9. September 2015 Aber nein, kein Nachruf! Der Autor Helmut Schranz ist tot. Das bedeutet, er
muß an den Schmerzen seines Leibes und der Angst um das Leben nicht mehr leiden, denn er
war von einer Krebserkrankung schwer belastet. Das bedeutet, der Kummer seiner Frau Vera
hat nun eine andere Farbe erhalten.
Als Denker, als Künstler war Schranz jenseits
dessen zuhause, was mir möglich ist. Deshalb lag aber nichts zwischen uns. Im Gegenteil.
Aus eben diesen Gründen habe ich über ihn hier weiter nichts zu sagen, es würde ihn
bloß ermüden.
Sobald Denken und Emotionen in Sprache
übergehen, wird deutlich, aus welchem Holz jemand geschnitzt ist. Wer mit der Freude an
Texten viel Erfahrung hat, weiß auch, wohin das führen kann.
Für mich kommt noch etwas anderes dazu. Es
ist keine Kategorie der Kunst, sondern eine soziale Kategorie. Wie nämlich
jemand lebt und welche Deals dazu eingegangen werden. Man kann uns im Steirischen als ein
Milieu betrachten; jene 1950er- und 1960er-Jahrgänge, die sich in den späten 1970ern in
Grazer Kneipen und Kellern, auf dem Weg in die Kunst, aneinander erprobt haben.
Im Rückblick läßt sich recht
unmißverständlich feststellen, was es geworden ist. Wir kamen nicht auf die hohe Dichte
von Talenten, wie sie als 1930er- und 1940er-Jahrgänge vor unseren Nasen herumstanden.
Ein ursprünglich unter uns allen durchaus
populäre Vorstellung handelte davon, ein Leben der Kunst zu weihen. Es wurde an vielen
Stellen ein Leben, das durch Zuwendung zur Kunst ideell aufgewertet werden sollte.
Das bedeutet im Klartext, dieser Aufbruch
eines Milieus während der späten 1970er wurde in weiten Bereichen eine nächste, diesmal
kleinbürgerliche Bourgeoisie-Simulation, die sich heute an vielen Stellen als
ausgesprochene Spießer-Kultur zeigt.
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Sie müssen jetzt
gar nicht erst fragen, ob Schranz da mitgemacht hätte. Das bringt mich übrigens grade
darauf, an den Dichter Peter Köck zu denken. Köck,
der von sich selbst sagte, er sei "ein ontologischer Trinker", der von
sich sagte, "ich kann nur entscheiden, ob es schnell oder langsam gehen
soll", so hier zitiert am 20. Februar 2005 [link]
Köck, wie ich damals festgehalten hatte, dieser gutmütige
und poetische Trinker, der weder Rebell noch Lichtbringer sein wollte.
Ein passender Moment, um an sein Gedicht "ohrnschüzza
gegn'n tod" zu erinnern: [link] |
Daß sie sich nicht bewähren können, die "Ohrenschützer
gegen den Tod", ist ja evident. Ich habe die Phantasie, wir Poeten würden uns
bei den Sternen treffen, wenn es hier vorbei ist. Ich male mir aus, wie Schranz dort
ankommt und Köck, seinen Trompetenkoffer in der Rechten, ihn mit trunkener Stimme
begrüßt: "Bonsoir mon ami!"
Wenn es mir dieser Tage nicht gleich gelingt,
in die anstehende Arbeit einzutauchen, werde ich von einer tiefen Traurigkeit überflutet,
die mit Irritation vermahlen ist, und manchmal ein Rauschen in den Ohren erzeugt. Ich hab
heuer sehr viel verloren. Aber zu leben ist eine vorzügliche Alternative.
+) "round about midnight"
+) "in der ebene VIII"
+) "Helmut
ist nicht mehr da" |