17. Februar 2015 Ach,
wär ich doch ein Doktor oder wenigstens Magister! Auch Diplomingenieur stünde mir gut.
Kleiner Scherz! Unser Land bietet zwar ein sattes Kontingent an gutbezahlten Jobs, die nur
ab Matura zu haben sind, aber dort könnt ich ohnehin nichts werden.
Einmal, vor vielen Jahren, hat es mich geärgert, da ich in
einem Projekt als "akademische Hilfskraft" geführt wurde und deshalb
nur die Hälfte dessen bekam, was einem jungen Magister an meiner Seite überwiesen bekam,
obwohl er die gleiche Art Arbeit machte. Heute beschäftigt mich derlei nicht mehr, weil
diese Art von Hierarchien sich ja kaum innerhalb einer Generation wegarbeiten ließen.
In unserer 2015er-Projektsituation sind höchst
verschiedene soziale Felder kombiniert, auf denen auch unterschiedliche Modi der
Zertifizierung gelten. Der Handwerker und die Akademikerin treffen sich bei uns ja nciht
mit Diplomen unterm Arm. Es steht und also frei, solche Hierarchien zu ignorieren. Dennoch
dominieren in der Umgebung nach wie vor von antiquierten Bildern.
Spam dieser Tage assoziiert ein "Klasseeinkommen"
mit einem absolvierten Studium, worüber wohl all jene akademisch graduierten Leute
derzeit heiße Tränen vergießen würden, die in einem Praktikum gratis arbeiten dürfen
oder als Vigilanten in diversen Kultureinrichtungen für die Arbeitsstunde weniger
bekommen als jede Putzfrau.
Betreff: Auch ohne Studium zum Klasseeinkommen!
Von: "Stefanie Klause"
Datum: 15.02.2015 00:00
An: der.krusche
Hallo!
Auch ohne Studium zum Klasseeinkommen! Wenn Sie gern wissen möchten, wo man ohne Studium
ein monatliches Klasseeinkommen erhält, dann gucken Sie sich jetzt die folgende Doku auf
Pro7-TV an. Dort wird die beste Alternative vorgestellt und alles wissenswerte,
ausführlich erklärt!
Schöne Grüße
Stefanie Klause
Falls Sie jedoch mit Ihrer aktuellen Situation vollends zufrieden sind, tippen Sie bitte
hierrauf und Sie bekommen keine weiteren Zuschriften mehr.
Es wäre also zu klären, wie man denn heute MIT Studium
ein "Klasseeinkommen" erringt. Aber das ist nun nicht mein Problem,
denn als gewesener Lehrbub hab ich in solchen Zusammenhängen andere Sorgen.
Selman Trtovac
Es berührt allerdings eine Themenstellung unseres heurigen
Kunstsymposions. Im Kern führe ich da einen Dialog mit dem serbischen Künstler
Selman Trtovac, weitere Kreise der Debatte werden angestrebt.
Das hat hauptsächlich zwei Aspekte, die zur Diskussion
stehen.
- Was macht es aus, ein Künstler zu sein?
- How to make a living?
Ich hab vor einigen Tagen hier notiert: "Demnach
sollte ich heuer für wenigstens 50- bis 60.000,- Euro Rechnungen schreiben, damit der
Laden stabil bleibt..." [Log vom 12.2.15]
Das meint natürlich nicht meinen privaten Konsum, sondern den gesamten Aufwand meines
Geschäftes als EPU = Einpersonenunternehmen, inklusive Steuern, Sozialabgaben,
Betriebskosten und nötige Reserven für Ausfälle, Krankheitszustände und nötige
Pausen.
In meinem Metier reden wir über solche Fragen nicht. Das
ist einer der Gründe, warum ich hier unter "Wovon lebt der Krusche?"
immer wieder Aspekte des Themas aufgreife: [link]
Im 2013er-Kunstsymposion war eine der Konferenzen
von einer kleinen Kontroverse begleitet, in der eine Künstlerin gemeint hat, sie würde
sich prostituieren, wenn sie Brot-Jobs mache. Dieses Motiv ist in derlei Debatten
immer präsent. Kurioserweise kommt es stets neu von Kunstschaffenden auf den Tisch. Eine
etwas gespenstische Abwertung des eigenen Tuns. So etwa kürzlich auf Facebook,
da ein Kommentar lautete: "Kunst & Business ist wie Liebe und
Prostitution".
Was nun Kategorien der Kunst seien, was
andrerseits soziale Kategorien, was überdies ökonomische Kategorien,
sollte ja unterschieden werden können. Wo folglich, unter welchen Bedingungen diese
Kategorien korrespondieren, interferiren, konvergieren, sollten wir temporär klären
können.
Nun aber noch einige Gedanken zum Thema Prostitution.
Das wird heute Sexarbeit genannt. Früher war von "gewerbsmäßiger
Unzucht" die Rede. Im Gesetzestext heißt das beispielsweise: "Ausübung
der Prostitution: die gewerbsmäßige Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder
die gewerbsmäßige Vornahme sexueller Handlungen. Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn die
Duldung oder Handlung in der Absicht vorgenommen wird, sich durch ihre wiederkehrende
Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen." [Quelle]
Sie ahnen schon, ich halte es für völligen Mumpitz,
soziale und ökonomische Fragen des Daseins als Kunstschaffende mit dem Begriff "prostituere"
(lateinisch für zur Schau stellen, preisgeben) zu koppeln. Diese
Verknüpfung ist obszön und muß daher unterbleiben.
Das gebietet sich allein schon, da Prostitution/Sexarbeit
real mit Menschenhandel, Gewalt gegen Frauen, aktiver Menschenverachtung, massiver
Gesundheitsgefährdung, auch mit der Mißhandlung Minderjähriger verbunden ist.
Die prekäre Lage Kunstschaffender in Österreich etabliert
eine kritische Debatte auf einem anderen Kontinent. Wer sich unter den Kunstschaffenden
aus Verzweiflung über die Marktsituation in die Nähe von Huren argumentiert, sollte erst
einmal an der eigenen Wahrnehmung sozialer Zusammenhänge arbeiten.
-- [Kunst] [Wovon lebt der Krusche?] --
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