22. März 2014 Ich hab
diesmal zum Nachzählen die Finger genommen, damit in der Berechnung kein Fehler passiert.
Bald rundet sich mein sechstes Lebensjahrzehnt und ein Jahr davor sind es vierzig Jahre,
daß ich in meinem Metier tätig bin.
1977 hab ich meinen Job als Buchhändler mit großer Geste
geschmissen, um fortan als Künstler zu leben. Das erwies sich über die Jahre etwas
anstrengender als ich ursprünglich gedacht hätte.
In meinem beruflichen Umfeld gibt es zwar kaum
professionelle Freelancers, dafür wird gerne von "Selbstausbeutung" gesprochen,
da die Einkünfte aus künstlerischer Arbeit meist etwas dünn ausfallen.
Ich halte von dieser Deutung wenig und Herr Marx wäre wohl
ins Grübeln gekommen, sollte er Kapitalist und Arbeiter in Deckung bringen, ohne dabei
übrigens Entfremdung in das Erklärungsmodell einbringen zu können.
Mir half im Verstehen meiner Situation sehr, irgendwann zu
begreifen, daß jeder Selbstständige eigentlich permanent ringt, ein
angemessenes Jahreseinkommen zu schaffen und dabei nicht ständig mit 60 Wochenstunden
Minimum dahinzukrachen.
Es ist eben eine harte Partie als EPU unterwegs zu sein,
als "Ein-Personen-Unternehmen". Ein Typus der Betriebe, aus dem sich
über 60 von hundert Prozent heimischer Unternehmen ergeben. Wir sind also gewissermaßen
Legion. Ich hatte das erst kürzlich wieder debattiert, wovon in "Wirtschaft und
Kultur" nachzulesen ist: [link]
Es sind übrigens die versierten Professionals unter den
Kunstschaffenden, von denen ich nie Worte wie "Selbstausbeutung" höre. Ich habe
eben diese Woche wieder erfahren dürfen, wie angenehm es ist, mit Alfredo Barsuglia
zusammenzuarbeiten. Da klappt einfach alles, selbst wenn es bloß Kleinigkeiten sind.
Künstler Alfredo Barsuglia bei
unserer vorigen Herbst-Session
Ich genieße derzeit die Vorbereitungsarbeiten für das
heurige Gleisdorfer Kunstsymposion, wofür ich mit Selman Trtovac oder auch mit
Jelena Juresa zu tun habe. Die Unterhaltung ist stets erfreulich, die Dinge funktionieren
und die Ergebnisse haben sehr hohes Niveau.
Auf dem Feld der Wissenschaft finde ich ebenfalls Leute von
solchem Schlag. So habe ich gerade begonnen, mit Kulturwisenschafter Matthias Marschik an
unserem zweiten gemeinsamen Buch zu schreiben. Ein smarter Bursche von erheblichem Fleiß
und sehr entspannter Haltung gegenüber den Mühen des Metiers. Vor allem aber frei von
Standesdünkeln, was in der akademischen Welt nicht gerade selbstverständlich ist.
Warum ich all das erzähle? Um den Fokus ein wenig auf das
Thema Wertschätzung zu lenken. Ohne diese Fähigkeit, der Arbeit anderer Leute mit
Respekt zu begegnen, wäre fast alles, was mir Freude macht, gar nicht möglich.
Künstlerin Jelena Juruesa (links)
bei einer
Vorbesprechung für das Projekt "Mira"
So geht es im Geschäft natürlich nicht immer zu. Nach
diesen Jahrzehnten an Leben und an Berufspraxis sollte ich eigentlich die Gelassenheit
eines Zen-Meisters gewonnen haben, wenn es einmal anders läuft. Hab ich aber nicht.
Also war ich etwas aufgebracht, da ich kürzlich den
kühnen Herrn Calafatî einigermaßen freundlich ersucht habe, nicht auch weiterhin Fotos
zu klauen und selbst zu publizieren, als ob sie seine wären, also ohne Nennung der
Quelle. Den Beginn unseres diesbezüglichen Dialoges habe ich hier dokumentiert: [link]
Mir fehlt nämlich die nützliche Gelassenheit, wenn mich
jemand a) beklaut, um mich b) mit Häme zu bedenken und dann c) auch noch zu beschimpfen.
Das alles stört mich enorm vor dem Hintergrund einer seit Jahren gesamtgesellschaftlich
fortschreitenden Abwertung von Wissensarbeit und der seit ich denken kann populären
Geringschätzung von Kunstschaffenden.
Um es anders auszudrücken, meine Contenance wankt etwas,
wenn mich jemand, der weder emotional, noch intellektuell in meiner Liga spielt, mit
Anlauf rempelt. Und das auch noch unter brüllender Mißachtung geltenden Urheberrechts.
Künstler Selman Trtovac
(links) mit Kulturwissenschafter Günther Marchner
Der kühne Herr Clafati war anfangs ja noch sehr
aufgekratzt, als er in unserem Dialog die betagten Muskel spielen ließ und mir zurief,
daß er Künstler generell zum Kotzen fände und mich für einen Idioten halte.
Auf meinen dezenten Hinweis, daß es ihn pro geklautem Foto
locker 200 Euro kosten könne, falls ich einen Anwalt in Gang setzen würde, reagierte er
belustigt und verkündete, bei ihm sei ohnehin nichts zu holen.
Jurist Johann Sparowitz ließ -- mutmaßlich müde
lächelnd -- wissen, daß jemandem in so einem Fall ja auch das Werkzeug zum Diebstahl
genommen werden könne (der Computer) und nicht zuletzt Knast drohe. Kommt halt auch auf
die Schadenshöhe an.
Als ich im öffentlich sichtbaren Fotoalbum des kühnen
Herrn Calafati zu zählen begann und nicht nur mein Material betrachtete, sondern auch,
was er etwa dem Grazer Tramwaymuseum gemopst hatte, ging die fiktive Summe
beunruhigend in die Höhe.
Da er aber die Fotos eben nicht "geteilt",
sondern entnommen und als quasi eigene hinaufgeladen hatte, wußte er offenbar nicht mehr,
welche und wie viele er wo geklaut hatte. Er mich für seine Facebook-Präsenz
blockiert, unsere Fotos aber online belassen.
Der kühne Herr Calafati hat
inzwischen die Notbremse gezogen
Ich werde es ja gerne noch zehnmal oder hundertmal
erklären. Das Web kann zu einer sehr nützlichen Quelle von Wissen werden, wenn
sachkundige Leute ihre Bilder, Texte und Tondateien allgemein verfügbar machen.
Dadurch muß ich heute beispielsweise nicht mehr in ein
Landeszentrum fahren und Archive aufsuchen, um eine Reihe meiner Aufgaben zu lösen. Ich
kann es von der Provinz aus, von meinem Schreibtisch aus schaffen.
Vieles an interessanten Stoffen ist weiters zur freien
Nutzung lizensiert, per GNU und andere Konzepte. Die Idee der "Public Domain"
halte ich für eine wichtige kulturelle Option. Der Preis zur Nutzung anderer Leute Arbeit
ist dann äußerst gering. Er liegt im achtsamen Umgang und in der Nennung der Quelle.
So funktioniert ja auch Kultur ganz generell. Mein Tun
beruht wesentlich auf den Vorleistungen anderer. Eben diese Situation wird durch
bedenkenlose Schnösel belastet, die selbst jede Mühe scheuen, um ein Thema zu
erarbeiten, und plündernd durch die Archive anderer Leute ziehen. Das verlangt laute
Einwände...
Post Scriptum:
+) Selman Trtovac wir heuer wieder Gast beim Gleidorfer Kunstsymposion sein.
Inzwischen ist sein Buch "Künstlerische Strategien" erschienen: [link]
+) Jelena Juresa wird beim Gleidorfer Kunstsymposion ihr berührendes Projekt
"Mira" zeigen und dort auch ihr kommendes Buch (Edition Fotohof)
präsentieren: [link]
-- [Der kühne Herr Calafati]
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