16. November 2015 Mark Watney (Matt Damon) hatte einen Arbeitsunfall, stürzte den Schacht
hinab und wurde von seiner Crew für tot gehalten. Das hatte sich auf dem Mars ereignet,
als gerade ein Alarmstart nötig war. Also ließ man ihn zurück, ohne daß jemand noch
nach ihm gesehen hätte.
Man kann Ridley Scotts "Der
Marsianer" [link]
auf sehr unterschiedliche Arten lesen. Ein intergalaktischer MacGyver, der einen großen
Stab von Fachleuten inspiriert? Menschen wachsen über sich und ihren Planeten hinaus? Mag
sein.
Diese Aspekte haben mich nicht interessiert.
Es gibt eine bemerkenswerte Stelle, an der Watney bloß noch eine verbleibende Option
betont: "Ich muß mich mit Wissenschaft aus der Scheiße ziehen." Ab da
beginnt er all sein Wissen zusammenzukramen, seine bisherigen Erfahrungen, sieht sich um
und fängt an, mit dem Vorhandenen an seinem Ausweg zu bauen.
Das genau ist Hacking, wie es uns
jüngst Künstler Niki Passath beschrieben hat; siehe dazu auch den vorigen Eintrag: [link] Hacking bedeutet, sein Wissen und
seine Erfahrungen auf das Vorhandene, das Vorgefundene anwenden, um Probleme zu lösen.
Keine Träumerei über Lieferanten aus dem Wunderland, kein Selbstmitleid, den Status quo
prüfen und loslegen.
Mir hat an dem Film sehr gefallen, daß man
dem Mann in Überlänge beim Denken zusieht, wie er um Lösungen ringt, was in dieser
Szenerie auch bedeutet, die eigene Angst zu ertragen, ihr zu widerstehen, ihr nicht das
Regime zu überlassen, denn er ist bis zu den Schlußsequenzen der Erzählung unter akuter
Bedrohung durch den Tod.
Dazu paßt ein bemerkenswertes Interview mit
dem Neurobiologen Gerald Hüther. Seine erste Aussage in diesem Gespräch lautet: "Als
Neurobiologe kann ich nur sagen, dass das Allerwichtigste, das ein Mensch besitzt, und das
die Voraussetzung ist, dass er viel lernt und sich später im Leben zurechtfindet, die
angeborene Lust am Entdecken und am gemeinsamen Gestalten ist. Wenn das nicht verginge,
würden alle Kinder ganz viel lernen. Die Schlussfolgerung aus dieser Erkenntnis ist: Wir
sollten alles tun, dass dieser besondere Schatz, nämlich die Lust am Lernen, nicht
verlorengeht." [Quelle]
Das korrespondiert wiederum mit einigen
Aspekten, die unser jüngster Round Table [link] zum Thema "Das
Fremde" betont hat. In der Debatte über die "zwei Baustellen" war die
eine der Erstbetreuung und Begleitung von Vertriebenen zugeschrieben, die andere eine
"kulturelle Baustelle" für uns alle, auf der es um Bildung geht.
Ähnliches besprachen wir auch an anderer
Stelle. Techniker Horst Fickel hat in seinen Unternehmungen das "Dinner für
Spinner" eingeführt, um dabei Wissen und Erfahrungen zu mixen. Damit ist das
Überschreiten von Genre-Grenzen gemeint, das Aufmischen von Disziplinen. Siehe dazu: [link]
Genau das, solches Aufbrechen von
Gebietsgrenzen, das Überschreiten von derlei Abgrenzungen, behandelt heute am Abend
Unternehmerin Kerstin Feirer in der vorletzten Station unseres 2015er Kunstsymposions.
Siehe dazu: [link]
Wir haben demnach gerade solche Themen- und
Aufgabenstellungen in Arbeit, wie sie derzeit auch andere auf anderen Feldern für
relevant, sogar für vorrangig halten. Das trifft sich gut, denn die jüngsten
Terror-Attacken in Paris legen etwas besonders nahe. Es geht darum, an uns selbst zu
überprüfen, ob wir denn dieser aktuellen Herausforderung Europas angemessen gewachsen
sind.
Die Umbrüche, die Gewalttätigkeit, die
Erschütterungen des sozialen Friedens, die Anfechtungen der Demokratien. Ich hab am
Samstag, dem 14.11.2015, am Tag nach den Terroranschlägen, folgende Notiz auf Facebook
deponiert, als eine weitere Überlegung im Rahmen der "Momente" von "In
der Ebene":
paris,
november 2015
nein, zu sicherheitsfragen eines ganzen landes habe ich
mangels fachkompetenz nichts zu sagen. das werden andere tun.
schweigen geht aber auch nicht.
vielleicht könnten wir uns darüber verständigen, wie eine zivilgesellschaft KULTURELL
darauf antworten mag, daß eine weltuntergangs-sekte immer mehr boden gewinnt.
wo sich solche kräfte organisieren, ist viel ideologie
im spiel... übrigens seit jahrzehnten, als die ersten hisbollahis mit einem bomben-lkw
amerikanische marines getötet haben.
wie viele jahre könnten wir noch brauchen, um im denken,
reden und tun zu beweisen, daß unsere kulturellen, sozialen und politischen konzepte
denen solcher weltuntergangs-sekten überlegen sind?
ich sehe nämlich nicht, daß sich diese kontroversen auf
der ebene von waffengängen entscheiden ließen. das bringt inzwischen seit dekaden bloß
enttäuschende ergebnisse.
ich meine, diese kontroversen können nur in den köpfen
der menschen entschieden werden.
das hat meines erachtens sehr simple grundlagen. dazu
gehört verteilungsgerechtigkeit. dazu gehört, daß sich nicht ganze bevölkerungskreise
einer medial verbreiteten menschenverachtung hingeben, die inzwischen europäische
dimensionen hat.
dazu gehört, daß wir als gesellschaft zu einer
wahrhaftigkeit fähig sind, die sich in einem halbwegs erträglichen fließgleichgewicht
zwischen denken, reden und tun ausdrückt.
ich kann nicht sehen, daß sich diese guerilla mit waffen
und logistik schlagen läßt. ich denke, wir werden diesen leuten kulturell, sozial und
politisch den boden entziehen müssen.
wer mich in der sache für einen träumer hält, soll
erst einmal mit dem body count beginnen und mir außerdem vorrechnen, wie viele milliarden
die terrorbekämpfung schon verschlungen hat, ohne das problem auch nur zu mildern. dann
schauen wir, WER hier täumt..
-- [In der Ebene] [Das 2015er Kunstsymposion: Dokumentation] -- |