1. Mai 2014

Vor einer Weile hatten mich die Handbewegungen beeindruckt, mit der eine Zahnärztin eine lange Pinzette einsetzte, deren genauen Anwendungszweck ich in diesem Moment aber lieber nicht wissen wollte: [link]

Dieses Ensemble von Bewegungen ist nun um ein weiteres Set ergänzt. Ich beobachtete die Hände eines Chirurgen, der in meinem Mund einige Knoten band. Das war die abschließende Geste einer Reihe von merkwürdigen Zugriffen; eindeutig jene, die ich am wenigstens beunruhigend fand und überdies ausgesprochen elegant.

!Wo nimmt man bloß die Feinmotorik her?" fragte ich den Mann. "Das kann man lernen", erwiderte er lächelnd. Derlei sagt er bloß so, denn ich weiß von mir selbst ganz verbindlich, daß die Grenzen meiner erlernbaren Handfertigkeit wesentlich enger gefaßt sind.

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Daniel Wetzelberger in Markt Hartmannsdorf: Tausend Handgriffe

Geübte Hände. Das ist ein großes und fesselndes Thema. Sie trainieren den Verstand; was allgemein eher unterschätzt wird.

Ich finde solche Erlebnisse und Überlegungen tröstlich; den eigentümlichen Humor der Zahnärztin, elegante Handbewegungen in tänzerisch scheinenden Abläufen bei beiden.

Das Tröstliche war mir in den letzten Wochen wichtig geworden, da ich mich zwar, was das Ertragen von Schmerzen angeht, für reichlich erfahren halte, mich interessiert auch das Thema intensiv, aber ich habe keinerlei Sympathie für Schmerzen.

Ganz im Gegenteil, ich meide sie mit Inbrunst. Doch mich erfaßt jedesmal eine ganz eigentümliche Neugier, wenn ich ihnen nicht entkommen kann.

Daraus ergeben sich gelegentlich Momente von kurioser Symbolkraft. Das aktuelle Beispiel: Gestern ging in Markt Hartmannsdorf die letzte Station des letzten April-Festivals über die Bühne: [link]

Eine Serie von Schritten, die ich 2007 zu setzen bgann. Obwohl ich als Künstler mit meiner Arbeit dabei war, als Person bin ich nicht dabei gewesen, da eine akute Ungelegenheit meine Ärztin bewegt hatte, ein hartes Limit zusetzen.

Das war vorgestern, weshalb ich die Handfertigkeit de Chirurgen bewundern durfte und in der Folge den gestrigen Tag, also auch die Vernissage, erschöpft und zugedröhnt verschlief. Das ist eine sehr romantische Art für das Setzen des nötigen Schlußpunktes.

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Michaela Knittelfelder-Lang in Markt Hartmannsdorf: The Track | Axiom

Ich bin aus der Sache sehr rigoros verschwunden, während dieser Teil des Geschehens zu verschwinden begann, denn es wird, wie angedeutet, kein weiteres April-Festival mehr geben. (Natürlich erfährt der Fluß des Langzeitprojektes The Long Distance Howl keine Unterbrechung.)

Demnach war in den Pausen meines ausufernden Schlafes reichlich Zeit zur Decke zu starren und über Dinge nachzudenken. Die Intensität der Begegnung mit einem Chirurgen ist etwas, das jedes meiner Lebensjahrzehnte mitbestimmt hat.

Eines hatte ich vorgestern allerdings völlig unterschätzt. Narkose hin oder her, die Beobachtung, daß jemand ein Skalpell ergreift und ansetzt, um das Schneiden zu beginnen, sollte man meiden. Das Ansetzen ist befremdlich, der Akt des Schneidens sehr viel beunruhigender als ich erwartet hätte.

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Martin Krusche allein zuhaus: Reflexion was das Zeug hält

Einen Aspekt der Konsequenzen dieser Geschichte mußt ich per Foto festhalten. Es ist ja sehr kurios, wie der Körper auf so heftige Zugriffe reagiert. Darum sieht es aus, als hätte ich gerade einen Marillenknödel im Mund. Ist aber nicht so. (Ich habe Marillenknödel ausgesprochen gerne.)

In Momenten, wo der Schlaf kurz ausfiel, aber eine träge Dösigkeit mich festhielt, sah ich mir eine Dokumentation über die Ringe des Saturn an. Da draußen ist eine betörende Schönheit, gigantisch und vollkommen lautlos.

Es sind vor allem Fotos der Raumsonde Cassini, die mich so beeindruckt haben. Das kurios aussehende Ding – die Sonde – ist mit zwei Niedriggewinn-Antennen ausgerüstet. Ich habe zwar keinen Tau, was die können oder tun, aber das ist doch eine sehr feine Wortschöpfung: Niedriggewinn-Antenne.

Dabei fällt mir ein, daß ich offenbar auch eine habe; eine sehr zuverlässige Antenne, die mich bei den meisten meiner Vorhaben dazu führt, eher niedrigen Gewinn zu machen; bezogen auf materielle Kategorien.

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Der Saturn, fotografiert von der Raumsonde Cassini [Große Ansicht]

Kürzlich hörte ich meinen Sohn in einem Zwiegespräch sagen: „Geld ist eh nicht so wichtig.“ Er hat offenbar auch eine Niedriggewinn-Antenne. Ob sich so was vererbt?

So, nun habe ich seit fast vierzig Jahren im Kunstbetrieb zum ersten Mal eine Veranstaltung geschmissen, weil ich mich zu derangiert gefühlt habe, um unter Menschen zu gehen. Das paßt mir nicht so recht. Doch die überwältigende Schönheit der Saturnringe hat mich für diesen kleinen Kummer mehr als entschädigt.

Die Dinge laufen also gut, egal wie man es dreht. Post Scriptchen: Mit dem Antennengewinn beschreibt man die Richtwirkung einer Antenne sowie ihren Wirkungsgrad. Man muß das nicht wissen, aber ich finde, es klingt interessant.

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