12. Mai 2015

Bei prächtigem Wetter werden jene Stücke ausgeführt, die noch über Jahre Anlaß zu Flüstereien und Wanderlegenden abgeben. Ich hatte gerade eine erhöhte Lambo-Dichte. Gestern war vom Aventador zu erzählen. Doch schon kurz davor hatte ich einen betagten Jarama erwischt.

log2109a.jpg (23107 Byte)

Das sind die 1970er Jahre. Die Linienführung von Gandini aus dem Hause Bertone. Der V12 sitzt erkennbar vorne und kommt mit der Hälfte der Kraft des Aventador aus. (Mehr möchte man auf dem Fahrwerk mutmaßlich auch nicht erleben.)

Falls jemand meint, ich hätte gerade das Thema dieser Tage verlassen, mein kulturpolitisches Räsonieren, irrt gründlich. Ich hab nun schon eine Weile versucht, einigen Menschen klar zu machen, was an kulturellen Zusammenhängen besteht, wenn man sich unsere Mobilitätsgeschichte genauer ansieht.

Das läßt sich nun nicht an dieser Exoten abhandeln, klar, die sind Fußnoten solcher Geschichten. Aber es geht ja um ein paar grundlegend andere Fragen. Ein größeres Ganzes. Umfassende Kräftespiele, die sich stets in viele Genres verzweigen. Ratlosigkeiten, die Blicke verstellen.

Eine Dümmlichkeit, die sich in meinem Milieu breit gemacht hat, läßt etliche primäre Akteurinnen und Akteure geradezu betteln, man möge doch einsehen, daß Kunst und Kultur wichtige Felder einer Gesellschaft seien.

Was für eine Peinlichkeit, sein eigenes Tun und dessen Rang nicht besser begründen zu können, zugleich die Frucht einer jahrelangen Schlampigkeit im Umgang mit den eigenen Angelegenheiten.

Ich hatte in meiner gestrigen Notiz eine Frage deponiert, deren Beantwortung sich etwas schleppt: Haben wir geklärt, daß Herrschaftssicherung und Gemeinschaftsbildung immer auch mit Symbolpolitik verbunden sind?

log2109b.jpg (24195 Byte)

Es gibt überhaupt keine einigermaßen stabile und wie auch immer geordnete Massengesellschaft ohne sehr ausgefeilte Symbolpolitik. Wenn ich nun gestern das "Landes-Amtshaus" in Graz besucht habe,. wo neuerdings die Kulturabteilung des Landes Steiermark untergebracht ist, hängt das mit solchen Fragen zusammen.

Wie schon angedeutet, §1 des Gesetz vom 24. Mai 2005 über die Förderung der Kultur und der Kunst in der Steiermark definiert die Ziele und Aufgaben der Kultur- und Kunstförderung auf sehr anregende Art; siehe: [link]

Wenig überraschend, daß sich um solche Töpfe vor allem auch Menschen drängen, denen eine hierarchische Anordnung des Kulturbetriebes ganz recht ist. So lassen sich eigene Positionen befestigen, Ressourcen sichern, Verfügungsgewalt füttern.

Es gibt regional kaum ein anschaulicheres Beispiel als das erwähnte Weiz mit seiner "Faust der Gegenreformation" auf dem Weizberg und der "Bude" in der Ebene, also der ansässigen Industrie mitten in der Stadt mit ihren eigentümlichen Konsequenzen. (Ach, über all das gibt es doch hier keine öffentliche Debatte!)

log2109c.jpg (22488 Byte)

Diese exemplarische Anordnung ist auch über konkrete Personen darstellbar. Walter Kratner auf dem Weizberg, Georg Köhler im Rathaus, Hubert Brandstätter in seiner Malschule. Jeder von ihnen selbst aktiver Künstler, aber nicht freischaffend, sondern institutionell gesichert, somit auch Repräsentant eines Systems. Jeder von ihnen durch die institutionellen Einbindungen mit einer für heimische Künstler untypischen Verfügungsgewalt ausgestattet.

Ohne diese drei Jungs, ohne ihre Zustimmung, entsteht in Weiz nichts, was sich als eigenständiges Kunstfeld entwickeln könnte. Wo die drei Männer mitmachen, nutzen sie mögliche Vorteile. Wo ihnen die Bedingungen mißfallen, werden sie Entwicklungen anfeinden, notfalls sogar versuchen, ein Projekt in den Graben zu fahren, auf jeden Fall aber die Proponenten eines unerwünschten Projektes zu diskreditieren.

Die Erklärungen für solche Verhältnisse liefern uns Bourdieu und die Volkskunde. (Über das Bourdieu'sche Verständnis diverser Kapital-Arten sollte nicht hinweggegangen werden.) Erstaunlich ist ja weniger, daß die genannten Männer so agieren und damit eher starre Verhältnisse erzeugen. Erstaunlich ist, daß sich eine erhebliche Community kreativer Kräfte der Region damit arrangiert.

Ethnologe Dieter Kramer schreibt: "Kulturpolitik ist in der vorindustriellen Welt des aufgeklärten Feudalismus nicht Gesellschaftspolitik, sondern Ordnungspolitik: Feste usf. werden interpretiert als zugelassenes Ventil für Unzufriedenheit..."

Das darf man nun durch die Industrialisierung hindurch, herauf in die Gegenwart, weiterdenken. Wir haben zwar ein Kulturförderungsgesetz, das in seinen erklärten Zielen einer modernen Demokratie würdig ist, aber an der Basis müssen diese Intentionen ja nicht geteilt werden.

Da kann es schon vorkommen, daß etablierte Institutionen kühn übersteuern, was Bottom up entsteht. Doch es sind natürlich nicht Institutionen, die etwas wollen, sondern konkrete Menschen, mit konkreten, oft verdeckten Intentionen, die konkret handeln.

Sollte demnach der ganze Kulturbetrieb mit seinen Budgets hauptsächlich die praktische Manövriermasse für brave Diener ihrer Herren in etablierten Einrichtungen sein? Geht es wesentlich darum, daß sich Eliten formieren, die den Subalternen ein "zugelassenes Ventil für Unzufriedenheit" basteln, mehr aber nicht?

Das läßt sich zum Glück keinesfalls verallgemeinern. Wir haben heute alle selbst eine Menge Möglichkeiten, dem Modus "Herrschaftliche Kontrolle über Volksbelustigung" Absagen zu erteilen. Wir haben selber zu entscheiden, in welchem Maß wir die Frage "Partizipation oder Konsumation" so oder so gewichten.

Wie auch immer darin Entscheidungen fallen, finden sich in Politik und Verwaltung wache Kräfte, die eher diesem oder jenem Kurs zuneigen. Damit will ich auch sagen, daß es "Die Kulturpolitk" nicht gibt, sondern ein vielstimmiges Konzert unterschiedlicher Interessen und Verfügungsmöglichkeiten.

-- [Peripherie] [Generaldokumentation] --

[kontakt] [reset] [krusche]
20•15