5. Juni 2013 Norman Bel Geddes war ein amerikanischer Industrie-Designer von enormem
Einfluß. Seine inhaltliche und gestalterische Arbeit für das "Futurama",
mit dem General Motor's auf der New Yorker Weltausstellung von 1939 zeigen
wollte, wohin die Reise gehen möge, ist gewissermaßen nur eine Skizze gewesen.
Mit dem Buch "Magic Motorways"
hat Bel Geddes detaillierter ausgeführt, was er sich vorstellte und wovon er es
herleitete. An einer Stelle schrieb er: "The book is a description of the
exhibit, just as the exhibit is an illustration of this text."
Für mich ist die Lektüre seiner Texte ein
verblüffendes Erlebnis, weil sie nachvollziehbar macht, was in den 1930er-Jahren
technisch und ideologisch zusammenfand, um Visionen entstehen zu lassen, die vollkommen
unbelastet waren, was ökologische oder geopolitische Fragen angeht, auch etwa das Ringen
um Energiequellen und um ausreichenden Platz für Automobile.
Das Buch macht deutlich, welchen Gedanken und
Zusammenhängen sich Proponenten der damals jungen Fahrzeugart widmeten, um adäquate
Bedingungen herbeizuführen, um dafür Verständnis, Bedarf und Legitimation zu schaffen.
Bel Geddes bezieht all das auf zwei
menschliche Grundbedürfnisse, jenes nach Kommunikation und jenes nach Reichweite in der
Mobilität. Er konstatiert: "A free-flowing movement of people and goods across
our nation is a requirement of modern living and prosperity."
QUELLE: "MAGIC
MOTORHIGHWAYS"
Modern und prosperierend zu sein, darum ging
es auf allen Ebenen. In seinen Betrachtungen der Städte, Siedlungsräume und des
Kontinents nennt Bel Geddes zwei wesentliche Referenzen, gemäß derer er das Land
durchmessen und in bestehende Orte eingreifen will. Die Pfade der Indianer und die Trails
der Bisons. Vor allem die alten Routen der Büffel sieht er als Basis von
Überlandstraßen.
Hier bin ich also nun in einem Kernbereich
jener Mythenbildung, die uns inhaltlich und formal den "General-Fetisch" beschert
hat, der dominanter Angelpunkt einer Massenkultur ist, welche wir seit den 1930er-Jahren
leben. Diese Massenkultur hat in Europa und in den Staaten durchaus markante Unterschiede,
aber auch ein Menge an Schnittpunkten sowie gemeinsamen Quellen.
Wie passend, daß mir mitten in diese Lektüre
vorgestern ein Anruf von Roman kam. Da waren wir allerdings grade etwas zu weit
auseinander, um ein anschauliches Praxisbeispiel in diesen Zusammenhängen auf den Punkt
bringen zu können.
Gestern paßte es dann aber und Roman stellte
mir den H1 vor die Haustür. Es gibt, je nach Genre, unterschiedliche Anwärter auf den
Rang der dominanten "Macho Machine". Im Bereich Road/Track
wäre das wohl die Dodge Viper. (Supersport-Exoten zählen da nicht.)
Im Offroad-Bereich läßt sich der
Einser-Hummer derzeit nicht toppen. Er ist seinem militärischen Vorläufer, dem Humvee,
fast baugleich, steht also einem Fahrzeugtyp am nächsten, für den es im urbanen Alltag
eigentlich keine Verwendung gibt.
Es ist natürlich eine kinetische Sensation,
dank entsprechender Ingenieurskunst und wohlwollender EDV so einen Dreieinhalbtonner durch
die Gegend zu schmeißen, ohne dafür ausreichend trainiert zu sein.
Der 6,5 Liter-Turbodiesel liefert dem Hummer
Kraft und Drehmoment, die haben früher für eine kleine LKW-Flotte gereicht. Seine hart
geschnittene Form und sein Lastwagenformat sind auf der symbolischen Ebene natürlich ein
martialisches Statement, das zusätzlich aus ungezählten Actionfilmen aufgeladen wurde.
Schweigen wir darüber, was die Fuhre säuft.
Das radikale am Hummer-Auftritt ist ja vor allem, daß er, vom
Nutzfahrzeug-Sektor herkommend, sozusagen "volkstümlich" ist, leger und
proletarisch. Doch er verlangt das demonstrative Verbrennen von Geld, was über die
letzten tausend Jahre ein Vorrecht und Statement des Adels sowie wohlhabender Eliten
gewesen ist.
Es ist also für uns nicht nur Technologie-
und Kulturgeschichte zu bearbeiten, wir haben es hier auch mit einem teilweise sehr
verwirrenden Kräftespiel sozialer Kontraste und Inszenierungen zu tun. (Der Hummer
unter "Avantourismus": [link])
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