3. Juni 2011

Es ist nicht notwendig, stets schlauer als andere zu sein. Es ist auch nicht sehr beliebt. Es ist verlockend und manchmal irreführend. Wir könnten ja auch übereinkommen: Es geht bloß um einen freien Austausch der Ansichten. Aber so entspannt und wißbegierig sind wir nicht. Wir? Ja, wir, hier, also die Leute und ich.

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Ein Beispiel: Würde dieser außenliegende Teil der Alarmanlage einer Grazer Apotheke, Blinklicht und Lautsprecher, nicht etwas sicherer wirken, wenn das zuführende Kabel weniger offen und für einen Seitenschneider leicht faßbar angebracht wäre? Aber wer sagt, daß ich schlauer bin als der Fachmann, dem diese Anordnung zu verdanken ist?

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Ein anderes Beispiel: Hier fühlt sich einer dem Anderen überlegen und fühlen sich wohl beide dem werten Publikum gegenüber schlauer, was sich allein darin bestätigt, daß ich keine Ahnung habe, was hier gewußt wird. Ich erlebe es ja öfter, jemand weiß offenbar Dinge, von denen ich nicht einmal ahne, was der Fall sei.

Zum Glück steht es mir als Autor frei, mich in Reflexion zu ergehen, da muß nichts weiter herauskommen. Meistens aber, wenn ich das Denken angehe, möchte ich schon, daß etwas herauskommt. Zur Zeit denke ich häufig über Konfrontationen nach.

Aufständische werden Rebellen genannt. Also haben sie mit einer Rebellion oder Revolte zu tun. Dieses "re-bellare" meint: gegen etwas Krieg führen. Im Aufstand krachen rebellische Menschen vorzugsweise gegen die Einheiten einer Staatsgewalt: "Ein Aufstand, teils auch Rebellion genannt, ist ein offener, gewaltsamer Widerstand mehrerer Personen gegen die Staatsgewalt." [Quelle] (Eine Revolution ist ein weit komplexerer, umfassenderer Prozeß als eine Revolte.)

Diese Fragen beschäftigen mich, da ich nun schon einige Zeit zu klären versuche, was eigentlich dahintersteht, daß Kunst- und Kulturschaffende in Graz eine "Oase des Aufstands" errichten möchten, "mit kulturellen Erfrischungen" angereichert, woran mich inzwischen zunehmend verärgert, daß diese merkwürdige Sprachregelung nicht begründet wird und Verantwortliche nicht antworten, wenn man sie fragt, was das eigentlich soll.

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Ich hab das kürzlich auch mit Heimo Steps erörtert, der ein ausgewiesener Kenner des Werkes von Albert Camus ist. Steps, hier neben Malerin Herta Tinchon, war erneut Gast unserer "talking communities": [link] Er teilt meine Ansicht über Emile Zola, der unser aller Role Model eines kritischen Intellektuellen ist. (Siehe dazu meinen Eintrag im Projekt-Logbuch: [link]!)

Um diese Position einzunehmen, genügt es sicher nicht, gelegentlich Landespolitiker anzubrüllen. Der Aufstand wird nicht um seiner selbst Willen in Kauf genommen, er zielt auf die Revolution, auf die tiefgreifende Änderung eines Systems. Wie rüstet man sich dazu? Wer möchte das, gestützt auf welches Programm?

Bei Camus heißt es in "Der Mensch in der Revolte" an einer Stelle: "Das Bekannte Wort: 'Nein, Sire, das ist keine Revolte, das ist eine Revolution', hebt diesen wesentlichen Unterschied hervor. Es bedeutet genau: 'Das ist die Gewißheit einer neuen Regierung.' Die Bewegung der Revolte bricht am Ursprung plötzlich ab. Sie legt nur ein Zeugnis ab, ohne Folge. Die Revolution geht im Gegenteil von der Idee aus. Sie ist gerade die Einführung der Idee in die geschichtliche Erfahrung, während die Revolte nur die Bewegung ist, die von der Erfahrung des einzelnen zur Idee führt."

Idee und geschichtliche Erfahrung. Das finde ich ja sehr interessant. Was würden wir zu diesen Stichworten vorbringen, geltend machen? Genau! Dieses "revolutionäre Programm" gibt es gar nicht. Es gibt natürlich auch keinen "Aufstand".

Worum geht es also? Wissen wir nicht so genau. Es wären kulturpolitische Debatten zu führen. Es wären kulturpolitische Grundlagen zu klären und zu formulieren. Es wären Fragen nach Verteilungsgerechtigkeit zu stellen. Es wäre über Strategien zu reden.

Wäre? Sollte? Ich bin kein Freund des Konjunktivs. Also machen wir. Also schauen wir, dann sehn wir schon. Und zwar? Grundlagen, Strukturen, Praxismodelle für die Kulturarbeit. Siehe dazu: "klärungsbedarf"!

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