5. August 2013

So sehr ich die Wohltaten anderer Länder schätze, bleibt mir doch der selbst zubereitete Kaffee ein Maß der Dinge. Das hat mit einem bestimmten, sehr guten Wasser in einer konkreten Gegend zu tun. Und mit vertrauten Abläufen.

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Ich kenne nur selten einen besseren Tagesbeginn als jenen, der sich in Stille ereignet und mit ersten geschriebenen Sätzen sowie einer ersten Schale Kaffee verbunden ist. Eine Annehmlichkeit dieser Jahre, da mein Sohn längst ein eigenes Leben führt, was mich schon vor geraumer Zeit von den Versorgungsleistungen entbunden hat, die Kinder im Haushalt erwarten dürfen.

Aber ich mag es auch sehr, der Spur verschieden gemachter Kaffees durch mehrere Länder zu folgen. Das heißt für mich dann in der Regel: Balkan.

Es ist nicht gerade rasend schlau, Ende Juli auf den Balkan zu fahren. Zumindest wenn man es, wie ich, lieber etwas kühler statt heißer hat. Aber die laufenden Termine stehen eben nicht beliebig zur Disposition, meine Leute sind verstreut wie die Schwalben und die Wege, die Pisten, sind in den vergangenen Jahren merklich komfortabler geworden.

Auf mehrere Arten erfuhr ich in der letzten Woche, dies sei hier und das dort der heißeste Tag des Jahres gewesen. In Gazetten und im Web Zwo wetteiferten skurrile Menschen, wo es am heißesten gewesen sei, wer also am meisten gelitten habe.

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Ich bin ohne Neigungen für derlei Spielchen. Auf der Strecke röstet einen die Sonne so oder so. Es gab Abschnitte, wo mir sogar warmes Wasser vorzüglich geschmeckt hat. Das ist außergewöhnlich. Bosnien. Kroatien. Slowenien. Schon lange betrachte ich im Vorbeifahren die Landstriche in der Vorstellung, wo die Leute in welche Konflikte gegangen waren und wie sie es ertragen haben mögen.

Alle Propaganda verschweigt uns die gleichen Dinge. Daß etwa der Schußwaffengebrauch auch die Schützen beschädigt. Daß nur wenige Wochen auf dem Schlachtfeld genügen, um ganz normale Leute erschreckend zu brutalisieren. Daß die Waffengänge tiefe Traumata nach sich ziehen, die du aus den Menschen praktisch nicht mehr rausbekommst.

Wenn wir heute über „Kriegshelden" reden, können wir, zugegeben etwas herablassend, rundheraus sagen: Alles beschädigte Ware! Das büßen die Familien, die Kinder ohnehin, oft auch die Enkel. Wer das ignoriert, muß auf Dummheit oder gute Geschäfte schließen lassen. Wer das schönredet, sollte sich öffentlich dafür verantworten müssen.

Ich gehe solchen Spuren immer wieder nach. So auch in dieser hochsommerlichen Hitze, als ich nahe Pivka mit dem Kühler meines Wagens schon am Wachhabenden anstand. Der kam aus dem Häuschen mit den verspiegelten Scheiben und machte mir klar, daß sich das Museum etwas weiter oben befände, hier aber für Fremde kein Zugang sei.

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„Military Camp?" fragte ich. Er nickte und seine Kampfanzughose wirkte so tadellos, als wäre er gerade dabei, seine Tochter zum Maturaball auszuführen. Die vormals italienische Kaserne ist der Panzerwaffe gewidmet. Ein Teil aktiv, ein Teil Museum, und vermutlich beides, inklusive der tadellosen Kampfanzughose des Wachhabenden, Ausdruck des Selbstbewußtseins der jungen Nation Slowenien.

Auf dem Terrain dann hauptsächlich amerikanisches Gerät aus dem Zweiten Weltkrieg, mit welchem einst unter Tito die damals neue Volksarmee ausgestattet wurde. Außerdem russisches Gerät der späteren Jahre.

Dies ist nun eigentlich mein erstes Blatt zu den "Balkan Sessions", mit denen ich in etlichen Überlegungen von den "Styrian Sessions" [link] mit dem Duo "diSTRUKTURA" weitergehe. Es ist demnach zusammenhängend zu lesen. Als weitere Schritte auf unserem Weg zum heurigen Kunstsymposion, das wir im kommenden September realisieren.

Wir pflegen unsere Debatten und Betrachtungen vor dem Hintergrund jenes jüngsten EU-Beitrittes, in dem Kroatien bekräftigt hat, was dort seit Jahren auf breite Anhängerschaft abgestellt ist: "Wir wollen mit dem Balkan nichts zu tun haben."

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Entsprechend politisch fragwürdig kommentierten einige unserer Presseleute Kroatiens EU-Beitritt als "Heimkehr nach Europa". Siehe dazu den Eintrag vom 10. Juli 2013: [link]

Ist da nur mir schlecht geworden? Ziehen wir einfach die alte Militärgrenze der Habsburger wieder hoch? Bauen wir eine Mauer und schreiben wir den seit jeher strukturschwachen und daher armen Süden ab? Ist es das, wie ein neues Europa sich ordnen möchte?

Da hab ich eine Überraschung für die arroganten Leute nördlich davon. Sobald zu viele junge Männer keinerlei Aussicht haben, sich selbst und eine Familie zu erhalten, sobald spürbare Not sich in die Leiber frißt, beginnt sich eine brandgefährliche Formation zu bilden.

Wir wissen das nicht erst seit hundert, sondern seit tausend Jahren. Junge Männer ohne Zukunft werden ab einer gewissen Anzahl erst zu Waffenträgern, dann sehr schnell selbst zu Waffen. Sie tragen ihre Sprengkraft über kurz oder lang dort hin, wo man sie nicht hören wollte.

-- [the balkan sessions] --

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