6. Dezember 2012

Meine triviale Kinowelt ist voller falscher Russen. Diese traurige Geste, wenn jemand mit deutscher Synchronstimme sich um einen russischen Akzent bemüht. Das ist, neben arabischen Andeutungen, der dominante Typ unter den Bösewichtern.

Besonders amüsant sind die falschen Russen, wenn sie miteinander schlechtes Deutsch statt flüssiges Russisch sprechen.

Kürzlich hatte ich einen Sonderfall vor mir. Der Bösewicht war erklärtermaßen Serbe, hieß auch mit Vornamen Nikola, was hinkommt, und sprach sehr passend mit seinesgleichen... irgendwie Slawisch. Aber sein muttersprachliches Reden bekam einfach nicht die Kurve.

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An einer Stelle ging dann ein "dawai" mit ihm durch, was ja ziemlich gar kein Serbisch ist, das wissen alle, die je eine Konsalik-Verfilmung gesehen haben. Dawai! Russisch für: Gib! Mach! Los! Da haben wir also einen falschen Russen, der einen falschen Serben gibt.

Das sind etwas verwirrende Verhältnisse in der Bösewichter-Wirtschaft, wie wir sie in unserer Stereotypenkiste pflegen. Als gescheite Reflexionsviecher durchschauen wir das natürlich, ahnen auch: Es ist der slawische Mensch an sich, dem wir mißtrauen müssen, egal aus welchem Winkel er kommt.

Das möchte man ja alles gar nicht glauben, ehe man Menschen begegnet, die unübersehbar für Fakten halten, was ihnen Spielfilme als Sachverhalte anbieten. Worauf stützen wir nun unsere Ansichten und unsere Vorstellungen von der Welt?

Während solcher harmlos anmutenden Reflexionen lese ich, daß in Syrien gerade Sarin in Bomben gefüllt wird, daß also ein Regime gegen sein Volk Nervengift einzusetzen gedenkt. In einem anderen Winkel schlagen Revolutionsparteien einander gegenseitig tot. Das sind jene Kräftespiele, von denen Leute aus meinem Milieu voriges Jahr ihre "Oase des Aufstands" abgeleitet haben.

Dieses Liebäugeln mit widerständischen Entwicklungen, die dann oft in ihrer Grausamkeit gerade noch von einer marodierenden Soldateska übertroffen werden können, erscheint mir ziemlich beunruhigend.

Ich empfinde heute noch Unmut über die Anmaßung und Verstiegenheit, in der sogar die Grazer "Grüne Akademie" solche Blödheiten promotet hat: "Oase des Aufstands -- Mit Kulturellen Erfrischungen..." [Quelle]

Allein diese Formulierung ist atemberaubend. Und es müßte auffallen: Die "kulturelle Erfrischung" paßt ja hervorragend zum boomenden "Kulinarik-Schwerpunkt", den kulturelle Vorhaben in der Steiermark rundum immer stärker abbekommen.

Aufständisches. Die kurze Zeit so lärmende "Plattform 25", steirisches Trägersystem solcher Boulevardisierung ernster Themen, ist inzwischen ja weitgehend verstummt. Ich hab hier noch eine Notiz herumliegen, die auf rührende Art illustriert, wie geharnischt sich meine Leute der Welt zuwenden; oder einander. Oder...

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Der Folkmusiker Oliver Podesser hatte auf Facebook avisiert, sich gemeinsam mit anderen zu empören. Der Volxmusiker Michael Krusche gratulierte ihm dazu und betonte, wenn er auch fern sei, wäre er mit ihm.

Das oktoberliche Engagement nahm eine rüde Wendung. Folkmusiker O.P. verlautbarte, er "...hat sich heute empört, nämlich darüber wie unsensibel man/frau eine derartige veranstaltung machen kann ( Tag der Empörung/ Mariahilferplatz), ich habe mit kurt bauer an der geige richtig gut musiziert und nichteinmal ein Danke gehört, geschweigedenn etwas zu trinken oder zu essen bekommen, keine zufahrtsmöglichkeit zur bühne, irgendwann reicht es, wenn man als Profimusiker sich in den Dienst einer guten Sache stellt und so behandelt wird, mich braucht keiner mehr anrufen, bin wirklich sauer"

Volxmusiker M.K. erläuterte: "Des is normal, de Rückmeldung kriegst nie, de schnalln det anmol um wossas do geht, de hobn nur des Ihre im Schädl und büdn si no ein, für die Allgemeinheit wos z`tuan. Sog in Kurtl, Grüsse, und jetzt kanna sie vielleicht vuastölln, wos i gmant hob"

Der Folkmusiker O.P. quittierte: "danke michl, präziser kann man es net formulieren!!!!"

Der Lauf der Dinge erbrachte so eine geradezu unübertreffliche Schilderung dessen, was Aufstand und Revolution im Österreich unserer Tage den Menschen abverlangen: "... und nichteinmal ein Danke gehört, geschweigedenn etwas zu trinken oder zu essen bekommen"

Aber was hab ich nun über all das zu räsonieren? Seit einigen Wochen befasse ich mich hier mit dem, was ich dem Genre "Spießer und Mittelschicht-Trutschen" zuschreibe. Klären wir doch, wovon wir reden und worüber wir reden. Klären wir doch, was wir mit den Begriffen meinen.

Was die "Aufständischen" meines Milieus betrifft, die hungernden und dürstenden "Revolüzzer", da vermute ich, daß sich folgende Annahme kaum vermeiden läßt: Wer keinen Mumm hat, sich Steine in die Taschen zu packen, um damit und mit bloßen Händen gegen bewaffnete Verbände loszuziehen, macht sich in der Anmaßung des Aufständischen bloß lächerlich.

Es müßte eigentlich eine wenigstens flüchtige Kenntnis der Geschichte Europas während unserer eigenen Lebenszeit völlig genügen, um Referenzpunkte zu bieten, um zu beurteilen, was die Dinge sind, was Aufstände und Aufständische sind. (Wir alle auf jeden Fall nicht!)

Demnach müßten diverse Kraftlackel-Attitüden vermutlich entfallen, große Töne der genannten Art unterbleiben. Bliebe zu klären, welche zivilen Strategien und Verfahrensweisen uns bleiben, um den Zustand der Demokratie in Ordnung zu bringen...

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