5. Februar 2015 Die Muße, von der ich gestern
erzählt habe, erweist sich als kurzlebiges Phänomen. Eigentlich wäre mit der
Weltrettung unverzüglich fortzufahren, aber mein Superhelden-Cape ist noch nicht
gebügelt. Wie sieht sowas aus?
Immerhin bin ich wieder früh
aufgestanden, um mich den wesentlichen Fragen, wie ich sie in einem altmodischen
Karteikasten gut geordnet habe, zu widmen. Aber in die Ruhe meines Schreibstubendaseins
drängen sich immer wieder schrille Töne aus der Welt da draußen.
Hatte ich vorletzte Nacht eine anregende
Debatte mit Autor Thomas Glavinic, so fügte sich letzte Nacht
So hatte ich eben begonnen, meinen Kaffee
zurechtgestellt und nebenbei ein paar Blicke auf diverse Nachrichten-Leisten geworfen. Da
ist mir das Spaßen vergangen. Ich war nicht gerüstet, mir anzusehen, wie ein Mensch in
einen Käfig gesteckt wird, in eine Lache Brennstoff, und ein anderer ihn in Brand steckt.
Der mißhandelte und ermordete Mann heißt
Muaz Safi al-Kasaesbeh. Mir fiel sofort ein Zitat ein, mit dem Profi-Soldat Gerhard Gerber
im Magazin profil letzten Montag exponiert wurde: "Die Orks sind da, und
wir glauben, wir leben im Auenland."
Das korrespondiert mit der oben erwähnten
Debatte, in der ich mich mit Glavinic über einen Wiener Pressefotografen ausgetauscht
habe, der offenbar meint, in der Demo gegen den Akademiker-Ball zu stecken mache
ihn zum Kriegsberichterstatter.
Der Erregte schrieb auf Facebook mit
Verve: "Nichts gelernt haben jedoch jene, die zu Hause sitzen, [...] sie sind nur
feige, bequeme Luschen." Ich halte das für einen völlig untauglichen Befund
jemandes, der hier bloß seinen Emotionen folgt. Das ergibt ein bemerkenswertes Beispiel,
wie sich unter Druck plötzlich der "Primat der Tat" empfiehlt.
Orks im Auenland. Quelle: profil v.
2.2.15
Der Fotograf schreibt pro "Gewalttätiger
Widerstand (dem ich bedingt zuspreche)" und führt näher aus: "Tyrannen
kann man nicht wegsingen; einen Ball rechtsextremer Burschenschafter und
Holocaustbagatellisierer nicht alleine mit Im-Kreis-Gehen als das brandmarken, was er ist:
eine unerträgliche Beleidigung der Demokratie und der Republik..."
Unter uns Chorknaben und Betschwestern: Eine
Demokratie oder eine Republik kann man ebensowenig beleidigen wie Allah oder Mohammed.
Aber kaum paßt man einen Augenblick nicht auf, hat man, schwupps!, einen Beleidigten am
Hals, der zur TAT ruft und anderes Handeln herabwürdigt, weil er etwas Abstraktes für
"unerträglich beleidigt" hält.
Ich erspare mir weitere Zitate des Mannes, der
offenbar selbst nicht bemerkt, wie er hier eine Legitimation des Zuschlagens aufblättert,
wie er sich Übergriffe schönredet, während er -- durch Selbstergriffenbeit befeuert --
offenbar vor einer Idee von "Gerechtigkeit" kniet, die sich im Sinn seiner
Intentionen, welche ich ja zu verstehen glaube, sicher nicht einlöst.
Der oben erwähnte Soldat Gerhard Gerber ist
kein Lampenputzer wie der Fotograf. Er war in Albanien, in Bosnien und im Kosovo
im Einsatz, auch im Tschad und auf anderen Stätten des Kampfes. Vom Profi wird man keine
vergleichbaren Kerl-Sprüche hören.
Ich kann mich in der Sache bloß wiederholen.
Das Gewaltmonopol des Staates kann nicht suspendiert werden. Es gehört in die Hände von
Profis. Gewaltenteilung und Kontrolle müssen dafür sorgen, daß allfällige
Pflichtverletzungen auf diesem Feld keine Chance haben.
Gewaltmonopol und Rechtssicherheit sind
staatliche Agenda. Uns bleibt reichlich zu tun, um für Bildung und
Verteilungsgerechtigkeit zu sorgen, für einen breiten gesellschaftlichen Konsens zur
Wahrung der Menschenwürde.
Ob RAF, IRA, ETA oder UCK, Europa hat die Wege
der Gewalt gründliche ausgelotet. Auf solchen Pfaden ist nichts zu gewinnen. Da muß uns
heute etwas besseres einfallen.
P.S.:
Ich sollte das mit dem Lampenputzer vielleicht noch erläutern. Erich Mühsam,
der 1934 im KZ Oranienburg starb, schrieb unter anderem ein Gedicht mit dem Titel
"Der Revoluzzer". Das beginnt so:
War einmal ein Revoluzzer,
im Zivilstand Lampenputzer;
ging im Revoluzzerschritt
mit den Revoluzzern mit.
Und er schrie: "Ich revolüzze!"
Und die Revoluzzermütze
schob er auf das linke Ohr,
kam sich höchst gefährlich vor.
[...]
Die Quelle: [link]
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