26. Februar 2012

Nach antiken Auffassungen führt die Krisis zur Katharsis. Das ist natürlich für Fortgeschrittene. Im Alltag, den ich auch als Zone des Banalen brauche, reicht oft schon, daß sich manche Fragen von selbst erledigen und daß sich einige Fragen beantworten lassen.

Mein Berufsfeld (Künstler) ist im jüngsten Lauf der Dinge gründlich durcheinander geraten. Ich merke, es rundet sich längst ein Jahr, daß ich als Künstler kaum noch bei der Sache sein kann, weil das Abfangen diverser Einbrüche des Metiers fast alle Kräfte bindet.

Ich beklage das gar nicht übermäßig, denn es ist eine spannende Zeit, die einen hellwach macht und sehr ermüdet. Zugleich scheinen das Monate zu sein, in denen meine Generation in der Steiermark offenlegt, was ihr künstlerisch und kulturpolitisch gelungen ist, was dabei allenfalls fehlt, offen blieb.

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Kaum etwas verblüfft und irritiert mich so sehr, wie eine Serie in der "Kleinen Zeitung", die als "Speaker's Corner" aufgemacht ist und die Frage "Kulturpolitik - quo vadis?" zum Thema hat. Nur ein geringer Teil der inzwischen schon umfangreichen Beiträge liefert kohärente Aussagen zur Fragen der Kulturpolitik

Ich will gar nicht erst erwähnen, wer sich zu derlei Gelegenheitspoesie und Ausflüchten wie dem Nebenstehenden aufrafft. Das ist aktive Diskursflucht. Vieles davon erschöpft sich leider auch in Gemeinplätzen, die vor allem ganz generell der Verwaltung und der Politik umgehängt werden. Sehr aufschlußreich, welche Instanzen in diesen Erörterungen ausgespart bleiben. Manche nutzen das Fitzelchen Öffentlichkeit gerade noch zu etwas Lobbyarbeit für das eigene Projekt. Oder man stolpert über solche Debatten-Glanzstücke: log1810b.jpg (17056 Byte)

"Aber grad deswegen, weil's vorher gar niemand g'wusst hat, dass es so was gibt, grad deswegen mach ma das jetzt, damit's olle wiss'n, was ihnen ansonsten entgangen wär!"

Ich kann eigentlich gar nicht glauben, was mir da eine Notiz vom 15. Februar aus dieser Serie überliefert. Die Aufzählung ließe sich fortführen, wenigstens die Hälfte der Beiträge sind von einer Befindlichkeitsprosa dominiert, die mir weder einen brauchbaren Befund über den Status quo des Kulturbetriebes liefert, noch den Mut gibt, von meinen Leuten anzunehmen, daß sie mit ihren Optionen schon auf der Höhe der Zeit angelangt wären.

Gut, es ist müßig, darüber weiter zu räsonieren. Die Dinge sind was sie sind, daran kann eigentlich noch nichts falsch sein. Eine Demokratie darf eben auch Operette machen. Ich hab eben "Fast eine Grabrede" verfaßt, um eine Ansatz zu finden, meine Aufmerksamkeit neu zu fokussieren.

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Bei diesem Herumjustieren meines Fokus' kam ich auf eine bemerkenswerte Interessensgruppe. Die "Amici delle SVA" [link] befassen sich mit den markanten Problemen, die wir EPU-Leute mit der Sozialversicherung haben, deren Modus uns diesen Dienstleister, den wir uns ja nicht aussuchen können, zu einem hochrangigen Konkurs-Risiko macht. (Siehe dazu auch den Eintrag im Projekt-Logbuch!)

Auf Facebook sind da momentan mehr als 3.000 Leute versammelt. Also habe ich gefragt, ob in dieser Community auch Kunst- und Kulturschaffende aus der Steiermark vertreten sind. Es meldete sich ein Kulturvermiittler und eine Kunsthandwerkerin. Das war's.

Ich hab auch bei der steirischen "Künstler*innenhaus"-Community mehrmals nachgefragt, welche sozialen Modi da präsent sind. Schweigen! Eisern! Ich nehme diese Details als weitere Hinweise dafür, daß wir uns in diesem Metier über einen sehr kontraproduktiven Image- Schwindel definieren.

Die propagandistische Andeutung, "freischaffende" Künstlerinnen und Künstler seien die Creme der Branche, trifft sich mit der traurigen Klamotte, daß auffallend viele Leute diesen Modus "freischaffend" simulieren, obwohl der NICHTS über künstlerische Qualitäten aussagt, weil er eine SOZIALE Kategorie betrifft.

Der große Nachteil dieser dümmlichen Inszenierung: So fehlt uns eine klare Vorstellung von der realen Vielfalt der Erwerbsformen und Berufsbilder, in denen Kunstschaffende praktisch wirken und ökonimisch überleben. Derlei wird verschämt im Dunkel gehalten. Das ist ein enormer Nachteil in jeder kulturpolitischen Debatte, weil auf solche Weise die Bedingungen verschleiert werden, die wir zu verhandeln hätten.

Siehe dazu auch: "Kunstschaffende, die rein aus ihrer Kunstproduktion ein annehmbares Jahreseinkommen erwirtschaften, sind in Österreich die Ausnahme. Solche Leute können sie in vielen Genres mit der Lupe suchen. ..." [Volltext]

Kuriositäten dieser Art in unserer Branche machen dann auch deutlich, warum in der Erörterung der steirischen Kulturpolitik oft so eine General-Operette läuft. Vielleicht heißt das aber auch bloß, wir haben zu begreifen, daß das Kunstfeld SOZIAL deutlicher denn je in einen Profi-Bereich und in eine Hobby-Liga geteilt ist.

Das basiert auf unterschiedlichen Intentionen und führt zwangsläufig zu divergierenden Erwartungen an Politik und Verwaltung, an "die Gesellschaft", was weiß ich. Ich denke, das Spannende an diesem anstrengenden Prozeß ist ein Kontrastgewinn der verschiedenen Genres.

Ich halte natürlich an der Vorstellung fest, daß angemessene kulturpolitische Rahmenbedingungen im öffentlichen Diskurs errungen werden müssen und daß wir selbst in die Lage kommen müssen, dabei Phrasendrescherei und Geschwätzigkeit auszuscheiden. So gesehen würde der oben erwähnte "Speaker's Corner"  vermutlich einen Neustart brauchen.

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