14. Juni 2011 Nein, das ist kein Schadensfall. Diese Honda Civic hat Schwenktüren verpaßt
bekommen, wie man sie sonst nur bei sehr teuren Supersportlern findet. Wenn es also für
einen Lambo nicht reicht, kann auch ein japanischer Keil Sehnsüchte stillen.
Radikaler Aufstieg oder Surrogate. Auf dem Terrain der
trivialen Mythen sind die Dinge so gut überschaubar und weitgehend einfach angeordnet.
Auf dem Kunstfeld hab ich es komplizierter. Vielleicht deshalb meine deutlichen
Affinitäten zum Reich der simplen Sehnsüchte. Ganz so einfach gestrickt ist die Sache
natürlich auch nicht.
Ich hab am Wochenende auf dem Grazer Zentralfriedhof das
Grab des Fabrikanten Johann Puch gefunden. Der vormalige Keuschlerbub aus der
Untersteiermark, also ethnisch ein Slowene, repräsentiert ein besonderes Stück
Mobilitätsgeschichte, das im Bau von Fahrrädern und Motorrädern beginnt, über
Automobile auch zu Flugzeugmotoren reicht: [link]
In dieser Ära des umfassenden Umbruchs ging ein gewaltiger
Ruck durch die Zonen sozialen Aufstiegs. Offenbar zeigte man damals bis ins Grab hinein
wer man war, indem man mitteilte, was man gehabt hatte.
Das sind auch die Stoffe, mit denen sich unser "Kuratorium
für triviale Mythen" [link]
befaßt. Aufstiegsgeschichten, Umstiegsgeschichten, Statusfragen... Ich hab im vorigen Eintrag dieses Thema angerissen, indem ich
zum sozialen Status von Kunstschaffenden einmal mit etwas Klartext begann.
Es ist mir gerade im Moment in der Sache etwas zu viel
Geheimniskrämerei und Polemik im Spiel, da die Regierung der Steiermark ihr Budget zu
sanieren begonnen hat, was zwangsläufig in Verteilungskämpfen mündet.
Kürzlich hatte mich erstaunt, daß der offen und aggressiv
ausgetragene Streit zweier "Systemfürsten" in der "Szene" dazu
geführt hat, für einen der "Fürsten" Partei zu ergreifen und seinen Kummer
mit dem eigenen Kummer zu assoziieren. (Eine nette und altbewährte Geste von Untertanen,
sich mit den Herren zu identifizieren.) Ich meine den aus seiner Position in Graz
gefeuerten Peter Weibel und seinen Kontrahenten Peter Pakesch.
Aktuell führt ein Gastkommentar von Weibel ("Der
Kunstbetrieb als FPÖ-Verein") im "profil" erneut zu heftigen Sympathiekundgebungen für den
Vielschreiber und Ämterkumulierer. Natürlich kann ich vielem zustimmen, was er in seinem
Befund feststellt. Ich stimme auch zu, wenn ich in Weibels Kommentar etwa lese: "Denn
Systemstabilisation und Machtreproduktion ist das logische Ziel aller Mitglieder des
Systems."
Aber wer schreibt das? Ich vermute, einer der es wissen
muß. Der Herr Professor ist Träger des "Ehrenzeichens für Verdienste um die
Republik Österreich", des "Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst I.
Klasse", er ist "Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen
Künste" und auch sonst so allerhand, also bei jedem Respekt für seine sehr
umfassenden Meriten wohl auch... Na? Ich würde sagen, ein Mitglied des Systems.
Ich denke daher, wir, wir?, na, wir
eben, also "Die Szene", könnten im Blick auf die Dinge etwas mehr Trennschärfe
vertragen. Und wir könnten uns bemühen, die Sitten des Boulevards zu meiden.
Was ich damit meine? Der Superismus
wächst (alles ist maximal), der Alarmismus steckt uns an (alles ist schrecklich). Als
hätten wir einen Sommerkurs bei der "Kronenzeitung" belegt, ist -- was
immer uns angeht -- alles ein Superlativ. Wir haben als Kunstschaffende nicht einfach
ökonomischen Probleme, wir können hier nicht mehr existieren und müssen daher das Land
verlassen:
So berichtet ein Dokument der "Plattform 25" im Papier "10. Juni 2011 Tag
der 'einzelnen' Härtefälle". Ich ignoriere kurz meine Verwirrung darüber,
daß ein Plus von 50% im Budget jemandes Überleben gefährden soll, vermutlich ist das
eine Forderung, die diese Gefährdung vermeiden möge.
Aber erstens sind 50% Plus eine
vollkommen jenseitige Forderung, die zur Zeit nicht einmal gestellt werden kann, wenn man
bei einem realen Verhandlungsbeginn grundsätzlich etwas höher zielen würde, zweitens
ist die Behauptung, Kulturschaffende können hier nicht überleben, geradezu
dummdreist.
Ich erwarte eigentlich, daß wir
Kunstschaffenden zu etwas mehr Präzision in der überaus notwendigen kulturpolitischen
Debatte fähig sind, daß wir auch beherzt in Kontroversen gehen können, um da mit
Sachkompetenz unsere Angelegenheiten zu vertreten, statt so boulevardeske Pausennummern
abzuführen.
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