöteter Soldaten um ihre Angehörigen trauern können.

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Hauptplatz, Gleisdorf

Sie sind obszöne Botschaften aus einer Zeit, in der bei uns katholische Fürsten die Menschenwürde mit Füßen traten und ein Menschenbild pflegten, das nicht ihnen selbst, sondern bloß ihren Untertanen galt. Ich habe zu meinen diesbezüglichen Einwänden gehört, daß ich kein Kind dieser Zeit sei und mein Urteil daher unangemessen.

Zitat: "Man kann nicht einfach sagen, das Wort 'Helden' ist Scheiße, und gehört weg, und der Vergleich 'Heldengedenken' mit 'Infamen Inhalt' macht Dich ja genau zumeinender Populisten, die Du dauernd angreifst." Das werden wir klären können. Und sei es bloß, um einen guten Dissens zu finden.

Der gute Katholik Franz Joseph I. muß die Bergpredigt nicht gekannt haben. Was mögen seine Kriterien gewesen sein, als er seinen Krieg proklamierte? Da hieß es in "An meine Völker!" an erster Stelle:

"Es war Mein sehnlichster Wunsch, die Jahre, die Mir durch Gottes Gnade noch beschieden sind, Werken des Friedens zu weihen und Meine Völker vor den schweren Opfern und Lasten des Krieges zu bewahren. Im Rate der Vorsehung ward es anders beschlossen." [Quelle]

Das ist ein hanebüchenes Geschwafel, da biegen sich die Balken. Gottes Gnaden und die Vorsehung, jene Vorsehung, die auch Hitler so gerne strapazierte, der sich vorzugsweise als ein "Werkzeug der Vorsehung" darstellte, um "vor der Geschichte" Dinge zu tun, die also von angeblich höherer Instanz aufgetragen waren.

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Hauptplatz, Gleisdorf

Muß ich wirklich annehmen, daß der Kaiser und der Führer solchen Schwampf selbst geglaubt haben? Ja? Muß ich? Nein, das kauf ich nicht! Solche Goldgräber im Herzen unserer jüngeren Geschichte benötigten eine Menge Ideologie und Propaganda, um sich für ihre Umtriebe ganze Völker disponibel zu halten; ohne jede Scheu, diese Völker zu begraben.

Franz Josef in seiner Proklamation: "Immer höher lodert der Haß gegen Mich und Mein Haus empor, immer unverhüllter tritt das Streben zutage, untrennbare Gebiete Österreich-Ungarns gewaltsam loszureißen."

Das ist doch sehr aufschlußreich, wenn man bedenkt, daß Österreich die osmanischen Provinzen Bosnien und Hercegovina 1878 okkupiert und 1908 widerrechtlich annektiert hatte. So geht es dahin, daß sich die Aristokratie in Sachen Staatsräson herausnahm, was ihr beliebte, egal, wie viele Tote das kostete.

Es ist mir völlig egal, wie man das damals bewertete und nannte, ich nenne es ein Lügen, das durch die Ergebnisse des aristokratischen Handelns noch schmutziger wurde. "Unser Held" ist ein Kind dieser Lügen, ist eine ideologische Mißgeburt, die zu ihrer Zeit Bestand gehabt haben mag.

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Kalemegdan, Belgrad

Heute kann dieses Motiv bloß als historische Figur präsent bleiben, die des Kommentars bedarf, um nicht mißverstanden zu werden. "Unser Held" ist ein Golem von Fürsten, deren politische Konzepte nicht in die Gegenwart passen; übrigens auch nicht in das moderne Kriegswesen.

Wenn also heute (ausgerechnet!) an einer Kirchenwand die Formulierung "Unseren Helden" in den Fokus von Totengedenken gestellt wird, dann ist das eine Botschaft von Barbaren, eine zynische Dekoration der Schande von früheren Regierungen, von Herrschenden. Wie das den Toten und dem Totengedenken angemessen sein soll, konnte mir noch niemand schlüssig erklären.

Einer der Einwände gegen meine Ansichten lautete: "...man sollte die Denkmäler und Inschriften lassen und nicht weg oder ihren Sinn diskutieren, sie stehen als Sinnbild für etwas , was wir beide nicht erlebt haben." Da bin ich anderer Meinung!

Die blutige Operette, deren "Helden" ich heute kommentiert sehen möchte, begann so. Am 29. Juli 1914 hatten sich drei Monitoren der Donauflottille vor Belgrad in Stellung gebracht. Der Tagesanbruch war noch fern.

Um etwa 2:20 Uhr wurden von diesem kleinen Verband aus vier 12 Zentimeter-Granaten auf serbisches Gebiet abgefeuert. Es waren die ersten Schüsse des Großen Krieges, die als Kriegshandlung gewertet wurden.

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Kalemegdan, Belgrad

So ist mein Österreich. In völliger Dunkelheit schoß man auf den erklärten Feind, ohne zu wissen, was das bewirken würde. (Es ging dort unter anderem um einen Radiosender in der Belgrader Festung Kalemegdan.) Man könnte aus dieser Overtüre eine Operette machen. Gegen 4:00 Uhr schossen serbische Kräfte mit Gewehren zurück, was an den österreichischen Panzerschiffen wenig bewirkt haben dürfte.

Darauf antworteten die Monitoren mit Schrapnell-Schüssen. So operettenhaft beschaulich blieb die Sache nicht. In der Folge entfaltete sich ein Völkerschlachten, ein bis dahin beispielloses Massensterben.

In diesem Massensterben wurde der "Kriegsheld" nicht erfunden, aber in obszöner Weise propagandistisch aufgebläht, denn Österreich war nicht nur der erste Aggressor dieses Krieges, wobei der gute Kaiser die offiziellen Kriegsgründe herbeigelogen hatte, wie die Amerikaner Saddams Massenvernichtungswaffen. Österreich fackelte seine Männer ab, als gäbe es kein Morgen. Österreichs Kriegsführung war bis zum Ende von atemberaubender Stümperei begleitet.

P.S.:
Ich halte diese Erörterung für so brisant, weil in eben diesen damaligen Konzepten auch jene Vorstellungen von "Vaterland" erwachsen sind, die gerade ein unübersehbares politisches Comeback feiern. Wir sollten uns also in den Ideengeschichten ein wenig auskennen, zurechtfinden...

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