30. Mai 2011 Ich bin als Lehrbub einige Jahre laufend werktags die Strecke von
Hausmannstätten nach Graz und retour gefahren. Das spielte sich oft per Bus ab und an
erträglichen Tagen mit meinem Moped ab; einer Puch DS 50. Dazu standen zwei Routen zur
Verfügung, eine über Raaba und eine über Thondorf. Jene über Thondorf führte an einer
vormaligen Produktionsstätte des Puch-Werkes vorbei, wo nach dem Krieg die "Puch-Autos"
gefertigt wurden.
Nun hab ich nachgesehen, ob das markante Hochhaus, welches
einst für die "Puchianer" gebaut worden war, noch steht. So ist es.
Gut in Schuß, doch am Kopf verkürzt. Denn auf dem Dach hatte sich einst die Firmenmarke
auf beleuchtetem Schild gedreht. Dieses Display wurde von einer (augenscheinlich etwas
kleineren) Banken-Werbung abgelöst. Doch das alte Pich-Display ist noch da. Es steht
jetzt vor dem Haus auf der Wiese.
Es ist all das im Grunde ein nach wie vor belebtes
Industriedenkmal. Die Entwicklungen dieser Geschichte überlagerten das Leben in der
agrarischen Welt, was meint: Der ländliche Raum war lange Zeit eine fast unerschöpfliche
Quelle, aus welcher der Hunger der Industrie nach Arbeitskräften gestillt wurde.
Kurios ist daran auch, daß die Firma heute Frank Stronachs
"Magna" gehört. Er hatte einst, als Franz Strohsack aus der
Oststeiermark, bei Puch eine Anstellung gesucht und war nicht genommen worden. Später kam
er zurück und kauft den ganzen Laden.
Apropos agrarische Welt! Die alten Versatzstücke dieser
Lebensräume machen heute in "stilvollen" Lokalen einem Publikum mit
ausreichendem Kleingeld die Stube heimelig. Daß diese Art von Dekorationsgepflogenheiten
die Gäste erfreut, gehört für mich zu den noch ungelösten kulturellen Rätseln unserer
Gegenart.
Die ländliche Jugend tendiert dagegen bei ihren
Anstrengungen, etwa ihre Hütte im Gleisdorfer Stadtpark heimelig zu gestalten, auf sehr
urbane Codes. Wir haben also etwas komplizierte Kommunikationslagen. Das hab ich in den
letzten Tagen bemängelt, als mir aufstieß, daß ein Teil der steirischen Kulturszene
sich gerade mit "exotischen" Codes inszeniert und so nach außen mehr als
verwirrend kommuniziert. (Siehe dazu meinen Eintrag
vom 27. Mai!)
Ich hab inzwischen einen der Promotoren dieser Botschaft ("OASE
DES AUFSTANDS mit kulturellen Erfrischungen) gefragt, weshalb hier solche
Sprachregelungen zur Anwendung kämen? "Sprachregelungen?" fragte der Mann
zurück. Es scheint also auch die Kommunikation über diese Kommunikation momentan nicht
voranzukommen.
Im Projekt-Logbuch von "kunst ost" habe
ich gerade skizziert, womit mich Balzac und Zola beeindruckt haben und was
"Intellektuelle" seien: [link] Das
Rebellische an Zola wird einem klar, wenn man beachtet, wie er die Autoritäten eines
ganzen Staates herausgefordert hat; noch dazu jene eines so zentralistischen wie
Frankreich.
Aber wenn ich im Steirischen das Wort AUFSTAND höre, dann
empört es mich, daß die Empörten des steirischen Kunstbetriebes diesen Begriff mit
Wellness-Kategorien und Tourismus-Phrasen assoziieren. Das drückt eine geradezu
verstörende Gedankenlosigkeit aus.
Ich erinnere mich noch, als ich einige Protokolle von
Verfolgung, Festnahme und Verhör des Kolo Wallisch und seiner Frau gelesen habe, bin ich
über der Lektüre in Tränen ausgebrochen. Das ist ein merkwürdiger Vorfall bei der
Befassung mit einem historischen Ereignis.
Ich war von der Vorstellung überwältigt, mit welcher
Entschlossenheit diese Leute einem wuchtigen, sich über Europa gerade erhebenden
Terrorsystem getrotzt haben, wie mutig sie sich der Gewalttätigkeit gestellt haben und
wie peinigend die Ängste gewesen sein müssen, diesem Apparat in die Hände zu fallen und
zu erliegen.
Bert Brecht hat das in der "Kolomann Wallisch
Kantante" thematisiert: [link]
All das hatte sein Finale in der Steiermark. Wir können also -- mindestens als
Kulturschaffende -- eigentlich nicht ahnungslos sein, welche Sprachregelungen uns umgeben.
Was nun Aufstände angeht, Aufständische, Rebellen, da haben wir ein paar historische
Vorgaben, die das Chillen in einer Oase als Teil solcher Kategorien im Grunde
ausschließen.
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