9. Dezember 2012

Mit der Aussage "Ich bin ein Bürger" sollte gesagt sein: "Ich bin kein Untertan, wie es mein Urgroßvater gewesen ist, kein Leibeigener. Ich hab keinen Kaiser als Herren, wie mein Großvater ihn hatte. Ich bin kein Gefolgsmann der Tyrannis, wie mein Vater es war. Ich habe Bürgerrechte. Ich bin der Demokratie und den Menschnrechten verpflichtet. Ich bin Herr meiner Begriffe und meiner Rechte."

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Das heißt es, ein Bürger zu sein. Dazu sind keine Lifestyle-Variationen nötig. Ein "Mutbürger" sein zu wollen, das ignoriert die Lektion, wie sehr Freiheit ohnehin und seit jeher Arbeit macht und Mut verlangt, was konstituierend sein sollte, wenn man sich als Bürger versteht.

Wir kennen das Gegenteil davon, es stand unter der zynischen Losung "Arbeit macht frei". Das war über den Toren etlicher Konzentrationslager geschrieben.

Ich brauche mich aber auch nicht als "Wutbürger" zu gerieren, denn das würde bloß betonen, wie sehr und wie lange wir alle die Politik den Politik-Profis überlassen haben, wie sehr wir es in den Händen anderer ließe, unseren Wohlstand zu verwalten. Darüber wütend zu sein, das verstehe ich. Aber es zielt eben in die falsche Richtung.

Die Wut, welche sich so äußert, ist in hohem Maße eine, die aus dem eigenen Versagen kommt, aus dem Versagen einer zivilen Öffentlichkeit. Das hat viele nachweisbare Quellen. Eine davon ist, daß wir als Gesellschaft ab den 1980er-Jahren uninteressiert bis ratlos zugesehen haben, als quer durch Europa  eine "Neue Rechte" begann, sich auf die Wege in Gemeindestuben und Parlamente zu machen. Wie viele Tote diese Enkel des Faschismus inzwischen verursacht haben, ist ungezählt.

Parallel fanden sich gebügelte und gstriegelte Leute in politichen Ämtern, die keine Scheu haben, eine Republik auszuplündern. "Wutbürger" sind also unter anderem jene Wohlstandskinder, denen eben ein unangenehmes Erwachen geblüht hat, als offensichtlich wurde, wer da alles in unseren Ämtern dient und unsere Regierungsgeschäfte betreibt.

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Jüngster Schwank: Eine Salzburger Landesbeamtin verzockt über Jahre rund 340 Millionen Euro und niemandem geht das Geld ab. Siehe dazu: "Salzburg kein Einzelfall" [link]

Ich habe im vorigen Eintrag ein Beispiel für kulturelle Besinnungslosigkeit genannt, jenes fröhliche Völkchen, das sich in Graz 2011 eine "Oase des Aufstandes" gegönnt hat. Dabei kann ich nicht müde werden zu betonen, daß es ein Koloman Wallisch war, der im Steirischen schon in den 1930er-Jahren die Markierung gesetzt hat, durch sein Handeln zeigte, was "Aufstand" bedeutet.

Dagegen ist das Gewinsel meiner Leute vom "geistigen Aufstand" ein schlechter Witz. Der ist überdies nicht nachweisbar. Er müßte sich ja in Diskursen und Texten, in auffindbaren Streitschriften und geistreichen Pamphleten niedergeschlagen haben. Wo?

Jetzt hab ich allerdings was zur Sache gefunden. Schriftsteller Franzobel bekannte im "Standard": "Ich bin ein Zornbürger".

Da erzählt er allerhand über den Zustand der Welt. Er redet auch von einem "überparteilichen Korrektiv zum Kapitalismus", konstatiert, in Österreich würden "Grant, Neid und Missgunst" regieren und kommt zwischendurch zum Schluß: "Mich schockiert, das Frank Stronach mit demokratiepolitischen Aussagen in Umfragen bei 15 Prozent liegt."

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Quelle: "Der Standard", 7.12.12

Uups! Stronach? Schockiert? Ich hab mich doch vor wenigen Tagen erst gewundert, daß der Franzobel den Stronach hofierte, sich in seinem Licht sonnte. Bei meiner Befassung mit dem Arbeitsstil von Philosophin Monika Wogrolly, deren Beiträge zur Heimatkunde sich etwa in der Zeitschrift "Living Culture" ausdrücken, hatte mich erstaunt, daß sich Franzobel an Frank ranschmeißt. Quelle: [link]

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Wer sich die Ausgabe #22 als PDF downloaded und durchsieht, staunt vielleicht allein schon beim Cover über den Hinweis, daß sich Franzobel in die Einserpanier gehaut hat, um mit Modeschöpfer LaHong, Intimus von Mausi Lugner & Co, im Casino zu chambrieren.

Neid? Ich? Lustig! Steck mich in einen Anzug mit Krawatte: Harte Strafe. Schick mich ins Casino: Strafverschärfend, tödliche Langeweile. Gib mir Schnatter-Meister LaHong zur Zeite: Bitte, jetzt lieber Einzelhaft! Aber das sind private Befindlichkeiten ohne hohe Aussagekraft.

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Auf Seite fünf des Blattes sieht man die zwei Männer posieren, sich im sauberen Lack eines teuren Autos spiegeln... So also der "Zornbürger" Franzobel, dem wir heute eine großformatige Expertise über Stronach, Kapitalismus, Bildungsfragen etc. verdanken.

Ich spare mir hier jeden weiteren Kommentar zu dieser Art heimischer Intelligenz, aber Sie können sich denken, was ich mir denke.

Mir macht das nun keinen all zu großen Kummer, weil ich längst von der Annahme ausgehe, daß sich ein paar Basisformen des Feudalzeit keineswegs erledigt haben. Bei Hofe gabs immer die besten Positionen, die besten Jobs. Da hat sich manch einer zum Lakaien gemacht, um eine Chance zu kriegen.

Dieses Setting ging zwar 1919 den Bach runter,  fand aber kurz darauf ein Revival, als Rotzbuben in braunen Hemden meinten, das könnten sie auch hinkriegen: Große Vorteile für eine Minorität auf Kosten der Massen.

Freilich verspüre ich einige Betroffenheit, wenn ich erlebe, daß sich in meiner Generation, unter den 1950er- und 60er-Jahrgängen, so viel Heuchelei auftut. Das schmerzt mich, aber dieser Schmerz ist letztlich Privatsache.

Öffentliche Sache ist dagegen, wenn sich vom Kunstfeld her Leute als eine Deutungselite exponieren, die dabei entsprechende massenmediale Zugänge nutzen und in ihrem Auftreten eine Art Fälscherwerkstatt betreiben. Das verlangt nach öffentlichen Einwänden.

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