5. Juni 2011 Auf einem Gang durch den Gleisdorfer Stadtpark habe ich kürzlich den Weg auf
diese Art mit einer rührenden Notiz versehen vorgefunden. Ich tippe auf Teenies, weil
unter uns Erwachsenen schon viel zu viele Schweigsame und auch Abgebrühte sind.
Ich war auf dem Weg zu einer ausführlichen Debatte mit
Franz Wolfmayr ("EASPD"),
dem ich nun Jahrzehnte immer wieder über die Schulter sehen durfte, wie er im
öffentlichen Leben dieser Region Ansichten durchgesetzt hat, die davor von fast
unüberwindlich scheinende Barrieren umstellt schienen. Das bezieht sich auf die
Situationen behinderter Menschen, die faktisch (nicht metaphorisch!) von
"ausgeblendet" und "weggesperrt" bis "an einen Heizkörper
gefesselt" reichten.
Auf die öffentlichen Diskurse zugreifen, im öffentlichen
Raum sichtbar sein, das sind ja Grundbedingungen einer Demokratie im Sinne einer
allgemeinen Teilnahme am ÖFFENTLICHEN kulturellen und politischen Leben. Wolfmayr steht
(mit einigen anderen Leuten) für jene "Integrationsbewegung", die vor
einigen Jahrzehnten nachhaltig gefordert hat, daß behinderte Menschen nicht aus dem
öffentlichen Leben und aus verschiedenen Institutionen der Gesellschaft ausgeschlossen
bleiben dürfen.
Das beinhaltete auch die Forderung, daß niemand als
"nicht schulfähig" erklärt werden dürfe, sondern daß Staat und Gesellschaft
auf die speziellen Bedürfnisse einzelner Menschen einzugehen habe. Sie ahnen schon,
welcher Art die Widerstände waren, die gerade heute wieder hochgehen. Behinderte müssen
sich ausrichten lassen, daß ihre Bedürfnisse zunehmend zu teuer seien.
Das trifft sich auf zynische Art mit der atuellen
Nachricht, Österreich liege im Bereich der "Millionärsdichte" weltweit auf
Platz fünf. Also sind uns Hilfsbedürftige zu teuer, während gerade aus den Jahren
gehabter Wirtschafts- und Bankenkrisen heraus die Zahlt der Reichen im Lande auffallend
zugenommen hat. ("Die weltweiten Vermögen sind laut einer Studie um acht Prozent
angestiegen. Österreich zählt zu den Staaten mit der höchsten Dichte an
Millionären" in: "Der Standard")
Ich hatte mit Wolfmayr zu erörtern, welche Arten von
Schnittpunkten momentan zwischen seinem Metier und meinem bestehen mögen, was konkrete
Anknüpfungspunkte seien, gestützt auf stichhaltige Befunde unseres Status quo. Dazu
einige Aspekte dieser Debatte unter "streitkultur
oder kulturstreit" auf der Website von "kunst ost".
Die Position jenseits des Landeszentrums ist von Belang,
weil das notorische Gefälle zwischen Zentrum und "Provinz" seit dem 19.
Jahrhundert ungebrochen herrscht. Wir verstehen bei "kunst ost" unsere
Arbeit als soziokulturelle Agenda.
In diesem Zusammenhang spielt auch die Befassung mit
Gegenwartskunst eine wichtige, sogar eine zentrale Rolle. Die künstlerische Praxis ist
dabei Erfahrungsraum, aber nicht Agitationsmittel. Die Kunst ist die Kunst. Sie bietet uns
Erfahrungsmöglichkeiten an, bietet sich selbst aber nicht als Werkzeug, als Mittel "um
zu...", an. Aus den Aufgabenstellungen im Sinne einer zeitgemäßen
"Netzkultur" habe ich es mit drei grundlegenden Fragen zu tun:
+) Bin ich sichtbar?
+) Werde ich gehört?
+) Werde ich verstanden?
Die ersten beiden, so meine Überzeugung, bekommen ihren
Sinn über den Augenblick hinaus erst, wenn sich die dritte einlöst. So ereignet sich Kommunikation.
In der Frage, ob momentan alle drei Punkte als relevant erachtet werden, wurzelt meine
momentan Skepsis gegenüber dem, was sich mir derzeit als steirischer "Aufstand"
sozialer und kultureller Formationen mitteilt.
Der Aufstand ist eine Revolte, aber keine Revolution.
Würden wir Wohlstandskinder der Spaßgesellschaft uns auf dieses wie jenes Unternehmen
einlassen? Ich zweifle daran, daß eine rebellische Attitüde auch wirklich für
rebellische Geister steht und zu rebellischen Taten führt.
Das ist einer der Gründe, warum mir Kampfrhetorik
suspekt erscheint und meistens mißfällt. Das Kämpfen wird kaum je leichtfertig
aufgenommen, weil es heißt, jemand würde in Kauf nehmen, selbst Schaden zu nehmen und
auch anderen Schaden zuzufügen. Das Zuschlagen UND das Einstecken hat Vorbedingungen. Da
kenne ich mehr Maulhelden als hartgesottene Leute.
Ich weiß schon, die Eiligen, deren Traum besagt, große
Dinge ließen sich flott erledigen, unterstellen mir gerne Wortklauberei. Aber ich muß
darauf beharren, daß der Kampf von Gewaltanwendung handelt, das Andere wäre ein Ringen
um Möglichkeiten.
Ich möchte lieber, daß wir es mit diesen Dingen genauer
nehmen und klären, was was ist und was erstrebenswert erscheint, welche Strategien und
Methoden dazu vielversprechend erscheinen, akzeptabel, und was allenfalls als untauglich
oder inakzeptabel auszuschließen wäre.
Ich hab vorgestern
Albert Camus erwähnt. Auf den letzten Seiten seiner Essay-Sammlung "Der Mensch
in der Revolte" greift er ein Motiv aus "Die Brüder Karamasow"
auf und schreibt: "Aber Leiden und Ungerechtigkeit werden bleiben und, wie
begrenzt auch immer, nie aufhören, der Skandal zu sein. Dimitri Karamasows 'Warum' wird
weiterhin ertönen; die Kunst und die Revolte werden erst mit dem letzten Menschen
sterben."
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