4. September 2012Es wird, so höre ich, eine Umfahrung werden. Ich hab es für einen
Kanal gehalten, eine Wasserstrecke, denn für eine Fahrbahn erschien es mir zu schmal.
Aber von der Eisenbahn aus sieht hier alles ganz anders aus als durch die
Windschutzscheibe eines Autos betrachtet.
Der Korridor zwischen Weiz und Gleisdorf ändert sich stets
in seinen Details. Ich hab mir die Routen nun in mehreren ihrer Varianten angesehen.
Zugegeben, der Großteil eines halben Tages ist weg, wenn man auf die Art Erledigungen
macht, Busse oder Eisenbahn nutzend
Unser zügiges Bewegen des Laufs der Dinge basiert sehr
wesentlich auf individueller Mobilität. Die scheint den meisten Menschen immer zu langsam
zu sein, egal, welche Mittel zur Verfügung stehen. Ich konnte das eben in
vollelektrischer Version kennenlernen. [link] Noch keine neue Option gegenüber den Verbrennungsmotoren, aber
ein Vorbote, um einmal erleben zu können, daß auch Anderes denkbar wäre.
Denkbares. Wenn es sich genau beschreiben ließe, müßten
mehr als 30 Jahre herauskommen, in denen ich nun erleben, wie das Denken ausdauernd
desavouiert wird. Kopflastig. Das ist ein Schimpfwort. Das ist ein altgedienter Vorwurf.
Kopfmenschen. Intelligenzler. Intellektuelle.
Jahrzehnte ging das jetzt, da das Füüüühlen als
superior ausgerufen wurde. Dabei darf ich bescheiden anmerken: Fühlen kann ja nun jeder
Depp, aber das Denken...
Muß ich annehmen, der Zustand unserer Welt sei das
Ergebnis strikt rationaler Prozesse? Wenn ich mich in meinen Betrachtungen auf Österreich
beschränke, dürfen wir uns zur Zeit an einer Reihe von Untersuchungen und gerichtlichen
Vorgängen erfreuen, die Menschen gewidmet sind, von denen schon einigen das Ausplündern
der Republik nachgewiesen werden konnte. Kopfmenschen, die ihre Habgier nicht unter
Kontrolle kriegen? Im Verstand kann das wohl nicht wurzeln.
Genau solche Zusammenhänge rütteln momentan das ohnehin
längst pleite gegangene Bundesland Kärnten, in dem die Verbündeten einiger
mutmaßlichen Diebe seit Wochen Neuwahlen blockieren und für schuldig Befundene ihr
Comeback in der Landespolitik verlautbaren.
Intellektuelle? Kopfmenschen? Pardon, das basiert auf ganz
irrationalen Konzepten. Das ist eine "Politik der Gefühle", die der Vernunft
spottet. Derlei finde ich auch in anderen Lebensbereichen. Ich ermüde schon beim Gedanken
an die Erstellung einer wenigstens flüchtigen Liste von menschlichen Merkwürdigkeiten...
die wir alle den "Kopfmenschen", den "Intelligenzlern" verdanken?
Sicher nicht!
Es wird sich wohl eher belegen lassen, daß das Blüten und
Perlen von Gemütsmenschen sind, erlesene Exemplare der Fühlenden, denen genau das,
FÜHLEN, keine Probleme bereitet, aber das konsequente Denken, auch als Reflexion ihres
Tuns, lästig fällt.
Mir scheint, deshalb boomt in jüngster Zeit auch die
"gefühlte" Geschwindigkeit, die "gefühlte" Kostenbelastung, die
"gefühlte" Arbeitszeit etc. etc., es wird also die Faktenlage gar nicht erst
bestritten, sondern gleich proklamiert, daß ein "Gefühltes" jemandem mehr
bedeutet. Fein! Das hilft ja exorbitant in der Verständigung unter Menschen... Da
spricht, nein: schnattert ein "Super-Ego", das sich dreist zum
Mittelpunkt des Universums erklärt.
Ich denke, es ist bei uns ein Erbe des Faschismus, denn die
Nazi-Schnösel haben Intellektuelle verachtet und bekämpft. Die Gründe dafür sind
vielfältig, einige davon höchst durchsichtig. Wer unter Leuten, die zur Reflexion fähig
sind, hätten ihnen ihren pathetischen Schwampf und die räuberischen Methoden abgekauft?
Ich bin so frei, zur Zeit wieder verstärkt auf
konsequentes Denken zu setzen und die Bedingungen der gelingenden Denkakte zum Thema zu
machen. Das Denken, das Schreiben, der Text. Wie bewältigt man Komplexität? Kann man
ohne Papier begreifen?
Was wird aus unserem Denken, wenn wir das Prozessieren des
Denkens teilweise an Maschinen übergeben, die nicht einmal mehr Druckknöpfe haben? Um
solche und verwandte Fragen geht es morgen im Gleisdorfer "einraum" bei
einer weiteren Konferenz in Permanenz:
the track: axiom
Von und mit Martin Krusche
[link] |