8. April 2016

Die "Gutenberg-Galaxis" ist die Welt der gedruckten Bücher. In den 1990ern war uns stellenweise ihr Ende avisiert. Da wußten wir aber eigentlich schon, daß neue Medien nach einer Weile oft alte Medien sehr speziell betonen, stärken.

Das gilt inzwischen am Beispiel der Vinyl-Schallplatten als geklärt. Das Medium Buch scheint derzeit keineswegs gefährdet. Der Begriff Neue Medien ist aber aus dem Alltagsgebrauch offenbar wieder verschwunden. Auch das Wort Cyberspace ist dorthin zurückgekehrt, woher es herkam: Literatur.

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Ich darf erinnern, daß der "Kyberspace", so einst die Schreibweise in deutschen Versionen, im Literatur-Genre Cyberpunk vorkam, bevor das Wort im allgemeinen Sprachgebrauch auftauchte. So war es übrigens auch mit dem Wort Roboter geschehen, das der tschechische Autor Karel Capek in einem Theaterstück einführte.

Wenn ich nun mit dem Graphic Novelist Chris Scheuer gerade in einen Abschnitt gehe, da er sich das magische Medium Holzschnitt erschließt, streifen wir damit zwei wesentliche kulturgeschichtliche Aspekte. Die Reproduzierbarkeit von Stücken zur Serie und eine Erzählweise, die nicht bloß auf das Wort gestützt ist.

Wenn wir all diese Aspekte derzeit in der Edition Freiberg kombinieren, bedeutet das auch, daß wir nach einem Status quo unserer Kultur fragen, genauer, nach dem Zustand der Medien, wie sie unter anderem für uns Künstler relevant sind.

Wenn ich vorhin das magische Medium Holzschnitt erwähnt hab, dann meine ich das sehr ernst und wörtlich. Es ist Magie. Wir blicken heute gerne schlampig darüber hinweg, daß die massenhafte Verfügbarkeit von Bildern und ihre grenzenlose Verbreitung ganz junge Phänomene sind.

Bedenken Sie, daß es gerade noch dem Adel und dem hohen Klerus vorbehalten war, über Bildnisse und Bilder zu verfügen. Das "gemeine Volk" bekam kaum etwas davon zu sehen. Der Druckstock, wie ihn Dürer schneiden ließ, ist der Vorbote beweglicher Lettern, mit denen Gutenberg das Medium Buch vervielfältigbar gemacht hat.

Wir bewegen uns also gerade in dieser Tradition einstmals neuer Medien. Ich hab hier kürzlich notiert, daß im Akt des Konsumierens "schon das Drängen des nächsten Angebots spürbar" sei.

Wir sind in einem Abschnitt des Kulturgeschehens angekommen, wo uns aus Zeitungsredaktionen und Kulturreferaten gleichermaßen mitgeteilt wird: "Bitte weniger Worte!" "Nicht so viel Text!" "Bitte keine 'abgehobene' Sprache!"

Ich hab hier im vorigen Eintrag geschildert, wie ich mit Scheuer losfuhr, um passende Werkzeuge für den Holzschnitt zu finden. Ich hab in diesen Notizen von der gegenwärtigen Zapp-Kultur erzählt. Tiefgang wird vermieden.

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Es ist ein ganz typisches Kulturreferenten-Leiden, vor einem Phantasma in die Knie zu gehen. Vor lauter Sorge, an diesem oder jenem Abend nicht "genug" Publikum vorweisen zu können, wird durch das Kunstgeschehen gezappt.

Es müssen dann Inhalte gemieden werden, deren Erschließung Zeit und Zuwendung verlangen. Wir sind uns zwar einig, daß Wissenserwerb Anstrengung bedeutet und ohne ästhetische Erfahrungen des Publikums jedes Kunstwerk bloß Dekoration bleibt, aber: "Bitte nicht so elitär reden!" Und bitte bloß keine Anstrengung!

In diesem hoch beschleunigten Kulturgeschehen fehlt weitgehend die Frage, ob denn noch Weggabelungen bestehen sollten, die zwischen Konsumation und Partizipation unterscheiden lassen. Zugleich müssen im Regelbetrieb der Gemeinden immer Höhere Summen in die Öffentlichkeitsarbeit investiert werden, um aus Kulturveranstaltungen publikumsträchtige Kulturveranstaltungen zu machen.

Was meinen Sie denn, wie viel regelmäßiges Inserieren in gängigen steirischen Printmedien kostet, um regional und überregional sichtbar zu bleiben? Dieses inzwischen fast astronomische Vermögen fehlt natürlich in der Kofinanzierung der primären kulturellen Leistungen.

Solche Tendenzen ergeben außerdem einen sehr lukrativen Markt, welcher uns mit einer Flut von Inseratenblättern beglückt, deren Herausgeber uns mit reiner PR-Texterei beglücken, aber auf seriöse redaktionelle Arbeit immer mehr verzichten.

So kippt die Situation zusätzlich. Das ist im Grunde nichts anderes als eine marktorientierte Verkommenheit von Kulturpolitik. Sie können das auch an der konkreten Berichterstattung ablesen. Ein oststeirischer Maler bietet momentan zu völlig nichtigem Anlaß, nämlich seinem 60. Geburtstag, drei Ausstellungen an, die beworben werden wollen.

Diese Spießer-Manier, sich runde Geburtstage ab dem 50er mit Öffentlichkeit zu begießen, ist ja ohne jede Relevanz für die künstlerische Arbeit, ist keine Kategorie der Kunst. Nun wären für derlei Ausstellungen Fotos informativ und aufschlußreich, die den Künstler etwa bei einem markanten Werk zeigen, das auch via Pressefoto noch eine Aussagekraft hat.

Stattdessen macht aber ein Gruppenfoto die Runde, wo sich ein ganzes Rudel von Funktionären um den Maler schart, ins Bild rückt. Wozu? Was sagt mir dieses Bild? Warum drängen all dieses Leute an das Licht der Öffentlichkeit? Das ist ein völlig ungenierter Mißbrauch des Kunstgeschehens, um sich selbst hervorzutun.

Nun also zurück zur Langsamkeit eines Erzählens, wie es sich im Holzschnitt ausdrückt. Eine Betonung grundlegender Fragen künstlerischer Vorgangsweisen...

-- [Edition Freiberg] --

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