25. Februar 2014

Mein Fazit aus Plauderei über den Faschismus ist hier noch ausständig. Meine Position ist klar. Der Begriff bleibt für mich an historische Ereignisse gebunden. Ich sehe nicht, daß derzeit in Europa ein System präsent wäre, welches sich mit dem historischen Faschismus messen könnte.

Ich behalte mir die Nutzung des Begriffes der Beschreibung europäischer Zustände vor. Es fiele mir nicht ein, etwa asiatische Terrorsysteme als „faschistisch“ zu bezeichnen, obwohl zum Beispiel Japan, einst Alliierter der Nazi, in den Faschismustheorien des vorigen Jahrhunderts gewürdigt wurde. (Was uns an japanischen Beispielen rechtsextrem erscheint, hat eine kulturell und politisch völlig andere Vorgeschichte.)

Es scheint mir weder hilfreich noch nötig, den Begriff Faschismus beliebig zu verteilen. Ich sehe ein herausragendes Referenzsystem, das hinter uns liegt. Damit haben wir Kategorien und Kriterien um zu prüfen, was eben heraufdämmert.

Der Begriff Faschismus ist an historische Ereignisse gebunden, eine retrospektive Zuschreibung. Die Nazi nannten sich selbst nicht so. Wer das auf die Gegenwart umlegt, muß mir klar machen, wie das zusammenhängt und wodurch ein gegenwärtiges System jenem vergangenen gleicht.

Heute kursieren unscharfe Begriffe wie „Alltagsfaschismus“ oder „faschistoid“. Eine Praxis des Obskurantismus.
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Keltenkreuz als Ego-Krücke:
Stolz auf den Zufall

Aus diesen Begriffen erfahren wir überhaupt nichts, außer daß jemand mit ungeheuerlichen Vorkommnissen assoziiert werden soll. Diese Art Geschwätzigkeit bezeichnet trübe Felder.

Wir sind mit dem Begriff „menschenverachtend“ eigentlich gut gerüstet, um eine problematische Situation zu markieren. Anschließend muß ohnehin präzisiert werden, was genau einem daran als kritikwürdig erscheint. Mit dem Prädikat „faschistoid“ ist dann noch keinerlei Klärungsschritt vollzogen.

Eben weil die Nazi in Diskursen erst rückblickend zu Faschisten erklärt wurden, erscheint mir der Nazismus als ein sehr detailliertes Referenzsystem für das, was wir uns heute unter Faschismus vorstellen. Darum verwende ich den Begriff „präfaschistisch“, um Verhaltensweisen oder Konzepte zu bezeichnen, die in solche Richtung führen oder weisen, ohne sich dann darin einlösen zu müssen.

Aber es ist eben präfaschistisch und nicht faschistisch. Falls das jemand für Haarspalterei hält, könnten wir ja erörtern, wozu wir uns damit aufhalten, einen Tisch begrifflich von einem Sessel zu unterscheiden oder einen Pantoffel von einer Sandale

Selbstverständlich kann man menschliche Gemeinschaft auch in einer wesentlich größeren Beliebigkeit von Begriffen organisieren, wobei man aber eben eine Menge an Möglichkeiten vergibt, die uns zum Verstehen von komplexen Zusammenhängen verfügbar sind.

Wer es nicht oder nie genauer wissen will, setzt sich dem Verdacht aus, eine denkfaule Kreatur zu sein, der Wissensdurst und ein Interesse an der Welt fehlt. Es ist eine legitime Position innerhalb einer Demokratie, nur an seinen eigenen Angelegenheiten Interesse zu haben und der Welt folglich fern zu bleiben. Im antiken Griechenland stand dafür der Begriff „Idiotes“, mit dem Privatleute und Menschen in einfachen Ämtern gemeint waren.

Der andere Verdacht am Begnügen mit unscharfen Begriffe weist in die Richtung von Machtmechanikern, die kein Interesse an einem breit auffindbaren Reflexionsvermögen haben. Feineres Reflexionsvermögen ohne Klarheit über die Begriffe, die man verwendet, erscheint mit ziemlich schwierig bis unmöglich.

Gerade in der Begegnung mit politisch organisierter Menschenverachtung möchte ich auf ein feineres Reflexionsvermögen keinesfalls verzichten.

Die „Neue Rechte“ hat in eben diesen Fragen während der letzten Jahrzehnten keine Mühen gescheut und – wie schon erwähnt – erheblichen intellektuellen und kulturellen Aufwand erbracht, eigene Positionen zu elaborieren. Die wurden dann in weitgehend neue Codes übertragen, sprachlich und visuell von jeglichem Nazi-Kitsch befreit, und in die gegenwärtige Mediensituation übertragen, die noch einiges leistungsfähiger ist als es jene von Goebbels war.

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KKK-Mitglieder zu Gast bei Jerry Springer

Man braucht sich bloß auf Youtube umsehen, um anschauliche Beispiele dafür zu finden. Der Kontrast ist epochal. Intellektuell sehr bescheiden ausgerüstete Menschen, die von einem „kleinen Hitler“ reden, der ihnen politisch vielversprechend wäre, findet man zum Beispiel immer wieder in Reportagen von Elisabeth T. Spira.

Solche larmoyanten Typen, die nach Feindbildern greifen, um sich keine Rechenschaft über ihre eigene Verantwortung an ihrer Befindlichkeit geben zu müssen, sind offenbar international. Sie scheinen zumindest in den uns vertrauten Kultur-Konzepten rund um die Welt die gleichen Erklärungsmuster zu bevorzugen.

Zu den Fremdenhassern in Spiras Reportagen passen sehr gut die Leute vom Ku Klux Klan, wie sie Moderator Jerry Springer gelegentlich auf seiner Bühne vorführt; ebenso auf Youtube verfügbar.

Wollen Sie dagegen verstehen, was die Neue Rechte kulturell und politisch geschafft hat, vergleichen sie die erwähnten Auftrittsweisen und Reden mit jenen von zum Beispiel Andreas Mölzer. Ein gebildeter, eloquenter, jeder Debatte gewachsener Herr, ein knallharter Rechtsradikaler mit tadellosen Manieren.

Man beachte zur Anschauung eine Interviewpassage von gestern, wo Armin Wolf im Video nach etwa 2:10 Minuten fragt: „Kennen Sie eigentlich in Österreich irgendeinen Abgeordneten, der politisch weiter rechts steht als Sie?“ [link]

Mölzer sieht sich als einen „Nationalliberalen“ innerhalb des „Verfassungsbogens“ und rechnet sich den „Rechtsdemokraten“ zu, der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet; im Gegensatz zu Nazi, die erklärte Gegner der Demokratie waren und auf Rechtsstaatlichkeit wenig Wert legten.

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Andreas Mölzer
(Foto: Leila Paul, GNU LIcense)

Mölzer nennt in diesem Interview Gewaltbereitschaft und reale Gewalttätigkeit als wesentliche Extremismus-Kriterien, was ihm fehle, weshalb es unangebracht sei, ihn als Rechtsextremen zu klassifizieren. Auch Mölzers Befund über Kollegen Ewald Stadler, auf den er mit feiner Ironie herabblickt, ist aufschlußeich: „Ich bin zwar ein Katholik, aber ein Sünder. Ewald ist bar jeder Sünde.“

Das ist kein halbseidener "Faschist", den man wegreden oder niederbrüllen kann. Das ist ein erfahrener Europa-Politiker, dem nichts mehr nützt als daß man ihn unterschätzt.

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