25. Februar 2011

"Serbien kann sehr anstrengend sein. Vor allem, wenn man mit Künstlern zu tun hat." sagte Rasa augenzinkernd. Und ich hab schon wieder Probleme, mich für eine einheitliche Schreibweise der slawischen Worte zu entscheiden. Das Zusammenlauten ist hier nicht üblich, "sch" gibt es keines, ein Laut = ein Zeichen und das macht "š", also "Raša". (Dazu kommt, das ist eigentlich eine Kurzform von Radivoj.)

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Aber wie bin ich darauf nun gekommen? Ich hab mir in den letzten Monaten eine tiefe Erschöpfung eingefangen, zugleich das erfrischende Erlebnis, daß sich einiges gegen große Widerstände bewegen ließ. Was immer an Serbien ermüdend sein kann, ich hab das vermutlich aus anderen Quellen geschöpft. Aber es stimmt schon, da hat sich in diesem Land anscheinend gerade etwas in der Stimmung der Menschen breit gemacht, das wäre mir in den vergangenen Jahren so noch nicht aufgefallen.

Ich hab es im vorigen Eintrag erwähnt. Mehrere Menschen haben sich momentan eher pessimistisch geäußert und empfinden Mitmenschen als irritiert, zeigen derzeit wenig Zuversicht, daß wichtige Vorhaben gelingen könnten.

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Ika sagte mir gestern: "Weißt Du, Martin, wir haben schon 20 Jahre eine schlechte Zeit." Eine Bürde, die wir in Österreich so nicht kennen. Zuhause schmeißt es manchen Leuten schon die Nerven, weil das Land sein Kulturbudget womöglich um 25 Prozent runterfahren wird. Das freut mich natürlich auch nicht. Aber was soll ich denn in dieser Sache mit einem regionalen Bürgermeister verhandeln, der gerade das Problem hat, die nötigen Sozialleistungen der Gemeinde nicht mehr finanzieren zu können und den Winterdienst für das Wegenetz schaffen zu müssen? Da brauche ich also momentan andere Denk- und Arbeitsansätze.

All das blüht vor dem Hintergrund einer wachsenden Verschnöselung, die hier auf dem Balkan ebenso Wellen schlägt. Als ich mit Literaturwissenschafter Raša gestern durch das verschneite Novi Sad gegangen bin, haben wir diesen Aspekt debattiert. Wir waren uns einig: In Europa ist es nach Mussolini und Hitler nicht mehr vorstellbar gewesen, daß ein Idiot Staats-Chef wird. Selbst als die USA diesen ausrangierten Schauspieler zum Präsidenten machten, hätten wir sowas nicht erwartet.

Und dann kamen Blair, Sarkozy, Berlusconi. Wobei inzwischen das "System Berlusconi" höchste Popularität gewonnen hat. Das forciert eine fernsehgestützte Schnatter-Gesellschaft, in welcher das Konzept "Arsch und Titten" dominiert und jeder zu allem was zu sagen hat, ganz egal, ob ihn oder sie das Thema je beschäftigt hätte.

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Es scheint offensichtlich, daß eine Gesellschaft halbgebildeter Großmäuler, deren Reflexionsvermögen nicht einmal mehr den eigenen Alltag bewältigt, für politische und wirtschaftliche Minoritäten sehr handlich ist. Eitelkeit und Begehren der Menschen zu triggern scheint dafür ein sehr bewährtes Mittel zu sein.

Die Kunst muß nichts müssen, darüber sollte Konsens bestehen. Aber der Kunstbetrieb sollte wenigstens seine Nischen haben, die strikte Gegenpositionen zur vorhin erwähnten Schnatter- Gesellschaft zulassen, ermöglichen. Ich hab auf der Website von "kunst ost" eine Notiz hinterlassen, die vom Versuch erzählt, das auch im Kontrast so verschiedener Länder zu realisieren: "jenseits der zentren".

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In diesem Zusammenhang können die Räume der Kunst nicht bloß Repräsentationsräume sein. (Und oft genug wird stolze Infrastruktur nicht finanzierter bleiben.) Werden wir in der Lage sein, auf konsequente Art Diskurs- und Ereignisräume zu sichern, die einer präfaschistischen "Arsch und Titten"-Republik a la Berlusconi verläßlich entgegensteht?

 

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