2. März 2015

Der Antisemit. "...solch Bodensatz wird bald entsorgt werden." Schreibt er mir solche Artigkeiten, weil er mich versehentlich für einen Juden hält? Er hat davor schon eine kleine Standard-Arie zeitgenössischer antisemitischer Klischees durchgespielt. ("...aber fragma mal die Opfer der US Rüstungs-, Pharma-, Finanz- und Gendermedienindustrie und schauma uns mal deren Mainstakeholder an?")

Richard J. droht offenbar gerne; zumindest aus sicherem Abstand. So auch: "...aber man wird gelegentlich auf dich zurückkommen".

Ein Jude versteht das -- kontextbezogen -- sicher anders als ich. Aber ich ahne, wie der aufbrausende Richard J. es meint, denn daran hat er im vorangegangenen Textverlauf keinen  Zweifel gelassen. Das Eingangszitat war seine Reaktion auf Einwände, J. im O-Ton: "dann geh schlafen Wixer, dann hältst wenigstens deine Feigschnauze; solch Bodensatz wird bald entsorgt werden".

log2081a.jpg (19325 Byte)

Quelle: Facebook

Ich lasse den Rest der Beleidigungen beiseite, denn sie zielen auf meine Leiblichkeit, nicht auf den Aspekt des Jüdischen. Was kann man über den Wütenden wissen? Daß er zum Thema "Häusliche Gewalt" auffällig war, daß er vor Gericht dafür einstehen mußte, kleine Mädchen zum Weinen zu bringen.

Was für ein launiger Zufall! Ich notierte gerade erst im Eintrag vom 28.2.15: Von Diedrichsen stammt die Formulierung "das deutsche Pop-Phänomen Faschismus". Und was passiert kurz darauf?

Mir kommt so ein lebendes Exemplar der präfaschistischen Prügel-Avantgarde entgegen, ordnet mich honoris causa den Juden zu und klassifiziert mich als "...solch Bodensatz" der "bald entsorgt werden" würde. Ich könnte es mir gar nicht nicht besser ausdenken, um unser laufendes Projekt [link] mit Kolorit zu hinterlegen.

Womit bin ich da also kollidiert, wenn eine simple Meinungsverschiedenheit dazu führt, daß er sich meine Auslöschung phantasiert, meine "Entsorgung", mich überdies wegen meiner Leiblichkeit herabwürdigt?

Ist das so ein neuer Herrenmensch, blond wie Hitler, athletisch wie Goebbels und schlank wie Göhring? (Ich scherze!) Richard J. dürfte eher ein unscheinbarer Spießbürger sein.

Da er sich, mangels Courage, mit seinem Selbstekel nicht befassen darf, deutet er ihn als Weltekel. Da er, mangels intellektueller Kraft, seinen Weltekel nicht versteht, kleidet er ihn in Antisemitismus. Da er nicht reflektieren kann, was er da tut, meint sein Antisemitismus alle, die ihn stören, Juden aber immer.

Hier brüllt der Zukurzgekommene, dessen Herz glüht, dem "die Welt" was schuldet. Als vor einem Jahrzehnt seine damals neunjährige Tochter gerichtlich befragt wurde, da er offenbar als "Pater familias", wo er seinen Willen nicht durchsetzen konnte, zu weit gegangen war, fand er seinen privaten Mythos. Dessen erster Glaubenssatz lautet: "Vergewaltigung meiner 9 jährigen Tochter durch die verbrecherische österreichische Justiz und deren bezahlte Schergen!!!!!!!!!!!!!!!!"

Diesen Mythos illustriert Richard J. mit einem obszönen Akt. Er publiziert das Video, in dem seine Tochter befragt wird, im Web, legt so sein eigenes Handlungsspektrum der Öffentlichkeit dar, deutet die Geschichte um, indem er seine Tochter als Opfer einer "Vergewaltigung" markiert und sich selbst so als Opfer eines angeblich korrupten Rechtssystem darstellt. ("corrupt austrian justice is raping a 9 year old child!")

Mutmaßlich ein gutes Beispiel für die Strategie der "Schuldumkehr". Ich verstehe übrigens keinen Spaß, wenn mich jemand im Vorbeigehen als zu entsorgenden "Bodensatz" kennzeichnet. Das ist die erste Stufe der Anfechtung. So wird ein Mitmensch erst zum Gegenmenschen und schließlich zum Nichtmenschen zurechtgeredet.

Es war im 20. Jahrhundert stets zuerst so ein Krieg der Worte, dem nicht genug Einwände begegneten. Dieser Krieg der Worte führte nach Auschwitz, nach Srebrenica, jüngst nach Paris, in die Redaktion von Charle Hebdo und nach Vincennes in das jüdische Kaufhaus.

Wenn nun der zornige Richard sich erst einmal am Juden Martin Auer abarbeitet, in dessen Kommunikationskanal die Sache sich ereignet hat, um dann gleich jeden, der ihm widerspricht,  mit dem "Entsorgen" zu bedrohen, zücke ich meine Lupe, um mir einige Details der Scharten dieses springlebendigen Exemplars anzusehen.

log2059a.jpg (6138 Byte)

"Ich bin Charlie"

Als der Staat bei uns mit seinem Gewaltmonol noch sehr diskussionswürdig umging, rotteten sich solche Burschen, in braune Hemden gewandet, zu "Sturmabteilungen" zusammen und fielen im Rudel recht gerne über Intellektuelle her, aber auch über sonst alles, was ihnen mißfiel.

Richard J. wird also schnell angriffslustig, wenn man ihm widerspricht. Dabei scheint schon nach kurzem Meinunsgaustausch "Jud" zwar unausgesprochen, aber unübersehbar eine bewährte Zielvorrichtung für diese Angriffslust zu sein. Hier ist ihm ganz egal, auf wen gezielt wird.

Vielleicht ist es ja so, daß diese Art des Antisemiten mit seinem als Weltekel verkleideten Selbstekel so sehr an die Grenzen seines Verstandes gelangt ist, daß er für seine Feindseligkeit ein kleines, gut überschaubares Ziel braucht.

Sonst weiß er nämlich nicht, wohin er schlagen soll. Er müßte womöglich -- ganz zurecht -- befürchten, die wütend losgeschickte Faust könnte seine eigene Fresse treffen. Also faßt er lieber alles, dem er sich emotional und intellektuell unterlegen fühlt, mit "Jud" zusammen.

So hat er ein simples Klischee als flache Pappfigur zur Hand. Diese dünne Pappfigur umzuhauen fühlt er sich in der Lage. Diesen großen Schatten braucht er, wenn es nicht gerade kleine Mädchen sind, die er einschüchtern möchte.

Doch selbst wenn es bloß gegen eine Pappfigur geht, über den sicheren Abstand der Telekommunikation, wirft er sich nicht als einsamer Held in das Rad der Geschichte, sondern als Teil einer Meute, die er andeutet, denn nicht er wird mich zu stellen versuchen, "...man wird gelegentlich auf dich zurückkommen". Was für eine Kanaille!

-- [In der Ebene] --

[kontakt] [reset] [krusche]
10•15