12. Mai 2015 Bei
prächtigem Wetter werden jene Stücke ausgeführt, die noch über Jahre Anlaß zu
Flüstereien und Wanderlegenden abgeben. Ich hatte gerade eine erhöhte Lambo-Dichte. Gestern war vom Aventador zu erzählen.
Doch schon kurz davor hatte ich einen betagten Jarama erwischt.
Das sind die 1970er Jahre. Die Linienführung von Gandini
aus dem Hause Bertone. Der V12 sitzt erkennbar vorne und kommt mit der Hälfte
der Kraft des Aventador aus. (Mehr möchte man auf dem Fahrwerk mutmaßlich auch
nicht erleben.)
Falls jemand meint, ich hätte gerade das Thema dieser Tage
verlassen, mein kulturpolitisches Räsonieren, irrt gründlich. Ich hab nun schon eine
Weile versucht, einigen Menschen klar zu machen, was an kulturellen Zusammenhängen
besteht, wenn man sich unsere Mobilitätsgeschichte genauer ansieht.
Das läßt sich nun nicht an dieser Exoten abhandeln, klar,
die sind Fußnoten solcher Geschichten. Aber es geht ja um ein paar grundlegend andere
Fragen. Ein größeres Ganzes. Umfassende Kräftespiele, die sich stets in viele Genres
verzweigen. Ratlosigkeiten, die Blicke verstellen.
Eine Dümmlichkeit, die sich in meinem Milieu breit gemacht
hat, läßt etliche primäre Akteurinnen und Akteure geradezu betteln, man möge doch
einsehen, daß Kunst und Kultur wichtige Felder einer Gesellschaft seien.
Was für eine Peinlichkeit, sein eigenes Tun und dessen
Rang nicht besser begründen zu können, zugleich die Frucht einer jahrelangen
Schlampigkeit im Umgang mit den eigenen Angelegenheiten.
Ich hatte in meiner gestrigen Notiz eine Frage deponiert,
deren Beantwortung sich etwas schleppt: Haben wir geklärt, daß Herrschaftssicherung und
Gemeinschaftsbildung immer auch mit Symbolpolitik verbunden sind?
Es gibt überhaupt keine einigermaßen stabile und wie auch
immer geordnete Massengesellschaft ohne sehr ausgefeilte Symbolpolitik.
Wenn ich nun gestern das "Landes-Amtshaus" in Graz besucht habe,. wo
neuerdings die Kulturabteilung des Landes Steiermark untergebracht ist, hängt
das mit solchen Fragen zusammen.
Wie schon angedeutet, §1 des Gesetz vom 24. Mai 2005
über die Förderung der Kultur und der Kunst in der Steiermark definiert die Ziele
und Aufgaben der Kultur- und Kunstförderung auf sehr anregende Art; siehe: [link]
Wenig überraschend, daß sich um solche Töpfe vor allem
auch Menschen drängen, denen eine hierarchische Anordnung des Kulturbetriebes ganz recht
ist. So lassen sich eigene Positionen befestigen, Ressourcen sichern, Verfügungsgewalt
füttern.
Es gibt regional kaum ein anschaulicheres Beispiel als das
erwähnte Weiz mit seiner "Faust der Gegenreformation" auf dem Weizberg
und der "Bude" in der Ebene, also der ansässigen Industrie mitten in
der Stadt mit ihren eigentümlichen Konsequenzen. (Ach, über all das gibt es doch hier
keine öffentliche Debatte!)
Diese exemplarische Anordnung ist auch über konkrete
Personen darstellbar. Walter Kratner auf dem Weizberg, Georg Köhler im
Rathaus, Hubert Brandstätter in seiner Malschule. Jeder von ihnen selbst aktiver
Künstler, aber nicht freischaffend, sondern institutionell gesichert, somit auch
Repräsentant eines Systems. Jeder von ihnen durch die institutionellen Einbindungen mit
einer für heimische Künstler untypischen Verfügungsgewalt ausgestattet.
Ohne diese drei Jungs, ohne ihre Zustimmung, entsteht in
Weiz nichts, was sich als eigenständiges Kunstfeld entwickeln könnte. Wo die drei
Männer mitmachen, nutzen sie mögliche Vorteile. Wo ihnen die Bedingungen mißfallen,
werden sie Entwicklungen anfeinden, notfalls sogar versuchen, ein Projekt in den Graben zu
fahren, auf jeden Fall aber die Proponenten eines unerwünschten Projektes zu
diskreditieren.
Die Erklärungen für solche Verhältnisse liefern uns Bourdieu
und die Volkskunde. (Über das Bourdieu'sche Verständnis diverser Kapital-Arten
sollte nicht hinweggegangen werden.) Erstaunlich ist ja weniger, daß die genannten
Männer so agieren und damit eher starre Verhältnisse erzeugen. Erstaunlich ist, daß
sich eine erhebliche Community kreativer Kräfte der Region damit arrangiert.
Ethnologe Dieter Kramer schreibt: "Kulturpolitik
ist in der vorindustriellen Welt des aufgeklärten Feudalismus nicht Gesellschaftspolitik,
sondern Ordnungspolitik: Feste usf. werden interpretiert als zugelassenes Ventil für
Unzufriedenheit..."
Das darf man nun durch die Industrialisierung
hindurch, herauf in die Gegenwart, weiterdenken. Wir haben zwar ein
Kulturförderungsgesetz, das in seinen erklärten Zielen einer modernen Demokratie würdig
ist, aber an der Basis müssen diese Intentionen ja nicht geteilt werden.
Da kann es schon vorkommen, daß etablierte Institutionen
kühn übersteuern, was Bottom up entsteht. Doch es sind natürlich nicht
Institutionen, die etwas wollen, sondern konkrete Menschen, mit konkreten, oft
verdeckten Intentionen, die konkret handeln.
Sollte demnach der ganze Kulturbetrieb mit seinen Budgets
hauptsächlich die praktische Manövriermasse für brave Diener ihrer Herren in
etablierten Einrichtungen sein? Geht es wesentlich darum, daß sich Eliten formieren, die
den Subalternen ein "zugelassenes Ventil für Unzufriedenheit" basteln,
mehr aber nicht?
Das läßt sich zum Glück keinesfalls verallgemeinern. Wir
haben heute alle selbst eine Menge Möglichkeiten, dem Modus "Herrschaftliche
Kontrolle über Volksbelustigung" Absagen zu erteilen. Wir haben selber zu
entscheiden, in welchem Maß wir die Frage "Partizipation oder Konsumation"
so oder so gewichten.
Wie auch immer darin Entscheidungen fallen, finden sich in
Politik und Verwaltung wache Kräfte, die eher diesem oder jenem Kurs zuneigen. Damit will
ich auch sagen, daß es "Die Kulturpolitk" nicht gibt, sondern ein
vielstimmiges Konzert unterschiedlicher Interessen und Verfügungsmöglichkeiten.
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