14. März 2014 Ich darf
als bekannt voraussetzen, daß ich als Handwerker nur wenig tauge. Vermutlich wurzelt
darin zum Teil mein Faible für Werkzeug. Dabei läßt sich rational anführen, daß gutes
Werkzeug aus geringem Talent weit mehr herausholt als schlechtes.
Ich sehe versierten Händen gerne zu. Man findet in diesem
Logbuch einige Spuren, die zu erstklassigen Handwerkern führen. Immer wieder treibt es
mich in Garagen und Werkstätten.
Jüngst durfte ich einige Planen lüften, mich um Ecken
drücken, wo die Früchte von Hingabe und Ausdauer zu bewundern waren. Dazu der rohe Stoff
einer handwerklichen Glanzleistung, die noch aussteht: Ein "Subventionslastzug"
aus dem Jahr 1914, in Teilen verwahrt.
Ich finde auch an feinerer Arbeit Gefallen. Vor einigen
Tagen hatte ich reichlich Zeit, um meiner Zahnärztin bei der Arbeit zuzusehen. Mein
Blickfeld war, durch meine Lage bedingt, sehr eingeschränkt. So ist der elegantestes
Arbeitsgang, den ich verfolgen durfte, mit einer recht langen Pinzette ausgeführt worden.
(Es ging darum, einen kleinen Stift aus meinem Kiefer zu bekommen.)
Verachtet mir Pinzetten nicht! Man braucht sie ja recht
selten, falls man keiner solchen Berufsgruppe angehört. Da tut es eine gewöhnlich. Diese
eine Pinzette (Mitte) gehört natürlich zu meinem Haushalt, allerdings um zwei weitere
ergänzt.
Die Große mit dem Goldglanz habe ich mir eben deshalb
gekauft, weil alle anderen meist bloß aus Stahl sind. Ich verwende die Goldene zum
Rangieren der Briefmarken, die ich zum Thema Mobilitätsgeschichte sammle.
Die dritte Pinzette, auf dem Foto im Vordergrund, hab ich
überhaupt nur wegen ihrer Formgebung gekauft, ohne sie praktisch zu benötigen. Sie hat
eine matte Oberfläche und kommt ohne jeden Zierrat aus; Funktion pur. Eben deshalb, ob
dieser ästhetischen Qualität, habe ich sie jeder Funktion enthoben und nur um
ihretwillen gekauft.
Sie meinen, das sei Unfug? Vorsicht! Ich bin als Künstler
im Symbolgeschäft tätig. Bedeutung ist niemals Unfug. Und die Materialisierung von
Bedeutung, ohne dabei einer Alltagsnotwendigkeit nachkommen zu müssen, ist eine
Betätigung im Vorfeld der Kunst.
Ich weiß schon, manche Menschen glauben zu wissen, daß
das mit der Kunst auch Unfug sei. Solche Ansichten kommen hauptsächliche daher, sich mit
einem Mangel an verfeinerter Wahrnehmung und vertieftem Wissen brüsten zu wollen. Die
Kontrastverhältnisse sind klar und unmißverständlich.
So skandalös kann sich heute ja kein Kunstschaffender
geben, um zu übertrumpfen, was uns heimisches Nachmittagsfernsehen auftischt. Wo etwa "Tara
& Moni" Anlaß für eine ausufernde Fernsehserie sind, flankiert von
großmäuligen Gemeindebau-Perlen, frauenverachtenden Halbwelt-Boxern und anderen
Arschgeigen mit einer nach unten unfaßbar offenen Deppenskala, ist Wißbegier etwas so
Peinliches, wie es in meiner Bubenzeit ein Jahr Knast wegen Drogenbesitzes war; peinlich
für Elfern wie meine. (Spießer genieren sich so gerne.)
Nein, ich neide solchen Leuten gar nichts. Ich wünsche mir
bloß genug Abstand zum Alltag dieser neuen Skandalprinzessinnen und ihrer Entourage, was
aber leicht fällt, weil diese Exzellenzen des Krawalls meine Wege nicht kreuzen und weil
sie meine Kulturgüter nicht begehren. ("Tausche eine Nationalbibliorthek gegen
eine Garnitur größerer Titten!") Wir können also prima nebeneinander
existieren, ohne einander zu behelligen.
Heute kam mit der Post das aktuelle Buch von Selman
Trtovac. Die "Umetnicka Stragegija" ist die "Künstlerische
Strategie", von der hier schon die Rede gewesen ist. Hier ein paar Notizen zum
Buch: [link] Wir werden uns heuer noch weiter über innere und äußere
Strategien auseinandersetzen, über Verfahrensweisen im Erhalt einer geistigen Welt, die
unseren Alltag bestimmt.
Ja, ich weiß schon, "abgehoben",
"elitär", "unnötig kompliziert", ich kenne den ganzen Katalog der
Ausflüchte, mit denen sich Menschen der Bürde des Denkens entledigen. Denken im
Kant'schen Sinne: Sich ohne fremde Anleitung seines Verstandes bedienen. Aus eigener Kraft
und aus eigenem Begehren.
Wir nehmen einander ja nichts, wo wir den jeweils eigenen
Obsessionen folgen. Und ich stimme jederzeit in die Forderung ein, die ein Recht auf
billige Unterhaltung betont.
Das mag ich ja auch. Und Pinzetten. Und Käse von der
Teichalm. Und Gelben Muskateller. Und manches an wertlosem Essen. Gelegentlich rohen
Fisch. (Oder sind die Sardinen in der Dose gekocht? Wer weiß das?) Was noch? |