6. Dezember 2015 "Wir
erlauben den Maschinen, zu überprüfen, ob wir Mensch oder Maschine sind."
Damit leitet Techniker Ewald Ulrich gerne Erörterungen ein, wenn es um eine realistische
Auffassung geht, wo die Entwicklung der Mensch-Maschinen-Interaktion inzwischen angekommen
sei.
Der genannte Vorgang, ein Hauch von Turing-Test,
ist im Netz allgegenwärtig. Um einen bestimmten Vorgang auszulösen, muß ich ein Captcha
ausfüllen. Das bedeutet, einen vom System vorgegebenen Code eintippen. So checkt das
System, ob ich ein Mensch bin und nicht ein anderes System, das einen Menschen simuliert.
Meine teils kontroversiellen Debatten mit Ulrich haben uns
in das Projekt "Fiat Lux" geführt. Da arbeiten wir an einer Art Erfahrungsraum
für das Ausloten vor allem emotionaler Momente der Mensch-Maschinen-Interaktion: [link]
IN TRAGENDER ROLLE: UNTERNEHMER
EWALD ULRICH
Es ist ein selbststeuerndes Maschinchen. Damit kurven wir
im Vorgarten der aktuellen Entwicklungen herum. Das größere Ziel sind selbstlernende
Systeme. Dahinter schillert die Idee von der Maschine, die sich ihrer selbst bewußt wird.
Für manche bloß Science Fiction, für Ulrich und andere Profis etwas Kommendes.
All das handelt von der Vorstellung, daß sich aus toter
Materie Geist entwickeln könne. Damit möchten Sie lieber nichts zu tun haben? Ah ja.
Falls Sie das Suchsystem Google nutzen, stehen Sie freilich mitten in dieser
Entwicklung.
Google kauft seit wenigstens zwei Jahren mit
enormem Mitteleinsatz Robotik- und KI-Firmen. Maschinen sollen das eigenständige Lernen
erlernen; um es mit Kant zu sagen: ohne Leitung eines anderen. ("Selbstverschuldet
ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes,
sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu
bedienen.")
Es liegt also nahe, daß Google gesamt zu einer Künstlichen
Intelligenz (KI) entwickelt werden soll. Das korrespondiert mit den Debatten über
Industrie 4.0, die vierte Industrielle Revolution und das Internet der
Dinge. Schon gehört? Nein? Na, es wird sich bestimmt noch bei Ihnen bemerkbar
machen.
Gegenüber dem gestern
erwähnten alten Roboter-Genre "3D" (dirty, dangerous, dull work)
sind wir längst in ganz anderen Gewässern angekommen. Zur eben verwendeten Metapher: Die
Kybernetik leitet sich begrifflich vom Kybernetes ab, dem
altgriechischen Wort für Steuermarnn.
INVOLVIERT: KÜNSTLER NIKI PASSATH
Was heute absehbar scheint, wurde eben (am 3.12.2015) in Der
Standard so überschreiben: "45 Prozent der heutigen Jobs durch Roboter
bedroht": [link] Bedroht? Das scheint mir diskussionswürdig. Haben die
Traktoren der Nachkriegszeit eine Legion Mahder bedroht, die davor auf endlosen Feldern
das Mähen von Hand leisten mußten?
Hat sich meine Großmutter beschwert, als endlich eine
Waschmaschine gekauft werden konnte, worauf sie nicht mehr über dem beheizten Kessel in
der Waschküche schuften mußte? Übrigens, in den späten 1950er Jahren kostete ein
Waschvollautomat etwa gleich viel wie ein Puch-Auto.
Im genannten Artikel heißt es: "Der Analyse
zufolge weisen in der Bundesrepublik mehr als 300 und damit ein Viertel aller Jobprofile
in den nächsten beiden Jahrzehnten ein hohes Automatisierungsrisiko auf."
Sie haben gewiß schon so manche Perle des
Menschengeschlechts lauthals verkünden gehört: "Wer arbeiten möchte, findet
auch einen Job." Diese Art sozialromantischer Blödheit kann man sich inzwischen
sonst wo hinstecken. Das ist voriges Jahrhundert.
Wir hatten es in der Ära Industrie 2.0 nicht
geschafft, den Companies politisch eine adäquate Maschinensteuer aufzuerlegen, um einen
sozialen Ausgleich zu schaffen, wo Automatisierung Arbeitsplätze gefressen hat, denn die
Menschen müssen ja essen.
FIAT LUX (WIGL-DESIGN)
Industrie 3.0 hatte diese Probleme mit der
Automatisierung noch vertieft, verschärft. Inzwischen kennt man quer durch Europa Working
Poor, also Menschen, die mit dem Einkommen aus allein einem Job
wirtschaftlich nicht mehr überleben können. Dennoch dauerte es eine Ewigkeit und drei
Tage, um in der Frage Mindesteinkommen brauchbare Zwischenergebnisse zu schaffen.
Wie sich nun Industrie 4.0 entwickelt, wird die
Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen neu zu führen sein. In der oben
genannten Quelle lese ich: "Die Berechnungen, die A. T. Kearney nach eigenen
Angaben in Anlehnung an die Forschungsarbeiten der Oxford- Professoren Carl Benedikt Frey
und Michael Osborne für den deutschen Arbeitsmarkt durchgeführt hat, bestimmen, wie
wahrscheinlich die Automatisierung in rund 1300 Berufen ist."
All das bedeutet, daß wir in Zukunft noch mehr
Tätigkeiten, die bisher den Menschen vorbehalten waren, an Maschinensysteme abgeben. Soll
sein und wird so kommen. Demnach muß unsere Vorstellung von Broterwerb und Erwerbstätigkeit
in die Gegenwart gehievt werden.
Wir müssen neu klären, wofür man Lohn erhält, womit man
sein Brot verdient. Wir müssen neu klären, was wir unter Arbeit verstehen.
Nun wird vielen noch nicht vertraut klingen, was denn in
den Begriff Industrie 4.0 gepackt wurde. Ich werde es noch näher erläutern.
Vorab in Stichworten: Wir blicken derzeit auf vier industrielle Revolutionen. Die Mechanisierung,
die Automatisierung, die Digitale Revolution und die Vernetzung zum Internet
der Dinge.
Wie das gegenwärtig zusammenhängt, fasse ich in unserem
Teilbereich "In der Ebene" im Projektabschnitt "Konvergenz"
zusammen, denn da haben wir die nächsten Jahre reichlich zu tun.
-- [In der Ebene] -- |