1. Februar 2014

Komplexitätsreduktion. Simplifizieren von vielschichtigen Problemstellungen. Das bekomme ich auf dem Boulevard nachgeschmissen. Pardon, Leute, wenn es um das Thema Faschismus geht, halte ich einen schlampigen Umgang mit den Fragen und Befunden für unerträglich.

Warum? Sehr einfach! Ist der Befund untauglich, wie tauglich können dann die Schlüsse sein, die jemand daraus zieht?

Wenn aber die Begriffe und Zusammenhänge beliebig besetzbar sind, also für eine Realitätskonstruktion nach eigenem Geschmack frei zur Disposition stehen, was unterscheidet einen auf diese Art gerüsteten Antifaschisten von Faschisten?

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Historischer Schriftzug der Aktion von 1932

Der historische Faschismus ist ja vor allem das: Eine völlig eigennützige und selbstreferenzielle Konstruktion, eine bedenkenlose Klitterung, in der Symbole und Geschichten als Raubgut aus Streifzügen durch die Geschichtsschreibung völlig beliebig montiert wurden; zum Vorteil weniger, um Nachteil vieler.

Ich habe die letzten Tage etliche Zeit darauf verwendet, um durchzusehen, wer und was sich in Österreich als „Antifa“ medial äußert, also an die Öffentlichkeit wendet. Ich wollte vor allem auch wissen, wogegen genau diese Formationen mobil machen.

Bei Gruppen, die sich explizit auf die "Antifaschistische Aktion 1932" berufen und beziehen, finden ich andere, fundiertere Diskurse als bei manchen österreichichen Grüppchen. Da gibt es etwa eine Gruppe „Antifa O5“. Sie proklamiert „Freiheit, Revolution, Anarchie“. Auf ihrer Website erfahren wir allerdings nicht, welchen Referenzpunkt man dort gewählt hat; siehe: [link]

Der Referenzpunkt ist nämlich einigermaßen prominent. Mit dem Zeichen „O5“ zeigte die bedeutendste österreichische Gruppe des Widerstandes gegen die Nazi ihre Anwesenheit. Das O und der fünfte Buchstabe im Alphabet, das E, ergaben Ö für Österreich, welches durch die „Heimholung ins Reich“ als ausgelöscht galt.

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Ausschnitt aus historischen Flugblatt vom August 1932
(Quelle: 80 JAHRE | ANTIFASCHISTISCHE AKTION  von Bernd Langer)

Bei diesem Grüppchen „Antifa O5“ fand ich ein weiteres Beispiel für die gelegentlich fast furchterregende Faschismus-Exegese der heimischen Antifa. Dort steht unter dem entsprechenden Stichwort folgender Absatz:

„Faschismus ist ein Verbrechen, jeder der den Gedanken hat dieses Verbrechen wieder zu begehen muss bestraft werden. Menschen die diesen Gedanken haben sind Mörder, Leute wie Hitler oder Musulini, sind die größten Mörder der Menschheit.“

Meine Einwände:
+) Niemand darf für Gedanken bestraft werden, einzig Taten und Unterlassungen können sanktioniert werden.
+) Niemand darf für Gedanken als „Mörder“ eingestuft und durch solche Vorverurteilung einer Strafverfolgung ausgesetzt werden.
+) „Musulini“? Naja! Jedenfalls ist der Duce im Vergleich zu einer Reihe anderer Staatsmänner in Sachen Mord ein eher kleinkarierter Chorknabe gewesen. In diesen Fragen wäre also noch an den Kriterien zu arbeiten.

Wenn die Legitimation von Leuten, welche bereit sind, uns zu „befreien“, indem sie auch militante Mittel anwenden, so dürftig daher kommt, wenn diese Leute den Staat abschaffen wollen, um u.a. sein Gewaltmonopol zu fällen, dann weiß ich nicht, ob ich jetzt anfangen soll mich zu fürchten oder schießen zu üben.

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Tendenz zur Privatmythologie bei "antifa:on"

Vielleicht könnten wir uns auf zweierlei verständigen:
+) Wir erörtern einmal gemeinsam die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte [link] und ich darf Punkt für Punkt erfahren, wie diese Konvention von Antifa-Leuten verstanden wird.
+) Wir erörtern einmal wenigstens kursorisch, was jemand meint, wenn er oder sie „Faschismus“ sagt, um eine Vorstellung entwickeln zu können, was ein angemessener Antifaschismus sei und welche Mittel zu seiner Ausübung legitim erscheinen.

Einen anderen Text fand ich ebenfalls sehr interessant. Die Gruppe „antifa:on“ übt ausdrücklich eine „Kritik des traditionellen Antifaschismus“. Quelle: [link]

Auch bei dieser Partie bekomme ich den Verdacht, sie BENUTZEN vor allem einmal das Thema, um sich selbst auf bestimme Art herauszustellen, hervorzutun. Hier wird Selbstdefinition durch Feindmarkierung sogar innerhalb des eigenen Milieus wirksam.

Besonders skurril finde ich dort den Absatz „Antifaschismus ist Israelsolidarisch oder er wird keiner sein“.

Diese Koppelung bleibt mir in der Sache ziemlich unverständlich und verschwommen. Es hat zwar der Nazi-Faschismus dem Antisemitismus eine Praxis verliehen, die radikal über unsere Auffassungsgabe hinausführte, aber der Antisemitismus ist weit älter als der Faschismus, weshalb ja auch der Zionismus, so vermute ich, ohne weiteres ohne Faschismus hätte ebenfalls zu einem Staat Israel führen können.

Daß der Staat Israel durch den Faschismus einen sehr singulären Zusammenhang erhalten hat, steht für mich außer Diskussion. Doch was die Tyrannis ist, ob nun in Emblemen und mit Konzepten des Faschismus oder auf andere Inszenierungen gestützt, ganz egal, das bedarf aus meiner Sicht einer grundsätzlichen Gegenposition, in der eine Solidarität mit Israel eher keinen konstituierenden Charakter haben kann.

Wovon also ist da die Rede? Viel Geschwurbel.

Ich hoffe immer noch, auf Publikationen zu stoßen, die das Thema Faschismus/Antifaschismus einigermaßen seriös und mit einem Mindestmaß an intellektueller Redlichkeit behandeln. (Hat hier jemand zweckdienliche Hinweise?)

P.S.: Keien Sorge, ich werde schon noch konketer, was ich selber für Faschismus halte, warum ich die Zuscheibung „faschistoid“ für unbrauchbar halte, wie mir auch der Begrif „Alltagsfaschisms“ höchst überflüssig erscheint. Wir können aber darüber reden, was sich als präfaschistisches Verhalten erkennen läßt und wohin es zielt.

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