6. April 2016 Das scheint mir nun ganz klar: Wir haben eine neue Verschwörung der
Poeten. Wie wohltuend, daß wir einander nichts schwören müssen, weil völlig
unausgesprochen klar ist, wie das nun geht. Was immer daraus werden will, im Augenblick
ist der Fokus so eingestellt: Erlebnis geht vor Ergebnis.
Wer unser Metier nicht kennt, will das
eventuell erläutert bekommen. Wenn ich mit Ewald Ulrich oder Chris Scheuer, wenn ich mit
Oliver Mally an den kommenden Dingen arbeite, müssen wir nicht darüber reden, welcher
Effekt sich einstellen mag, wenn die Sache gemacht ist.
Das Geschäft des Posierens hat anderes
Personal. Wir sind dagegen mit den nötigen Schritten befaßt. Womit hängt es
zusammen? Was ist die Geschichte? Was will erzählt werden? Wie kann sie adäquat
umgesetzt werden? Das ist aber nicht gleichbedeutend mit diesem Geschwafel "Der
Weg ist das Ziel".
Wir dürfen ein passables Ergebnis
voraussetzen. Wir haben an dessen Einlösung zu arbeiten. Genau dabei passiert etwas.
Etwas!
Ich stoße mich keineswegs daran, daß manche
sich bei ähnlichen Aufgaben fragen, wie man dem werten Publikum entgegenkommen könne.
Aber auf solche Art erzählt sich nichts. Ergebnis vor Erlebnis, das wäre ein Beispiel
für die gut eingeführte Zapper-Kultur.
Sie kennen derlei vermutlich. Man hockt vor
dem Gerät und hechelt durch die Kanäle. Ich habe lange nicht recht kapiert, was am
derzeit erlebbaren Kulturbetrieb in der Provinz so sehr zum Vermeiden inhaltlicher Tiefe
führt. Ethnologe Hermann Bausinger, dem ich wichtige Denkanstöße verdanke, gab mir dazu
einen hilfreichen Hinweis.
Bausinger meint, daß "das sinnlose
Abrufen von Ergebnissen mit der gezielten Suche von Erlebnissen und mit dem Ziel
sinnvoller Gestaltung der Lebensverhältnisse zumindest konkurriert".
Mit Verweis auf Gerhard Schulze notiert er,
daß im Akt des Konsumierens "schon das Drängen des nächsten Angebots
spürbar" sei. Bausinger sagt, das bloße Abhaken, die Ergebnisorientierung, sei
so ausgeprägt, "dass die Kategorie Ergebnis nicht mehr greift".
Damit ist sehr viel eleganter ausgedrückt,
was ich hier schon mehrfach betont habe, daß wir in der Wissens- und Kulturarbeit stets
neu entscheiden müßten, ob wir mehr auf Konsumation oder Partizipation
der Leute setzen.
Verstehen Sie mich recht, ich werde es
niemandem ausreden wollen, wenn jemand auf Attraktionen setzt und einen schnellen Kick
haben möchte. Es interessiert mich bloß nicht. Solche Attitüden finde ich in etwas
komplexerer Form auch bei manchen Kulturveranstaltungen. Die interessieren mich bloß
nicht.
Ach, fragen Sie doch nicht, was damit gemeint
sein könnte! Es begrüßt der Bürgermeister oder es begrüßt der Kulturreferent. Der
Kultur-Beamte hätte auch gerne was gesagt, aber er kommt nicht zum Zug. Dafür redet noch
jemand, der von Kunst was versteht, wie man so sagt. Und dann wird gefiedelt.
Gitarre und Blockflöte sind das Mindeste, das
schafft jede Religionslehrerin mit einigen Schützlingen. Geige kommt in Betracht, aber
dann schon auch Chello. Oder ein Akkordeon, wahlweise eine elektrische Orgel. Und
schließlich wären da noch die Kunstwerke. Ja, die Künstlerin wollte eigentlich auch ein
paar Worte loswerden, denn sonst weiß doch kaum jemand, wer hier eigentlich ausstellt.
Das, Damen und Herren, wertes Publikum, ist
ein Beispiel für Zapp-Kultur, wenn auch dabei nicht schnell weitergezappt
werden kann. Dieses Programm muß durchgestanden werden, bis man endlich an das Buffet
darf. Wein und Brötchen oder Kuchen oder Sebstgeschmiertes, das ist auch ein Zappen.
Wenn mir nach Trunkenheit ist und der Wein
etwas taugt, dann bin ich gerne an solchen Buffets. Ansonstens hab ich es zuhause auf
meiner Couch besser. Gut, das ist jetzt alles schon recht polemisch und möglicherweise
auch ein wenig unangebracht.
Manchmal ist ein wütender Unernst in mir. Und
eigentlich wollte ich von seriösen Momenten erzählen. Auf meinem Kontinent geht es um
ganz andere Dinge, wenn ich über Vorrangigkeit nachdenke. Sie müssen sich das etwa so
vorstellen. Da treibe ich mit diesem Kerl nun durch eine Serie von Gesprächen und durch
einiges Lachen.
Dabei kristallisiert sich etwas heraus, das
sich in einigen Momentchen an meinen Gedichten festmacht. Die lichteren werde ich
demnächst, bei meinem Set mit Sir Oliver Mally, live lesen: [link] Dann gibt es aber
welche, man könnte es eine düstere Serie nennen, die stehe ich live nicht
durch.
Daher wird es diese düstere Serie
als Druckwerk geben, das eben im Werden ist; siehe: [link] Auf eben diesen
Zyklus wird nun Graphic Novelist Chris Scheuer mit einem eigenen Zyklus reagieren, der
dann seinerseits als Druckwerk publiziert wird.
Für die Umsetzung dieser Arbeit will er sich
einer Technik zuwenden, die er bisher noch nicht genutzt hat. Scheuer, der sich in einer
Nachfolge Dürers sieht, wird Holzschnitte anfertigen. Nun war ich mit ihm unterwegs,
Zaungast in diesem Moment, da er sich erstmals für ein Werkzeug zu dieser Arbeit
entschied.
Ahnen Sie etwas? Das sind die Stunden, die
zählen, aus denen sich dann letztlich ein Werk herausschält, welches einer kritischen
Betrachtung standhält; oder auch nicht. Dieses Werden, das so konkrete Bedingungen hat,
Gedanken, Momente, Emotionen, dieser Prozeß wiegt. In solchen Verläufen verändern wir
uns, wandeln uns an einander.
Und damit ist noch gar nicht fertigerzählt,
was diese gestrige Tour ergab. Doch es könnte deutlich machen, was wir in
anachronistischer Verlangsamung des Geschehens, dieses Ausschnittes einer Werk-Werdung,
tun. Wir verwerfen ein Zappen durch die Ergebnisse und schlendern durch
Erlebnisse. Das Werden hat mehr Gewicht als das Gewordene.
-- [Edition Freiberg] -- |