11. Mai 2015 Batman
zu Besuch in Gleisdorf? Eher nicht. Die Bestie hab ich kommen gehört und so war Zeit, mit
der Kamera in Position zu gehen. Ein Lamborghini Aventador. Der Roadster wird von
einem mächtigen V12 mit 700 PS befeuert, weshalb sein Nahen nicht verborgen bleibt. Paßt
als Illustrition zum Aspekt "Eliten", der hier noch zur Sprache kommt.
Ich bin ja eigentlich grade in andere Themen vertieft. Gestern war zu notieren, ich hätte lange nicht verstanden, wie es
möglich wurde, daß in meiner Generation, in meinem Milieu, die Spießerkultur
so schwungvoll reüssieren konnte. Ich war überdies verblüfft, daß mir in den letzten
Jahren ausgerechnet die Volkskunde sehr aufschlußreiche Denkanstöße geliefert
hat, um mit dieser Frage klar zu kommen.
Da wird die genußvolle Konsumation von Ressourcen als ein
zentrales Ereignis angenommen. Genußleben und Zunkunfstfähigkeit haben hohe Priorität.
Damit das möglichst klappt, müssen Fragen nach dem "richtigen Leben"
verhandelt werden.
Kein Wunder, daß bei solchen Themen einzelne Gruppen einer
Gesellschaft flott den Kampf um Hegemonie anzetteln. Das Bedürfnis, den Lauf solcher
Dinge zu kontrollieren, scheint bei vielen Menschen fast übermächtig zu sein.
Allein die Begriffe machen das schon erahnbar. Die
"Volkskultur" als eine angebliche Kultur der "Nicht-Eliten"
war in meinen Kindertagen noch mit Kategorien wie "Schmutz und Schund"
belebt. In meiner Generation sollte etwa der Begriff "Schundheftl"
allgemein vertraut sein.
Kleiner Einschub: Es ist staunenswert, daß die aus
Schränken und Regalen quellenden Hefte von "Readers Digest" damals
nicht den Schundhefteln zugerechnet wurde. Erbauung, Ratschläge, Witze,
simulierter Welthorizont...
Die Geselligkeit, die Lebensqualität,
das Genußleben, solche Kategorien müssen von jenen Kreisen, die den Ton angeben
dürfen, für sich natürlich ideologisch abgesichert werden. Dazu sind die kulturellen
Felder unverzichtbare Terrains der (An-)Ordnung.
Die historische Trennung von "Eliten-"
und "Populärkultur" ist durch aktuelle Entwicklungen prinzipiell den
Bach runtergegangen. In der Praxis wird da aber fleißig restauriert; teils mit
irritierenden Ungereimtheiten.
Dabei erlebe ich nun seit einigen Jahren, daß aus meinen
Reihen gerne eine Krise der Kulturpolitik beklagt und dem politischen Personal
zugeschrieben wird. Das bemäntelt mit einiger Lautstärke den eigenen Verlust
kulturpolitischer Orientierungen.
So will beispielsweise auf Facebook jene Klage
nicht verstummen, die solche Schuldzuschreibung an anderen befestigt, wo gerade wieder
einmal ein Förderansuchen ohne Zuschlag blieb. Die Schlußfolgerung ist grotesk: "Mein
Ansuchen wurde abgelehnt, also hat jemand die Kulturpolitik in den Kübel getreten."
Diese Art kulturpolitischer Bankrotterklärung gehört seit
wenigstens zehn Jahren zum populärsten Klagegesang meines Milieus.
Haben wir geklärt, daß Herrschaftssicherung und
Gemeinschaftsbildung immer auch mit Symbolpolitik verbunden sind? Das ist einer
der brisantesten Zusammenhänge, den die Gesellschaft mit Kunst und Kultur hat. Symbole,
Regeln, Werte...
Wie kann es denn sein, daß wir "Primärkräfte"
von Kunst und Kultur darin von Politik und Verwaltung dominiert würden? Das kann doch nur
annehmen, wer den Untertan in sich noch nicht überwunden hat.
Wer freilich in die freie Wildbahn raustritt, um in der
Debatte über Bedingungen des "guten und richtigen Lebens" mitzureden,
muß einige Verantwortung für sich übernehmen, die einen vom "treu sorgenden
Souverän" entfernt. Kurz, da geht es ab in kältere Gefilde, wo nicht mehr
selbstverständlich für einen gesorgt wird.
Lebensqualität, Lebensfähigkeit und Zukunfts-Chancen,
wenn sie nicht bloß einem selbst gegönnt sein sollen, sondern auch jenen zukommen
mögen, die nicht selber dafür sorgen können... Was verlangt das von uns?
Mir scheint, daß Kulturpolitik, wenn sie solche Fragen
ausspart, nichts taugt. Und Kunstschaffende, deren kulturpolitische Ansprüche bloß sie
selbst meinen, lassen mich völlig ratlos.
Aber ich verstehe inzwischen besser, wie das alles
zusammenhängt. Ein Beispiel. Blicke ich nach unserer Bezirkshauptstadt, sehe ich über
der Stadt Weiz, auf dem Weizberg, eine markant überdimensionierte Kirche. Es hilft,
wenigstens sanfte Geschichtskenntnisse erworben zu haben, um darin eine geballte Faust der
Gegenreformation zu erkennen.
Wenn nun ausgerechnet dort nicht bloß die "Pfingstvision"
zuhause ist, sondern mit "Kunst am Weizberg" das profilierteste
Kunstfestival der Region, sollte uns einfallen, auffallen, was das miteinander zu tun
haben könnte.
Im Barock war die Gesellschaft Österreichs noch
hauptsächlich über die Religion definiert. Dazu paßt, daß die Habsburger ihren
Machtanspruch auf Gottes Gnaden stützen. Der moderne Nationalstaat stand zwar schon an
den Horizont geschrieben, hatte aber in Österreich vor 1919 keinerlei Chancen.
Um es mit dem Volkskundler Dieter Kramer zu sagen: "Der
'aufgeklärte Absolutismus' hatte die Subalternen bevormundet, um sie besser in den
wirtschaftlichen Prozess eingliedern zu können. Die Eliten des bürgerlichen
(National-)Staates des 19. und 20. Jahrhunderts streben mit Hilfe einer missionarischen
('höhere Werte' verbreitenden) Kulturpolitik und 'Volksbildung' einen homogenen
Untertanenverband an."
Klingelt es? Homogener Untertanenverband. Kann der
nicht mehr religiös konstituiert werden, brauche ich eine anders orientierte
Symbolpolitik, um diese Angelegenheit voranzubringen.
Nun steht das zwar nicht in der Liste von Zielen des
steirischen Kulturförderungsgesetzes, aber der Modus ist so gründlich erprobt,
daß er sich in weiten Bereichen verselbstständigt hat, sogar unter den Kunst- und
Kulturschaffenden.
Ich möchte behaupten, das steirische Kulturförderungsgesetz
steht solchen Zweckbindungen sogar entgegen und ist in einigen erklärten Zielen klar an
der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte orientiert.
Das bedeutet auch, die Qualität aktueller Kulturpolitik
ist keinesfalls daran zu bemessen, ob nun einzelne Förderansuchen Zuwendung erfahren oder
auch nicht. Da geht es eigentlich um ganz andere Fragen.
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