16. März 2014

Zweierlei habe ich mir beschafft. Einen Stapel Putzschwämme und eine Lizenz zum Schrubben. Ein Kanister Essig wäre eventuell noch zu erwähnen. Essig ist eine überaus nützliche Substanz, wenn man Sedimente zu bearbeiten hat. Es zieht sich diese Sedimentierung ja durch meinen gesamten Wohnraum, der allerdings noch nicht umfassend begehbar ist. Ablagerungen. Schichten ohne jeden archäologischen Wert, also hinfällige Stoffe.

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Ich würde eigentlich Bürsten bevorzugen. Aber die sind etwas aus der Zeit. Als ich vor etwa einem Jahr eine schöne Bürste mit Holzkopf und natürlich Borsten gefunden habe, wie sie zum Abwaschen von Geschirr verwendet wird, konnte ich mich nicht aufraffen, sie im Gebrauch zu verschleißen. Ein zu schönes Stück.

Es ist damit so ähnlich wie mit der vorgestern erwähnten Pinzette, die ich nur gekauft habe, weil mir Form und Oberflächenbeschaffenheit sehr gefallen hatten. Meine banale Grundüberlegung lautet: Gutes Industriedesign kann doch nicht so viel mehr kosten als schlechtes.

Warum also derart viel ästhtetischer Mist in unserer Welt? Ein grausames Rätsel.

Ich hab -- wie erwähnt -- ein Faible für gutes Werkzeug, aber nur selten ein Faible für die Arbeiten, die damit zu verrichten sind. Putzarbeit gehört schon gar nicht zu meinen Domänen. Aber unbestreitbar vermittelt mir ein Mindestmaß an Aufgeräumtheit andere, schönere Emotionen als ein Sauhaufen.

Man könne sagen, ich nehme den Sauhaufen in Kauf und habe hart trainiert ihn zu ertragen, weil mir eben manchmal Motivation und Ressourcen nicht reichen, ihn zu bewältigen. Aber es ergeben sich dann immer wieder Punkte, da reicht es einfach und das Schrubben rast in meiner Prioritätenliste nach oben.

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Es scheint, als wäre mein Unterbewußtsein darauf aus, mich in dieser momentanen Tendenz zu bestärken. So habe ich eben den triefenden Kaffeefilter umgestoßen, denn ich bin kein Freund von Kaffeemaschinen, ich gieße auf.

Na, das ist ein sensationelles Ereignis, um Physik zu begreifen. So ein weitreichendes Ergebnis, so eine kühne Streuung, so eigenwillige Muster. Es muß irgendetwas zwischen Fraktalen und Chaostheorie sein, was sich einem zeigt, sobald der gut gewässerte Kaffeesud auf die Reise geht.

Ich erlebe heute in solchen Augenblicken buddhistische Befindlichkeiten. Damit meine ich, früher wäre mir derlei Anlaß zu einer Wutattacke gewesen. In einem späteren Reifestadium hätte das in mir keine umfassende Explosion mehr ausgelöst, sondern mich bloß gegen den Filteraufsatz eingenommen. Dieses "blöde Stück"! Und so ein Depp, der dem Kanne-Filter-Ensemble im Design nicht mehr an verbindender Stabilität verliehen hat. Man muß doch was von Statik verstehen!

Sie werden mir zustimmen, auf Dinge wütend zu sein, das ist eine ziemlich populäre Blödheit. Sie täuscht einen über eigene Fehlleistungen hinweg, macht einen aber zu keinem besseren Menschen.

Ich hab nun keine Ahnung, wodurch man schließlich in die buddhistische Phase kommt, was bedeutet, auf das Ärgernis mit Gleichmut zu reagieren. Gleichmut läßt einem Kräfte übrig, die etwa der staunenden Betrachtung von Kaffeesud-Fraktalen gewidmet werden können.

Es liegt so eine flüchtige Schönheit darin. Flüchtig vor allem deshalb, weil ich -- höchst gleichmütig -- sofort darangehe, so eine Sauerei aufzuwischen, denn wenn der Kaffeesud trocknen darf, könnte mir das Buddhistische schnell abhanden kommen.

Ich warne Sie! Schrubben, wenn etwas zum Schmieren neigt, das ist übel. Da muß man im Buddhismus schon weit fortgeschritten sein, um nichts durch die Küche zu schmeißen.

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Dazu fällt mir noch etwas ein. Dies ist ein Pontiac Aztec. Den werden Sie auf Österreichs Straßen nicht zu sehen bekommen. Aber im Johann Puch-Museum, wo ich heute wieder zu tun hatte, steht einer. Was ist daran bemerkenswert?

Zweierlei. Erstens ist es der Autotyp, den Bryan Cranston alias Walter White in der Serie "Braking Bad" fährt: [link] Ein ultimativer Bürgerkäfig. Die unspektakuläre Spießerkarre eines Verbrechers. (Im Magazin "Spiegel" 2009 unter die zehn häßlichsten Autos aller Zeiten gereiht.)

Das ist zweitens ein Beispiel für die endlos wiederkehrende buddhistische Anforderung an Annemarie Tantscher, welche ich an all den Fahrzeugen immer wieder mit Mikrofaser- Staubwedeln und anderen Putzutensilien sehe, weil wir annehmen müssen, daß das werte Publikum des Museums verstaubte und verschwiemelte Exponate wenig schätzt.

Übrigens, von meinem Plauderstündchen mit Franz Tantscher hab ich hier erzählt: [link] Aus all dem verdichtet sich inzwischen mein klares Gefühl, ich könnte in den kommenden Jahren sehr viel mehr Zeit mit Handwerkern denn mit Kunstschaffenden verbringen. Ich mag vor allem deren spröde Selbstironie, die sich stellenweise aus soliden Kompetenzen nährt..

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