6. Februar 2014 Ich
habe nun in dieser Plauderei sehr viel Text auf die Kerl-Nummer
verwendet, auf die Kerl-Ausbildung, also sei es geradeheraus gesagt:
Auf die konsequente Brutalisierung und Bündelung von Männern. Das Gefügigmachen von
Frauen wäre noch ein eigenes Thema, welches aber nach meiner Einschätzung beim
Faschismus keinerlei konstituierende Rolle spielt.
Leni Riefenstahl bei der Arbeit
(Foto: Bundesarchiv Deutschland, Creative Commons)
Der Faschismus ist eine Männerkultur, deren
Spitzenmännchen sich der Welt gerne ab und zu mit blanker Brust zeigen; eine Art von
Imponiergehabe, die sich allerdings Hitler offenbar nicht leisten konnte. Mussolini hatte
das drauf. Die Pose ist bis in die Gegenwart populär. Berlusconi und Putin haben sie
gelegentlich gezeigt, sogar Frank Stronach.
Freilich brauchte der Faschismus auch Frauen, damit alles
klappt. Unter ihnen gab es nicht nur Mitläuferinnen, allerhand Helferinnen un
Schwärmerinnen zum Erhalt des Ganzen, sondern selbstverständlich auch Täterinnen. Aber
was immer Frauen möglich war oder sich Frauen zuschulden kommen ließen, es blieb der
Männerkultur untergeordnet, zugeordnet.
Wo Frauen zu außergewöhnlichen Leistungen fähig waren, durften sie sich auch
exponieren. Das blieb aber stets Propagandazwecken gewidmet. Allein dadurch ergab sich
schon eine solide Art der Mittäterschaft. Das vermutlich bedeutendste Beispiel ist die
exzellente Filmemacherin und Photographin Leni Riefenstahl deren innovative Kraft markante
Beiträge zur Inszenierung des Faschismus lieferte.
Was sie etwa filmisch aus dem Nürnberger Reichstag der NSDAP von 1934 gemacht
hat, ist gleichermaßen beeindruckend und beunruhigend: Triumph des
Willens [link]
Ein anderes interessantes Beispiel ist die Spitzenpilotin Hanna Reitsch. Eine
Rekordbrecherin, die unzähligen Mannsbildern um die Ohren flog. Ihr späteres Schönreden
der eigenen Rolle im Faschismus ist ebenso bedrückend und ekelhaft, wie sich das auch
Leni Riefenstahl zurecht gemacht hat.
Flugkapitän Hanna Reitsch beim
Repräsentieren
(Foto: Bundesarchiv Deutschland, Creative Commons)
Noch prägnanter, wenn auch allgemein in Vergessenheit
geraten, war sicher Elly Beinhorn. Fliegerin, Weltreisende, erfolgreiche Buchautorin. Ihre
Ehe mit der Rennfahrerlegende Bernd Rosemeyer machte allerings sehr schnell deutlich, wie
die Dinge bei den Nazi geordnet sind.
Wie schon erwähnt, das Thema Maschinenverliebtheit wird noch
behandelt werden müssen. Der Autorennsport spielte dabei eine herausragende Rolle und
daß Mercedes-Benz heute noch mit der Bezeichnung Silberpfeil Öffentlichkeitsarbeit
macht, halte ich für ebenso aufschlußreich wie problematisch.
Polemisch verkürzt: Was also auf einem anderen Kontinent der Machismo, leistete bei uns
der Fascismo.
Es geht im Kern um die individuelle Brutalisierung von
Männern, die einem oft schon das Elternhaus erledigt. Es geht darum, sie in
Männerbünden zusammenzufassen und sie dort das Kämpfen wie die Frauenverachtung zu
lehren, ihnen außerdem über hierarchische Treppen den Weg zu Aufstieg und
Vergünstigungen zu zeigen.
Vergünstigungen sind sehr wichtig, denn wir müßten ja auch über Selbstekel,
Erniedrigungen und das Ertragen von physischen Schmerzen reden, in denen wir Menschen
äußerst belastbar sind, wenn es sich nur lohnt.
Von links:
"Silberpfeil"-Pilot Bernd Rosemeyer, Fliegering Elly beinhorn
und der zu den Nazi völlig distanzlose Ferdinand Porsche
(Foto: Bundesarchiv Deutschland, Creative Commons)
Das heißt umgekehrt: Eine frühe und wirklich volksweite
Blockade gegen faschistische Tendenzen, gegen Frauen- und Menschenverachtung, ist völlig
kostenlos und allgemein verfügbar. Wir bräuchten bloß unsere Kinder verläßlich als
unsere Schutzbefohlenen betrachten und auf breiter gesellschaftlicher Basis klar
machen, was einem Schützling an Schutz zusteht.
Das hat zwei sehr einfach Grundbedingungen:
1) Nie schlagen.
2) Nie demütigen.
Die dumme Rede von der angeblich gesunden Watschn, also den
pädagogisch wertvollen Schlägen, müßte längst erledigt und umfassend
geächtet sein. Hätten wir das im Kasten, wäre das allein schon ein turmhohes Bollwerk
gegen jede Tyrannei.
Gezüchtigte, emotional und materiell knapp gehaltene Wesen ergeben eine vorzügliche
Manövriermasse, wenn andere Kräfte schweigen. Ich bin überzeugt, das Schlagen und
Demütigen spielt eine zentrale Rolle in der Faschisierung einer ganzen
Gesellschaft. Es ist auch in kleineren Modellen der menschlichen Zurichtung das, was im Herz
der Finsternis (Joseph Conrad) den Ausgangspunkt ergibt.
Die Familie, angeblich "kleinste keimzelle der
Gesellschaft", das allein ist schon pure Propaganda, die auf hierarchische
Organisation abzielt, diese Familie ist in Wahrheit bis heute nicht nur aber eben
auch die erste Zuchtanstalt der Gesellschaft. Nirgends werden Kinder und
Frauen so konsequent an Prügel und Erniedigungen gewöhnt, wie in abertausenden Familien.
Aus Arno Gruen: "Der Kampf um
die Demokratie"
Warum schlucken wir sowas? (Ich schreibe über
diese Aspekte als Insider.) Gewalt hat das Potential zu einer Art heidnischen
Religion, in der es Orthodoxie gibt, Ritus, ausgefeilte Glaubenspraxis.
Psychoanalytiker Arno Gruen nennt ein zentrales Kapitel dieser Sektiererei Der
verpönte Schmerz. Schmerzerfahrung wird ideologisiert, das Ertragen von
Schmerzen als Qualität aufgewertet, respektive bis zur weitgehenden
Ausblendung umgedeutet.
Klaus Theweleit hat das in seiner Faschismustheorie ins Zentrum männlicher Sozialisierung
gestellt und hat es überspitzt, indem er folgerte, der Mann würde sich in seiner
Verhärtung durch Zucht und Züchtigung einen Körperpanzer aufbauen, würde Schlag um
Schlag schlucken, bis er danach süchtig werde...
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