25. Jänner 2014Es ist meist nicht leicht, mit meinen Leuten über den Faschismus und dessen
Konsequenzen zu reden. Das kommt vielfach daher, daß sich gerade unter den
kulturbeflissenen Schätzchen so manche ein extrem saloppes Verhältnis zu Faktenlagen
leisten oder es überhaupt für zu anstrengend halten, sich eine wenigstens etwas
fundierte Kenntnis vom Thema zu verschaffen.
Das hat im Augenblick allerhand mit Wien zu tun, wo die
Vaterlänischen in der Hofburg ihren Traditionsball hatten, was ich auch für
anstößig halte und was nach Einwänden verlangt.
Dabei tauchte natülrich unter anderem die Frage auf: Was
kann, soll oder darf ich mir denn heute unter einem Antifaschisten vorstellen?
Und wie könnte ich so eine Frage mit Leuten erörtern, die lieber in Polemiken schwelgen,
als zum Thema Faschismus einen geraden Satz herauszubringen?
Da bin ich dann schon froh, wenn ich Klartext zu hören
bekomme, auch wenns mir nicht freundlich gesonnen war, wo mir etwa ein Erregter mit
großer Geste der Erregung schreibt: den ich will kein teil einer solchen
discussion sein, sonder mich nur mit großem grausen abwenden.
Das ist berührende Befindlichkeitsprosa; daß
er sich von mir nicht bloß mit Grausen, sondern mit großem Grausen abwenden
muß. Aber warum solche Outrieren?
Er werde nicht müde Überlegungen wie meine abzuwerten.
das schlägt in die gleiche kerbe wie wir sind die neuen juden, die
linken sind die neuen rechten, linksextrem ist genauso arg, wenn nicht ärger,
wie rechtsextrem und ähnlich unvergorenem gehirnabfall.
Was er hier zitiert, besagt ungeschminkt, er assoziiert mich mit Rechtsextremen, Neonazis
und Vaterländischen. Die kommen näcmlich in Totalitarismus-Debatten mit genau solchen
Sätzen. (Ich bin also zuordenbar.)
Es gibt von mir Postings auf Facebook, in denen ich nach Kriterien
frage, die mir helfen können, Schlägertupps der Autonomen, des Schwarzen
Blocks etc. von der SA zu unterscheiden. (Ich habe mehrfach ganz bewußt die SA
als Referenzgruppe genannt.)
Ich wollte wissen, ob wir denn über Kriterien verfügen, dank derer wir zwischen Schlägertruppen,
Hooligans und Freiheitskämpfern unterscheiden können.
Ich hab danach gefragt, ob das Gewaltmonopol des Staates zur Disposition
stünde.
Auf diese Fragen (unvergorener Gehirnabfall) muß der Erregte also
nicht eingehen und will nicht müde werden, solches Denken und Fragen "abzuwerten".
Zweimal wirft er mir in seiner kurzen Post eine verhöhnung der opfer
vor.
Das ist kein kleiner Tadel, das ist ein geharnischter Vorwurf, den ich nicht ignorieren
werde.
Der Erregte nennt seine Gründe. Zum Beispiel meint er, ich dürfe eine
militärische organisation eines souveränen staates mit klarem tötungsbefehl hier
doch nicht mit ein paar radaubrüdern vergleichen.
Tu ich auch nicht!
Der Erregte verwechselt hier die SA mit der SS,
also die Sturmabteilung mit der Schutzstaffel.
Es sei also meine Fragestellung in diesem fall auch noch falsch. die SA war
keine gesinnungsgemeinschaft, sondern militärischer apparat, aber das nur am rande.
Dem möchte ich -- "nur am rande" -- energisch widersprechen. Die SS
war ganz sicher ein militärischer apparat, die SA ganz
sicher nicht.
Die SA hatte sich aus einem Saalschutz der NSDAP hochzuarbeiten
versucht, brachte es gerade noch kurzfristig zur Hilfspolizei und war vor
allem genau das: ein paar radaubrüder in Uniformhemden,
Schlägertypen, die nicht zu knapp auch die eigenen Leute terrorisierten und im
Gegensatz zur militärisch effizient aufgestellten und teilweise mit schwerem gerät
bewaffnete SS hauptsächlich den Job hatten, an der
Heimatfront die Oberhoheit in den Straßen und an Biertischen sicherzustellen.
Deshalb nenne ich sie als Referenzmodell für gegenwärtige Hooligans, die vielleicht
nicht den gleich strengen Dress Code pflegen, aber ebenso gewaltbereit durch Straßen
ziehen oder in Pubs revolutionäre Attitüden begießen, ohne dafür eine Ideologie zu
brauchen.
Ich muß noch einen weteren Einwand vorbringen.
Der Erregte unterstellt mir verhöhnung der
opfer (mutmaßlich des Nazi-Regimes), weil ich hier mit den mechanismen
des bösen nicht angemessen umgehe. Ich glaube dagegen nicht an solchen
Konzepte des Bösen.
Ich lese in der Post an mich, demnach sei ein
zeltfestschläger kein jeffrey dahmer, sind paintballspieler keine roten Khmer und sind
linke demonstranten mit steinen in der hand kein militärapparat, der massakrierend durch
Europa zieht.
Das ist eine interessante Argumentation, weil sie die SA tendenziell dämonisiert,
mindestens aber pathologisiert. Denn ein pathologischer Fall wie Jeffrey Dahmer (SA)
als Kontrastmittel zu Zeltfest-Schlägern (Autonome im Angriff), so zeichnet man
die Art der Bilder, von denen uns Hannah Arendt explizit abgeraten hat, falls wir
verstehen möchten, was Täter und den Nazi waren. (In der Mehrzahl keine pathologischen
Fälle und keine dämonischen Typen.)
Daß die SA ferne nicht massakrierend durch Europa gezogen
ist, konnte ich hoffentlich schon klar machen.
Meine Frage blieb offen; warum ich mir nämlich eine art gewalttäter-sekte als
antifaschistische heilsbringer verkaufen lassen soll. Denn ich habe zu betonen:
ich würde gerne in den debatten davon ausgehen, daß unsere regierung zwar
kritikwürdiger denn je ist, aber keine junta. die polizei hat problematische seiten,
denen sich ein demokratie widmen muß, aber sie ist keine soldateska.
ich sehe uns alle gefordert, einigermaßen inspiriert die sache der demokratie zu
vertreten. und zwar ganzjährig! dazu gehört eventuell auch, die eigene rhetorik ab und
zu zu überprüfen und die gerade gängigen begriffe auf ihren gehalt hin
abzuklopfen.
Eines will ich klargestellt wissen: Mir könnt Ihr trainierte und angriffslustige
Straßenkämpfer nicht als Antifaschisten verkaufen. Ich nehm Euch das nicht
ab. Bevor wir aus unseren Spießerexistenzen heraus diesen Kombattanten gefühlsduselig
applaudieren, möchte ich ein paar Takte über mögliche Kriterien geredet haben.
Und ganz unter uns: Dazu würde ich mich auch gerne mit Gene Sharp beraten. Post
Scriptchen: Weitere Post aus dieser erleuchteten Abteilung der Faschismus-Exegse
bitte direkt ans Salzamt!
Das zitierte Poststück als Screenshot: [link]
-- [Imperium] -- |