31. Jänner 2014 Ich erfahre weiterhin on stage und back stage, wie
mein Benehmen zu bewerten sei, aber ich bekomme keine Antworten beziehungsweise sachlichen
Einwände zu meinen vorgebrachten Fragen. Aber vielleicht wird das noch.
Auf Facebook sind die ironischen
Vemummten-Selbstportraits wieder wetgehend verschwunden. Es bleibt hauptsächlich der
Polizeieinsatz als Thema und es bleiben Rücktrittsforderungen an den Polizeipräsidenten
Gerhard Pürstl.
Mit Fragen zum Nationalsimus gehe
ich lieber
zum Schmied als zum Schmiedel, etwa zu Eric Hobsbawm
Diese Teilthema interessiert mich derzeit wenig, da es
ohnehin durch hochkarätige Leute aus dem Journalismus ebenso abgedeckt wird wie durch
beunruhigte Bürgerinnen und Bürger, bis hin zu polemischen Kräften, die offenbar froh
sind, daß sie irgendwas zur Sache beitragen können.
Was die jungen und alten Grünen angeht, scheinen
nun nach Tagen neue Klarheiten entstanden zu sein. Die Website nowkr.at ist nun
offline. Die Stellungnahme der Jungen finde ich nach wie vor ungenügend und etwas
problematisch: [link]
Aber die Reflexion der Ereignisse darf ja Zeit beanspruchen.
Die gesamte Themenstellung ist mehr als komplex, ist
weitreichend. Mich würde interessieren, was von den Leuten nach einer längeren
Reflexionsphase darüber zu erfahren ist.
Meine Generation betreffend hat Peter Pilz auf seiner
Website [link] ohne viel Herumgerede
konstatiert: "Gerade eine Grüne Partei braucht junge Grüne, die vor fast nichts
Respekt haben, am wenigsten vor einem Parteivorstand. Aber für uns alle gilt die Grenze,
ab der nichts mehr grün ist."
Peter Pilz verzichtet auf Lavieren
und Auslüchte
Er meint die Grenze zur Gewalttätigkeit. Pilz:
"Ich habe jetzt endgültig genug davon, dass ein paar Jungfunktionäre Jahr für Jahr
dieselbe Frage aufwerfen: Wie halten es die Grünen mit Gewalt? Diese Frage ist seit
unserer Gründung beantwortet."
Das ist für mich eine beruhigende Position, ohne die mir
für mich und bei anderen schwere Orientierungsprobleme blieben. Speziell auch deshalb,
weil ich, wie hier schon erwähnt, zwar rational, aber nicht emotional ein Gegner von
Gewalt bin.
Die große Herausforderung lautet für mich daher: Wie
ist Gewaltverzicht sicherzustellen und welche Strategien können mir Gewaltanwendung
ersetzen, wo es um berechtigte Forderungen geht?
Das ist für mich auch einer der Hauptgründe, warum ich
den "Schwarzen Block" für einen Haufen Hooligans halte, der Militanz
proklamiert, Gewaltanwendung praktiziert und in der Begründung wie Legitimation seiner
Gewaltpraxis eine ziemlich schaurige Privatmythologie pflegt, die mit dem Etikett "Antifa"
behaftet ist.
Also darf ich die Grünen in der ganzen Dache sich
selbst überlassen und mich mit diesen merkwürdigen Feinden der offenen Gesellschaft noch
ein wenig ausführlicher befassen.
Werde ich nun weiter damit behelligt werden, daß ich mich
der ganzen Angelegenheit mit Reden und Schreiben annähere? Darf ich als bekannt
voraussetzen, daß ich nicht erst seit Jahren, sondern seit Jahrzehnten als freier
Schriftsteller lebe? Sprache und Text sind demnach generell meine bevorzugten Mittel, mich
mit relevanten Themen zu befassen und das sollte daher als legitim gelten können.
Die Autonomen, Antifa und Schwarzer
Block haben Kapitalismuskritik ins Zentrum ihrer Auseinandersetzungen gestellt und
folgern, daß der Staat mit seinem Gewaltmonopol eine notwendige Einrichtung im
Kapitalismus sei. Wer also den Kapitalismus bekämpfe, müsse den Staat bekämpfen.
Ein historischer text als
ineresssante Lektüre
Arbeitet man sich durch mehrere programmatische Papiere
dieser Communities, stechen noch eine "Kritik des traditionellen
Antifaschismus" und ein Nationalismus-Diskurs besonders hervor.
Ich habe das im vorigen Eintrag mit der Zuschreibung
"Kapitalismuskritik im Boulevard-Stil und allerhand vulgär-marxistisches
Geschwafel" kommentiert. Viel Privatmythologie, allerhand Selbstdefinition durch
Feindmarkierung.
Ich schlage dazu ein kleines Experiment vor. Lesen Sie
ZUERST das Manifest der Kommunistischen Partei, das am 21. Februar 1848 in London
erschienen ist (Volltext), und DANN einige Texte der Antifa. Weshalb?
Weil ich vermute, Sie werden meine Erfahrung teilen. Vieles
an Kapitalismuskritik, die uns von der Antifa in teilweise ziemlich schlampigen
bis polemischen Texten aufgetischt wird, habe ich davor im Manifest schon
kennengelernt. Präziser. Und mit dem verblüffenden Effekt, daß im Manifest teilweise
Dinge prognostiziert sind, die wir heute, über 150 Jahre später, als höchst
treffsichere Beschreibung erkennen können.
Wenn ich also darüber etwas wissen will, gehe ich zum Schmied
und nicht zu Schmiedel. Mit dem Nationalismus-Diskurs erging es mir ähnlich.
Zwei Nachmittage Lektüre von Texten des Eric Hobsbawm oder Ernest Gellner helfen mir in
der Orientierung weit mehr als eine ganze Reihe der Antifa-Schriften.
Ich finde außerdem ziemlich provokant, mit welchem
Tunnelblick bei den Autonomen auf Österreich geblickt wird.
Komplexitätsreduktion, wie sie eben auf dem Boulevard bewährt ist. Ein
Beispiel: "Österreich ist nämlich ein Land das personell, strukturell und
ideologisch, sowohl an faschistische, als auch nationalsozialistische Traditionen
anknüpft und diese fortführt."
Es habe sich "die gesamte postnazistische,
österreichische Gesellschaft, unsere Feindschaft verdient." So schreiben "antideutsche
Antifaschistinnen aus dem Westen Österreichs" in einem Text "Über
uns". Quelle: [link]
Diese Art der Simplifizierung, um eine ganze Bevölkerung
zum Feindbild aufzublasen und so die eigene Legitimation herbeischreiben zu wollen,
könnte kaum polemischer sein und würde jedes faschistische System schmücken.
Diese Art der "Wir-Konstruktion" ließe
sich natürlich leicht als ein Abschluß der Klassenbesten in einer "Schule des
Nationalismus" erkennen, wenn deren Diskurse sich auch Opponenten stellen müßte,
wenn die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden zulässig wäre. "Die
Anderen" sind hier aber ofenbar bloß eine Wand, gegen die gespielt wird.
Mit Vollgas in den Tunnel:
Privatmythologien der Antifa
Einen anderen Text finde ich noch viel skurriler, denn er
interpretiert die postnazistsichen Qualitäten Österreichs als so herausragend, daß wir
uns als Quelle der Inspiration und des Ursprungs für die Neue Rechte in ganz
Europa betrachten dürfen, obwohl ich doch denke, daß solche Kräfte in Italien,
Frankreich, Ungarn etc. darin nicht auf das kleine Österreich angewiesen sind.
"Zweifelsohne, die postnazistische Tradition
Österreichs hat dazu geführt, dass sich so einiges das hier seinen Anfang nahm
europaweit ausbreitete. Hierfür steht besonders das Jahr 2000 mit der schwarz-blauen
Regierung." Quelle: [link]
Zweifelsohne? Na, das möchte ich aber sehr bezweifeln!
Einen Feind definieren, aufbauschen, dämonisieren, um die eigene Position zu legitimieren
und das eigene Sein zu beschreiben, kommt das nun irgendwem bekannt vor? Richtig! Das
konnten schon die Schwarzen Korps nach dem Großen Krieg, das konnten
die Austrofaschisten, das konnten die Nazi weit besser.
Daher interessiert mich, ob wir derzeit willens und in der
Lage sind, über Fragen zum Faschismus einige Klarheit zu bekommen und uns der Neuen
Rechten in Europa angemessen entgegenzustellen; offenbar auch in der
Auseinandersetzung mit einer jungen Antifa.
Wäre vielleicht vorerst einmal zu erörtern: Welche Fragen
sollten vordringlich gestellt werden?
P.S.:
Mit "Boulevard" meine ich ein Ensemble von Komplexitätsreduktion,
Simplifizierung der Themen, binären Feindbildern und einer Tendenz zu bipoaren
Weltbildern bei gleichzeitig permanenter Abwertung Andersdenkender.
P.P.S:
Das ist itatsächlich ein Konzept, in dem ich Grundlagen des historischen Faschismus
wiedererkenne.
-- [Imperium] -- |