13. Februar 2014 Ja,
meine Erörterungen dessen, was Faschismus sei, sind hier noch zu keinem Schluß gekommen.
Aber ich lasse das schon nicht offen. Bei meinem Wühlen im Herzen der Finsternis
brauche ich bloß gelegentlich eine kleine Pause.
Muß ich erwähnen, daß ich mich in dieser Metapher, die
auch auf früheren Blättern schon vorgekommen ist, auf einen Text von Joseph Conrad
beziehe? Ich meine das Herz der Finsternis. Und ich meine den gestern geäußerten Unmut über die Tatsache, daß
mir derzeit in meinem Milieu seit Jahren etwas zu wenig gelesen und etwas zu viel gegen
die Wißbegier argumentiert wird.
Mach es nicht so kompliziert! Rede nicht
so abgehoben! Sei nicht so elitär!
Mindestens ein halbes Volk, wenn nicht mehr, scheint darauf
stolz zu sein, kaum zu verstehen, was uns Tausende Bücher und Debatten sagen. War das
übrigens nicht einer der Gründe, welcher vor gut einem halben Jahrhundert Millionen
Juden das Leben gekostet hat?
Ich meine das Wüten von Leuten, die sich selbst nicht
verstanden und andere auch nicht, deren Denken und Fühlen komplexeren Zusammenhängen
ihres Lebens und den Transformationen Europas nicht gewachsen waren. (Sind jene
"elitär", die um solches Verstehen ringen?)
Schwester Immakulata
Ich habe merkwürdige Tage hinter mir. Vorgestern habe ich
mit einer betagten Ordensfrau über das Altwerden gesprochen und über das kulturelle Gut
STILLE, von dem heute so schwer etwas zu bekommen ist.
Ein Gespräch, in das dann auch die Landtagsabgeordnete
Ingrid Lechner-Sonnek einstimmte. Und schließlich EASPD-Präsident Franz
Wolfmayr; EASPD bedeutet, daß er dem Europäischen Dachverband von
Dienstleistungsanbietern für Personen mit Behinderung [link] vorsitzt.
Mich hat interessiert, wie die Dominikanerin Immakulata
über die Vorstellung denkt, daß wir in menschlicher Gemeinschaft nur wenige Modelle zur
Verfügung haben, um eben diese Gemeinschaft zu ordnen. Entweder wir gehen wechselseitige
Verpflichtungen ein oder wir halten Distanz vollkommen variabel, was aber zur Folge hat,
daß die Einzelnen im Krisenfall ziemlich schutzlos bleiben. Dazwischen gibt es nicht
viele Optionen, aber allerhand räuberische Konzepte.
Ingrid Lechner-Sonnek und Franz
Wolfmayr
Den Anlaß für diese Zusammenkunft hatten "25
Jahre Cance B" ergeben, was bedeutet, daß aus einer Idee ein Gleisdorfer
Betrieb wurde, der das soziale Geschehen der Region verändert hat: [link] Siehe dazu auch: "Chance
B: Soziale Innovation" [link]
Ich war erstens selbst in frühe Abschnitte dieses
Prozesses verwoben und hatte zweitens nun Anlaß, mich an diese markanten Querverbindungen
zu erinnern. Mein kulturelles Engagement hatte mich mit einer ganzen Reihe von Initiativen
in Verbindung gebracht und die Fragestellungen, an denen für mich zu arbeiten war, sind
von Debatten aus all diesen Bereichen geprägt worden.
Ich hab hier drei von mehreren Blättern herausgekramt,
für die ich 1990 redaktionelle Arbeit und Layout gemacht habe. Das reichte vom Dialog mit
der "Arge Erneuerbaren Energie" über österreichweite Impulse zur "REGionalentwicklUNG"
bis zu unserer regionalen Kulturzeitung. Es war übrigens das Jahr, in dem Autor Thomas
Glavinic seine erste Publikation hatte, die ich in unserer "SO-Zeitung"
realisiert hab: [link]
Wir arbeiteten damals gerade intensiv an den
Vorbereitungen des "Integrations-Symposions", das im Herbst 1991
stattfand. Der Begriff war noch nicht mit Immigranten assoziiert, sondern mit Menschen,
die aufgrund ihrer Handicaps aus vielen Bereichen der Gesellschaft ausgeschlossen blieben;
weshalb wir im Titel diese Gesellschaft als behindert bezeichneten. In jenem Klima interdisziplinärer Diskurse und Projektschritte hat
sich mein Kulturbegriff damals auf eine spezielle Art geprägt.
Ich war daher nicht bereit, auch nur in Erwägung zu
ziehen, daß es für Kunstschaffende ausschließlich um die Kunst gehen könne, soweit sie
hier, regional, Anspruch auf öffentliche Mittel erhoben. Mein kulturpolitischer Diskurs
war zugleich sozialpolitisch. |
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Das heißt unterm Strich
freilich auch, daß nur ein Teil meiner individuell verfügbarer Ressourcen für die
Kunstproduktion zur Verfügung stehen. Das habe ich manchmal bereut, meist aber nicht.
Meine interdisziplinäre Orientierung habe ich beibehalten. Das kam grade gestern wieder
auf einen Punkt.
Von links: Christoph Stark, Wolfgang
Braunstein, Iris Absenger-Helmli und Erwin Eggenreich
Bei einem weiteren Workshop zu Fragen der Regionalentwicklung,
wo hier inzwischen das Einbeziehen Kulturschaffener Standard ist, saß mit uns nicht nur
der Gleisdorfer Bürgermeister Christoph Stark (links) am Tisch, sondern auch der Weizer
Bürgermeister Erwin Eggenreich (rechts). Der war damals, in den Zeiten des "SO-Vereins"
mit uns in diesem Kulturverein aktiv.
Kompliziert? Abgehoben? Elitär?
Pardon, es IST kompliziert! Und ich wünschte, weit mehr
Leute aus meinem Milieu wären in der Lage, aber auch bereit, in solche Meetings zu gehen,
um dort etwas mehr auf den Tisch zu legen als bloß ihre Befindlichkeitsprosa und ihre
Polemiken. Wir verhandeln jetzt -- wann denn, wenn nicht jetzt? -- die Zukunft
unserer Demokratie und unseres Lebensraumes.
Wir verhandeln solche Fragen und wir klären, welche
konkreten Schritte folgen sollen, folgen können. Für diesen Abschnitt des Verlaufes
müssen brauchbare Befunde entstehen und müssen alle Beteiligten ihre Gründe nennen
können.
Ich darf jenen flüstern, die zu solchen politischen
Prozessen lieber noble Distanz pflegen: Niemand bleibt unschuldig! Niemand der reingeht,
niemand der draußen bleibt. Allerdings weiß ich wenigstens sehr genau, was ich
später zu verantworten haben werde, denn ich war dabei. |