30. Oktober 2012

Ich mag es, den ersten Schneefall zu notieren, obwohl nichts weiter dran ist. Also, da ist es, eben geschehen, nun notiert. Was noch? Weiter in meinen Überlegungen der letzten Tage.

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Ich hab am 17. Oktober 2012 vermerkt: „Auf einen kleinen Bericht zum Verlauf des Baumgartner'schen Überschallsprungs folgt unmittelbar einer über den Einsatz von Streubomben in Syrien..."

Es geht ja nie bloß um die einzelne Story, sondern um das Enseble innerhalb eines Zeitfensters. Anders ausgedrückt: Mich interessiert an solchen Ereignissen meist nicht so sehr der einzelne Vorfall, sondern was die Sache in einem größeren Zusammenhang bedeuten oder bewirken mag.

Das zeigt heute in vielen Fällen, die mediale Aufbereitung ist wie eine gigantische Linse, ist eine Camera Obscura, durch deren Projektion das reale Geschehen eine ganz andere Realität wird.

Ich habe in den vorigen beiden Tageseinträgen begonnen, an niedlichen Beispielen deutlich zu machen, was ich in öffentlichen Mitteilungen einer kleinräumigeren Gesellschaft an frischen Spießerattitüden wahrnehme. Genauer, ich vermute das Reüssieren eines zeitgenössischen Spießertums, wie es Peter Sloterdijk vor ein paar Jahren schon reflektiert hat.

Er ortete eine "Weltverschwörung der Spießer". Eine Verschwörung ist es bei uns freilich nicht, aber eine Kumpanei mag schon fortgeschritten sein. Sloterdijk meint ja auch offenbar keine Konspiration, sondern hat das als Metapher angewandt: „Was heute Krise heißt, ist die Weltverschwörung der Spießer." [Quelle]

In seinem Räsonieren beton er einen interessanten Aspekt: „Man fühlt sich inmitten der planetarischen Turbulenz um das wirkliche Drama betrogen. Da ist nicht eine einzige Figur aufgetreten, die die Krise personifiziert, kein farbiger Schurke, kein Shylock..."

In dieser Sache treffen wir uns nun. Hier ist ein Aspekt, der das Klein- und Großräumige offenbar verknüpft. Das bedeutet zum Beispiel, kleine, farblose Figuren drängen sich auf Bühnen und blähen ihre Silhouetten auf. Solche Trends dominieren nicht bloß Fernsehprogramme wie die von ATV, wo völlig unerhebliche Menschen in banalen Ausritten, etwa während eines „Saurday Night Fever", sich als Quasistars gerieren. (Sie möchten quasi Stars sein.)

Wie aufschlußreich, daß wir den Begriff „Starlet", also Sternchen, aufgegeben haben und inzwischen selbst Minimalgrößen, also kulturelle Vollzwerge, als „Stars" promotet werden. Gut. Oder schlecht. Diese Tendenzen sind Faktum. Es könnte wenigstens das heimische Feld Kunst- und Kulurschaffender eine klare Gegenposition zu solchen Kuriositäten ergeben.

Wie eingangs erwähnt, ich nehme meist nicht so sehr an einzelnen Handlungen Maß, sondern an dem größeren Bild, das sich aus mehreren Momenten ergeben mag. Da verdichtet sich in jüngster Zeit etwas.

Die Beispiele Wogrolly und Wolfmayr hab ich schon erwähnt. In dieses Ensemble paßt eine jüngere Frau, die heuer in einem oststeirischen Literaturwettbewerb prämiert wurde.

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Bei ihr fand ich auf Facebook eine „Sido-Devotionalie", mit der die Schnattermaschine Dominic Heinzl in die Versenkung gewünscht wird, nachdem beide, er und Sido, die Bühne verlassen mußten.

Was war geschehen? Heinzl und Sido hatten eine Differenz oder auch nicht, die Sachen wurde nur genau kolportiert. Jedenfalls schlug Sido den Moderator mit der Faust nieder. Nicht nur der Pöbel applaudierte, auch in meinem Milieu brandete Zustimmung auf.

Nun haben wir zwar weltweit enorme Probleme mit jungen Männern, die sich nicht beherrschen können und das Zuschlagen als männlichen Akt zelebrieren, aber das macht ja nichts. Diese Kerl-Nummer wird breit akklamiert, dieser Zusammenhang massenmedial promotet, damit entsteht ein desaströses Kräftespiel der Legitimation solcher Handlungsmuster. (Massenmedien, Linse, Camera Obscura...)

Was ist das mit dem Zuschlagen? Früher rotteten sich die Kerle zusammen und sangen dazu auch noch „SA marschiert...", heute ist Rap die bewährte Begleitmusik, die schneidigen Burchen und der "Primat der Tat" kommen keinesfalls aus der Mode.

Fußnote:
Das war eben ein Fragmentchen aus dem Horst Wessel-Lied, wo es heißt: „Die Fahne hoch! / Die Reihen dicht geschlossen! / SA marschiert / Mit ruhig festem Schritt..." Und dann, wie mein Großvater, ein großmäuliger SA-Mann, zu erzählen wußte, wurde zugehauen...

Wenn ich solche Zusammenhänge zur Debatte stelle, kommt aus eben meinem Milieu, aus vertrautem Umfeld, mancher Einwand. Etwa, ich könne doch über solchen Lappalien nicht die „Faschismuskeule" schwingen. (Das ertönt bedauerlicherweise oft von Leuten, die keinen Tau haben, was sie meinen, wenn sie „Faschismus" sagen.)

Daß nun heute, in eben meinem nächsten Umfeld, das Ideal des soldatischen Mannes restauriert wird, und zwar in einigen Kernpunkten mit den gleichen Accessoires und in den gleichen Zusammenhängen, wie schon die historischen Vorläufer gefielen, ist ein wenig gruselig. Und es ist vor allem... Ausdruck einer sich verbreiternden Spießer-Kultur.

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