4. Jänner 2016

Als Wesen aus alpiner Region empfinde ich stets ein Stück Beruhigung, wenn endlich Schnee da ist, obwohl ich die Ungelegenheiten, die er verursacht, nicht brauchen kann. Wenn dann auch, wie gestern, die Schneedecke so spurlos bleibt, drückt das ein Stück der Stille aus, die ich zwischenzeitlich sehr schätze.

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Das macht freilich nachts ein Räumfahrzeug wieder wett, denn auf dieser Fläche bahnt sich wochentags Geschäftsleben an, da will mit Autos geparkt werden. Daran ist der Schnee ja sehr hinderlich. Das wird etwa so um vier Uhr morgens mit schwerem Gerät bearbeitet.

Ein Nachtbild, worauf auch die Straße selbst noch unberührt ist, hab ich in die Serie meiner Küchenfotos eingereicht, die, wie man sehen kann, nicht die Küche zeigen, denn die Küche ist der Standort, aus dem sich jener Blickwinkel ergibt. Hier der Eintrag vom 3.1.2016: [link]

Dieser Blick auf Prozesse, wo er dokumentiert werden kann, wie ein Brückenschlag zur Vergangenheit, das ist eine der möglichen Grundlagen des Erzählens. Ich mag die Vorstellung sehr, solches Erzählen könnte sich quasi wie von selbst ereignen, entfalten, wenn man ihm Rahmenbedingungen schafft. Zum Beispiel so, wie wir es gerade mit der Facebook-Leiste "Gleisdorf vor Jahren" tun: [link]

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Das ist nur einer der Gründe, warum ich in meinen Archiven krame. Das Räumen und das Träumen. Da wie dort sind Aufräumarbeiten nötig, während ich unruhige Träume habe. Was meine Archive sind, muß reduziert werden, damit mein reales Leben zwischen all dem Zeug wieder mehr Platz findet.

Ich hab mir dazu eine simple Rechnung vorgenommen. Es ließe sich großzügig oder eher romantisch gezählt sagen, ich könnte es auf 90 Jahre Lebenszeit bringen. Davon sind nun zwei Drittel gelebt, ein Drittel mag verfügbar bleiben. Das, auf mein Zeug umgelegt, würde verlangen, wenigstens ein Drittel von all dem aus dem Haus zu schaffen

Ich bin allerdings moderat und hab mir als ersten Abschnitt ein Viertel markiert. Da das mit Gebrauchsgegenständen zwei leichter zu beginnen, aber umständlicher zu beenden ist, war der Auftakt den Papierwelten vorbehalten. Zeitungsartikel, Notizen, Manuskripte, ganze Hefte und halbe Blöcke, Plakate, Exponate und verblüffende Sedimentschichten unterschiedlicher Staub-Sorten, die sich geballt und gebündelt haben.

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Mit der ersten Ausbeute, in Schachteln gepackt, auch in Rollen von bis zu einem Meter Länge, ließe sich schon die Basis einer kleinen Höhle bauen. In verstreuter Form wäre das also eine Art flache Höhle, eine Heimwerkerversion dessen, worin Canetti seinen Kien in "Die Blendung" verbrennen ließ.

Es soll demnach, wie erwähnt, Platz für ein übrigens Lebensdrittel werden. Das wird, soweit ich sehe, auch allerhand Werke betreffen, die sich auf meinem Weg als Künstler ergeben haben. Restbestände von schon Erzähltem, schon Gezeigtem, das nun aus Rahmen gerissen und aus Schachteln gehoben sein wird.

Sie ahnen gewiß, mir kommen Kategorien wie "Lebenswerk" höchst merkwürdig vor. Es hat etwas mit so merkwürdigen Widmungen zu tun, wie sie mir etwa bei der Durchsicht meiner alten Angelegenheiten unterkamen. Was ich im vorherigen Eintrag erwähnt habe, dieses Bündel mit Glückwünschen für meine Eltern, anläßlich meiner Geburt abgeschickt, enthielt dieses Motiv: Der Stammhalter.

Was für eine lächerliche Attitüde! Die Proleten üben sich in einer Pose der Aristokratie. Der Stamm möge erhalten bleiben, in eine Zukunft reichen und aus einer Vergangenheit Legitimität beziehen. Man hat mir derlei auch zur Geburt meines Sohnes gesagt; ich würde mich wohl über einen Stammhalter freuen. Mumpitz!

Gerade die letzten zwei Generationen vor mir haben Dinge getan, die ausreichende Gründe wären, jede Erinnerung an etliche von ihnen auszulöschen, die Grabsteine von ihren Erdlöchern zu reißen und über diese Kanaillen Vergessen auszuschütten.

Es sollten demnach andere Kategorien gefunden werden, um Gemeinschaft darstellen und erfahren zu können. Ah ja, unsere Kultur bietet dazu eigentlich viele Möglichkeiten...

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