28. Jänner 2014 Fürs Protokoll: Einige tausend Menschen, zwischen sechs- und
achttausend, so lese ich, haben in Wien gegen den Akademikerball in
der Hofburg demonstriert. Dieser Protest richtet sich dagegen, daß die Neue Rechte
und alte Recken plus die vergnügte Entourage dieser Kreise sich an eben diesem Ort
treffen, feiern und der Welt in bester Laune präsentieren können.
Zur Sache:
+) BBC Europe
+) Frankfurter Allgemeine
+) Hamburger Abensblatt
+) Die Zeit
Kein Clan, kein Stamm, kein Volk kann in seinen Wir-Konstruktionen auf Symbole verzichten.
Gemeinschaft und Gemeinschaftsgefühle werden auf symbolischer Ebene verwaltet. Ich kann
daher an keiner Diskussion teilnehmen, die unterschlägt oder verschleiert, daß Hofburg
und Heldenplatz in Wien auf keinen wie immer gearteten Fall von vaterländischen
Formationen zur Selbstdarstellung genutzt werden dürfen, vice versa, daß eine
Selbstinszenierung an diesem Ort Legitimation bzw. den Anspruch auf Legitimation
ausdrückt.
Ich muß darauf bestehen, daß das außer
Diskussion und außer Streit gestellt ist.
Mir ist völlig klar, daß eine teilweise geächtete
politische Bewegung ihre Möglichkeiten, die Hofburg zu bespielen, nutzt und genießt.
Sich aus diesem Lager nun auf diesem historischen Boden produzieren zu können, das ist
ein derart bestechender Coup, da bleibt einem fast die Luft weg.
Heldenplatz und Hofburg um 1900
Welches Lager? Es sind heute verschiedene
Bewegungen, die sich da verknüpfen, teils aus dem Kielwasser der Nazi und teils aus
unbestreitbaren Querverbindungen zu jüngeren Bewegungen, die aber inhaltlich im
Faschismus des vorigen Jahrhunderts wurzeln.
Ich hab keine Ahnung, wie viel Tücke oder Inkompetenz (oder beides) wirksam werden
mußten, um diese Situation in der Hofburg zu ermöglichen und gegen formelle Anfechtungen
vorerst weitgehend abzuschotten.
Selbst wenn unsere Regierung es wollte (will sie?), könnte sie offenbar im Augenblick
dieses Ball-Ereignis nicht delogieren, weil es eine Vertragslage gibt, welche einer
Betreibergesellschaft ("Hofburg
Vienna") die Vermarktung der Räumlichkeiten überläßt. Diese
Betreibergesellschaft zeigt keine Anstalten, sich in dieses Geschäft dreinreden zu
lassen.
Ein Vertrag kann eben nicht einfach von einer
Seite her zerrissen werden: "Die Wiener Kongresszentrum Hofburg
Betriebsgesellschaft m.b.H. (Hofburg Vienna) übernahm im Jahr 1969 die Führung des
Veranstaltungszentrums im Rahmen eines Pachtvertrages mit der Republik Österreich als
Eigentümerin." [Quelle]
Zitat aus "Hofburg Vienna,
Imagebroschüre"
Eine sehr blamable und irgendwie zutiefst
österreichische Situation, auf symbolischer Ebene eine Katastrophe. Die Hofburg
war über Jahrhunderte die Residenz des Hauses Habsburg und liegt in unmittelbarer Nähe
des Heldenplatzes, um mit dem Bundeskanzleramt ein auffälliges
topographisches Dreieck in der Geschichte und Gegenwart Österreichs zu bilden: [link]
Daß also genau dort die Neue Rechte und die alten Vaterländischen sich
ein Tänzchen geben, um der Welt zu demonstrieren, wo sie heute -- Hand in Hand --
angekommen sind, politisch und gesellschaftlich, ist unerträglich. Es zeigt aber auch,
was wir alle über Jahrzehnte übersehen, ignoriert, unterschätzt haben.
Mich interessieren nun einige Fragen. Zum Beispiel, ob es überhaupt ein juristisches
Mittel gibt, in die bestehenden Verträge einzugreifen und somit der Republik eine
Möglichkeit zu verschaffen, bei der Vermietung der Hofburg inhaltlich mitzureden.
Folglich würde ich gerne wissen, ob in der Regierung irgend jemand vorhätte, solche
Mittel zu suchen und gegebenenfalls anzuwenden. Ich weiß derzeit nicht, welches Ausmaß
an politischem Willen da ist, um diese Blamage und Brüskierung in der Zukunft zu
verhindern.
Unabhängig davon bleibt auch die Frage, wie und wodurch diese europaweite
Erfolgsgeschichte der Neuen Rechten gebremst werden kann. Was wir derzeit sehen:
Honorige Herrschaften bewähren sich als Stabilisatoren von Netzwerken, in denen auch
Kriminelle, Gewalttäter und verurteilte Neonazi Halt wie Heimat finden.
Zitat aus "Hofburg Vienna,
Imagebroschüre"
In jeder Junta wissen die
maßgeblichen Leute, daß ihr Regime ohne Kriminelle und Gewalttäter nicht auskommt,
weshalb Kontakte und wohlwollendes Einvernehmen mit solchen Leuten gepflegt werden. Wer
auf dem Weg zu politischen Spitzenpositionen in Kauf nimmt, sich wie eine Junta
zu ordnen, wird das auf eben diesem Weg zwar nicht ausposaunen, aber praktizieren.
Nach allem, was ich in den letzten Jahrzehnten
gelesen und gesehen hab, bezweifle ich keinen Augenblick, daß genug politisches Personal
anwesend und bereit wäre, diesem Land eine Junta zu verpassen.
Es gehört zur Erfolgsgschichte der Neuen Rechten, daß sie in den letzten
wenigstens dreißig Jahren gründlich gelernt hat, im Auftritt nach außen und im
Propagieren der eigenen Positionen nicht mit dem Verbotsgesetz zu kollidieren, also
juristische weitgehend unanfechtbar zu bleiben, überdies eine Diktion zu vermeiden, von
der sich die Bourgeoisie abschrecken ließe.
Ich sehe darin eine erhebliche politische und kulturelle, auch intellektuelle Leistung.
Dafür mußten Sprachregelungen und Inszenierungen so umfassend wie gründlich
überarbeitet werden. Das Ausmaß dieser Transformationsarbeit und der dazu nötigen
Energie wurde in Österreich beunruhigend weit unterschätzt.
Wenn also die Politik den Vaterländischen genug Raum läßt, sich in der Hofburg
demonstrativ zu feiern, wenn Vertragsbindungen und der Mangel an juristischen Mitteln
keinen Hebel bieten, sie von diesem symbolträchtigen Ort fernzuhalten, wenn sie selbst
durch ihr Verhalten wie ihre aktuellen Sprachregelungen keinerlei juristischen Ansatzpunkt
liefern, sollten wir vielleicht endlich beginnen, unser eigenes zivilgesellschaftliches
Versagen in dieser Frage zu erörtern.
Mich interessieren daran keine Spielarten von Zerknirschung, ich bin aber auch nicht
bereit, irgendein Getöse zu entfalten, das in Zuschreibungen an Andere unsere eigenen
Mängel in dieser Angelegenheit verschleiern soll.
Ich meine, wir haben darüber zu reden, ob wir in der Lage sind, den Status quo präzise
und stichhaltig zu analysieren, ob wir ferner bereit sind, um gestützt auf solche
Befunde an zivilgesellschaftlichen Strategien zu arbeiten, durch die der Neuen
Rechten wirkungsvoll entgegengetreten werden kann. Dazu braucht es dann auch noch...
Das Handeln.
Kleine Orientierungshilfe:
+) Wikipedia: Neue
Rechte
+) Wikipedia:
Wiener Akademikerball
-- [Imperium] -- |