27. August 2014 Wer von
uns möchte denn als antiquiert gelten? Das geht nicht in einer Branche, die auf
Reflexion und Avantgarde abgestellt ist. Und dennoch stößt uns der Lauf der Zeit
jederzeit auf Positionen, die Staub ansetzen.
Die österreichweit populäre Legende von der Selbstausbeutung
und permanenten Überlastung führt häufig dazu, daß sinnvolle wie notwendige
Dinge nicht gemacht beziehungsweise nicht zeitgerecht gemacht werden.
Kleiner Einschub: Was sich zur Belastungssituation sagen
läßt, trifft auf praktisch alle EPU zu, auf alle "EinPersonen-Unternehmen"
Österreichs, also auf über 60 Prozent der heimischen Betriebe. Es ist daher nich typisch
für unser Metier, sondern es unterscheidet uns EPU-Leute generell von jenen, die lieber
wo angestellt sind oder gar einen geschützten Arbeitsplatz suchen.
Derartige Mängel an Professionalität werden gerne mit dem
Genre gerechtfertigt und als Quasi-Qualität bemäntelt, was ihre negativen
Konsequenzen verdoppelt. Was dann nicht klappt und dadurch ein Projekt schwächt, bleibt
überdies gegen jede Reflexion resistent und vertieft dadurch ungünstige Spuren.
Das ist eines der untrüglichen Kennzeichen, um
Kunstschaffende, mit denen Kooperation erfreulich ist, von jenen Hobby-Leuten zu
unterscheiden, die sich hauptsächlich nach "Wichtigkeit" verzehren.
Wo ich mit Menschen wie Niki Passath, Ulla Rauter oder
Alfredo Barsuglia gearbeitet habe, war immer klar: Sie wissen, was zu tun ist und sie tun,
was ansteht, und zwar dann, wenn es nötig ist. Sie haben immer einen eigenen Teil in
usneren Kooperationen, den sie erfüllen.
Das trifft auch auf das aktuelle Setting zu, mit dem wir in
das heurige Kunstsymposion gehen. Radenko Milak, Jelena Juresa, Selman Trtovac,
nichts muß ihnen erklärt werden. Informationsfluß, Folgerichtigkeit, Ergebnisse. Ich
bin nicht ihr Coach, nicht ihr Bediensteter, sondern ihr Kooperationspartner.
ALFREDO BARSUGLIA LIVE IM MIR
GLEISDORF
Das ist für die Kunstvermittlung unverzichtbar, denn hier
haben wir es nicht mit marktgängigen Situationen zu tun, die feinen Profit abwerfen. Wir
ringen um Nischen, in denen Dnge geschehen können, die unser geistiges Klima beleben.
Und das, die Kunstvermittlung wie die laufende
Kulturarbeit, sind Felder permanenter Investitionen einer Gesellschaft. Die werden aber,
mangels eines ausreichend breiten gesellschaftlichen Konsens über ihre fundamentale
Wichtigkeit, gerne, leichtfertig und bei jeder Gelegenheit angefochten.
Deshalb sind wir gut beraten, in diesem Bereich allein aus
kulturpolitischen Gründen mit verfügbaren Ressourcen professionell umzugehen. Erstens,
um mit meist kargen Mitteln einen guten Effekt zu erreichen, zweitens, um nicht nach
Belieben in Frage gestellt werden zu können.
Im Kunstbetrieb ist es auf der Ebene der Kulturinitiativen
ein wenig so, wie es viele Frauen in der Berufswelt permanent erleben: Sie müssen mehr
bringen als ihre männlichen Kollegen, um nicht dauernd angefochten zu werden.
Wir hatten das beim Rostfest in Eisenerz gar nicht
näher erörtert. Ich hab die steirische Budgetsituation für den Kulturpakt Gleisdorf
in einigen wesentlichen Punkten zusammengefaßt; siehe: [link]
Die meisten von uns hatten Mitte 2010 überhaupt nicht
mitbekommen, wie gravierend ein Imageproblem unseres Metiers ist, als der Österreichische
Gemeindebund unsere Branche entsprechend vorgeführt hatte:
"Es gibt da eine OGM-Umfrage, die vom Gemeindebund
und der Kommunalkredit initiiert wurde. Befragt wurden Bürgermeister und Bürger, in
welchen Bereichen sie am ehesten Leistungskürzungen akzeptieren würden."
Wir bekamen die höchsten Zuspruchswerte für Kürzungen,
obwohl auf unserem Feld durch Streichungen am wenigstens zu holen ist.
Laut Darstellung der "Ausgabenverwendung 2014"
des Landes sind im ordentlichen und im außerordentlichen Haushalt für das
Budgetjahr 2014 1,72% von 100% des Budgets für Kunst und Kultur
vorgesehen. Davon verbleiben rund drei Viertel im Landeszentrum Graz; siehe die
Details dazu: [link]
Was wir also in der Provinz etwa an Landesmitteln lukrieren
können, ist minimal. Was einzelne Kommunen einbringen, ist gesamt noch geringer. Und wie
eng es beim Bund ist, setze ich als bekannt voraus.
ULLA RAUTER LIVE IN GLEISDORF
Wenn nun in einem rotzfrechen Polit-Karaoke
herausgestrichen wird, daß man bei Kunst und Kultur ruhig kürzen solle, um die Budgets
zu stabilisieren, heißt das zweierlei:
+) In Politik
und Verwaltung ist ein zu großer Teil des Personals ohne ausreichende Sachkenntnis
bezüglich unseres Feldes.
+) Wir haben
als Metier ein gravierendes Image-Problem, daß wir in der Öffentlichkeit derart
unsachlich vorgeführt werden können.
Man benützt uns in solchen Situationen für Scheineffekte,
die ökonomisch keinen erwähnenswerten Nutzen bringen, aber das geistige Klima des Landes
bedrohen. Ich hab eingangs rhetorisch gefragt: Wer von uns möchte denn als antiquiert
gelten?
Ich meine, wer nun das oben skizzierte Problempaket dadurch
zu bearbeiten gedenkt, den Leuten in Politik und Verwaltung irgendwelche Empörung
aufzubürden, ihnen energische Zurufe zu gönnen, ist strikt Old School,
ab-so-lut voriges Jahrhundert.
Man könnte auch wissen: Wenn ein Mittel längere Zeit
nicht greift, wird das Fünf- bis Zehnfache davon auch nicht greifen. Dann brauchen wir
langsam Ebenen- und Strategiewechsel.
Ich schließe daraus:
Wir müssen uns primär selbst um die Image- und Strukturprobleme unseres Metiers
kümmern. Wir müssen erst einmal selbst klären, wodurch wir unanfechtbarer werden
wollen. Das muß dann praktiziert und auch nach außen kommuniziert werden.
Apropos Kommunikation! Der letzte steirische Supergau
unserer Szene war die Grazer "Künstlerhaus-Kontroverse" von 2011.
Dabei hat ein erdrückend großer Anteil des Milieus inhaltlich weitgehend versagt,
konzeptionell geschwächelt und in der Kommunikation, in den öffentlichen Diskursen,
ziemlich viel Inkompetenz gezeigt.Siehe dazu die Dokumentation: [link]
Wir sollten also noch herausfinden, wie wir etwa durch
vernetzte Kommunikation über alle autonom verfügbaren Kanäle a) den öffentlichen
Diskurs mittragen und b) eine ganzjährige, landesweite Präsenz und Wirkung unserer
Arbeit darstellen.
Dazu reicht es sicher nicht, sich weiter brav auf dem Boulevard
anzustellen und zu warten, was einem in den Medien des Mainstream an Platz eingeräumt
wird. Dazu können wir selbst, als Autonome Initiativenszene, schon lang einen
ganz anderen Status quo pflegen.
Wir haben im Kunstsymposion zwei Sessions ganz speziell
diesen Zusammenhängen gewidmet:
+) 20. Oktober 2014, 16:00 Uhr
Kunst Ost: Abschließende Konferenz (Koordination: Günther Marchner)
+) 21. Oktober 2014, 17:00 Uhr
Regionale Kulturkonferenz (Koordination: Iris Absenger-Helmli)
+) Siehe dazu: [link]
-- [Generaldokumentation] [Das Kunstsymposion] --
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