12. Juni 2011

Ich staunte. "Das ist ja ein komplettes Dorf", meinte ich. "Was? Ein Dorf?" wandte mein Sohn ein. Stimmt. Das "Nova Rock"-Festival ist ausverkauft, was von rund 160.000 Menschen handelt. Die letzten Kilometer waren nur im Schrittempo zu machen. Wägelchen, Rodeln, kuriose Eigenbauten, allerhand kleine Gefährte wurden gezogen und geschoben, um hauptsächlich Getränke auf den Campingplatz zu schaffen. Vergnügte Youngsters brüllten ihre Emotionen zum Autofenster herein.

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An dieser Stelle ist für Autos Endstation. Ich verhandelte mit einem Security-Mann, meinen Wagen kurz hier zu lassen, weil ich wieder schneller vom Acker sei, wenn ich meinen Leuten beim Tragen helfen kann. Die verbleibende Strecke zum Eingang verliert sich da hinten... Auch der Rückweg zur Bundesstraße war nur im Schrittempo zu bewältigen. Einige Youngsters hatten mich gefragt, ob ich sie zum Parkplatz mitnehmen könne. Natürlich konnte ich.

So froh ich war, dieser Dichte zu entkommen, so vergnügt über das Gesehene fuhr ich aus dem Burgenland heim. Alle diese verrückten Kinder, die sich nun Tage völlig verausgaben würden, diese Emotionen, wovon allein die Vorfreude auf dem Weg dorthin schon eine greifbare Wucht hatte.

Ich würde selbst mitten in diesem Geschehen wohl sehr bald meine Nerven schmeißen, aber ich mochte es sehr, von all der Aufregung berührt zu werden. Da mit Regen zu rechnen ist, wird alles im Schlamm versinken, was der Trunkenheit und dem Groove noch ganz andere Dimensionen gibt. Ich bin heilfroh, daß die Kids solche Zeiten haben können und hoffe manchmal leise vor mich hin, daß ihnen gröbere Umbrüche erspart bleiben mögen.

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"Mach keine Fotos!" hatte mein Sohn gefordert. Auch gut. Rauchpause bei einer Raststation. Coffee to go und diese Röhre, durch die man in den Keller rutschen kann. Reminiszenzen. Er sagt, er sei als Kind einmal hier gewesen. Jetzt übernahm er es, den Rest der Strecke zu fahren, während ich mich auf dem Beifahrersitz zurücklehnen konnte. Die CD von seinen Berufschulfahrten lag noch im Auto. "Das ist eh Nova-Musik", sagte er grinsend und drehte die Lautstärke hoch.

Ich war also bei meiner Rückfahrt in der wiedergekehrten Stille gut aufgehoben, aber, wie erwähnt, sehr bewegt und vergnügt von diesen verrückten Kids und ihren Emotionen. Es sind mehr als zwei Stunden über die Autobahn, was ich als extrem langweilig empfinde. Deshalb nehme ich bei solchen Gelegenheiten, wenn ich ohne Zeitdruck bin, gerne einige Passagen über Landstraßen.

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Dabei entdeckte ich in einem entlegenen Winkel dieses Eldorado Tournig Coupé aus den 1990er-Jahren. Ein Cadillac. El Dorado, das Goldland. Merkwürdige Träumereien. Vom Gold zum Geld. Ich finde es seit Jahren ärgerlich, daß rund um die Kunst so ein Brimborium betrieben wird, durch das wir uns Blicke verstellen und so manche Klärung erschweren.

Wäre ich aus einer reichen Familie, die bereit ist mich durchzufüttern, ich würde mir über Broterwerb keine Gedanken machen und mich nach Belieben meiner künstlerischen Praxis widmen. Ich bin aus keiner reichen Familie, also bleibe ich darauf angewiesen, mein Jahreseinkommen auf dem Markt zu holen. Aber das sind soziale Kategorien, keine Kategorien der Kunst.

Gibt es deshalb ein einigermaßen unaufgeregtes Selbstverständnis des Künstlers als Professional? Für mich schon. Doch das steht in diesem Land kaum zur Diskussion.

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Mir ist diese Mischung aus Schamhaftigkeit, Spekulation und Mythenbildung zu blöd. Also ist es Zeit für Klartext. So nenne ich auch die Notiz, mit der ich einmal am Beispiel meiner aktuellen Einkommensteuererklärung nachvollziehbar mache, wovon ich reden kann, um vielleicht auch auszuloten, worüber zu reden wäre: "Einige Takte Klartext: Soziales" [link]

Ich denke, Lebensalter, Praxiserfahrung und inhaltliche Kompetenzen sollte es mir ermöglichen, etwa im Einkommensbereich eines Mittelschullehrers zu rangieren. Davon kann im realen Leben freilich keine Rede sein.

Wirtschaftlich gesehen bin ich einfach Unternehmer, gewissermaßen ein Entrepreneur, der Selbstbestimmung hoch bewertet und dafür in erheblicher Eigenverantwortung ein heikles Geschäft betreibt. Wie mein bevorzugter Kaufmann im Stadtzentrum komme auch ich mit keiner 40 Stunden-Woche aus, damit mein Geschäft mich ernährt.

Ich habe diesen Status selbst gewählt, niemand hat mich dazu gezwungen. Daß ich die Entscheidung dazu traf, als ich noch höchst romantische und weitgehend unrealistische Vorstellungen vom Kunstbetrieb hatte, könnte ich bestenfalls einigen längst verstorbenen Dichtern vorwerfen.

Was ist also an dieser Profession dran? Was ist der symbolische Gehalt? Was sind darin Werte? Was ist die rein betriebswirtschaftliche Seite, die man nicht mit den Kunst-Agenda verwechseln sollte?

Ich finde darauf in meinem Milieu keinesfalls auf Anhieb Klarheit und wenn ich Fragen stelle, erhalte ich vorerst keine Antworten. Es ist also anscheinend eine "res secret" innerhalb einer "res publica". Sehr interessant! Oder?

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