27. November 2010

Was für eine prächtige Unruhe! Ich lese ganz unterschiedliche Einschätzungen, wie viele Millionen das Land Steiermark nun einsparen muß. Es hagelt Protesthaltungen und Protestnoten. Ich geb darauf wenig. Vor allem, weil ich die Töne und Argumente seit Jahren, nein, seit Jahrzehnten kenne. Die stets gleichen Vorhaltungen, die stets gleichen Antworten darauf.

Wir haben etwa bei unserem Projekt "kunst ost" gerade alle Grundlagen entzogen bekommen. Das war zwar so nicht zu erwarten, aber ich hab damit gerechnet. Warum? Weil es seit Monaten von allen Dächern gepfiffen wurde, daß es zur Jahreswende extrem eng wird. (Siehe dazu auch: "budget! (haben sie noch eines?)"!) Das Hauptproblem in meinem Metier liegt in der praktischen Unmöglichkeit Rücklagen zu bilden. Auf die Art kann also nicht vorgesorgt werden.

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Was dann? Meine bevorzugte These: Ich brauche klare Themenstellungen, eine folgerichtige Prioritätenliste und Handlungspläne, die auf Effizienz angelegt sind; im Sinn von einem guten Verhältnis zwischen Aufwand und Output. Ich brauch für die Realisierung nicht nur einen Plan B, sondern auch einen Plan C. Und ich sollte mich auf Kooperationen stützen können, in denen ein wechselseitiger Nutzen gesichert ist.

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Ich pfeif auf die Jammerpartie! Mein Hintern ist heuten noch kalt von diesen Tagen in Bosnien, von dieser Biennale in dem unbeheizten Industriekomplex in Banja Luka, wo wir Überlebende aus dem Todeslager von Omarska getroffen haben. Ich bin nicht bereit, mich vor solchen Leuten klein zu machen, indem ich über die Krisen dieser Wohlstandsgesellschaft lamentiere, deren Politik immer mehr verkommt in einer Mischung aus Realitätsverweigerung und Angst um Verlust an Vormacht.

Diese erbärmlichen Exponentinnen und Exponenten meiner Generation, vom Ministerrang abwärts. Manchmal begegne ich welchen, die merklich von Zukunftsangst gezeichnet sind, um ihre warmen Stuben fürchtend, ich verachte das. Ich hab weiter nichts dazu zu sagen. Ich hab zu tun.

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Und sei es bloß, mich den trivialen Mythen zu widmen, den endlosen Reihen von heruntergekommenen Karren, wie dieser famose FAP 1314 in Bosnien und Hercegovina. Arbeitstiere. Das trifft mitunter auch auf Menschen zu. An meinem Schreibtisch kommt das als Sozialgeschichte an. Draußen ist eins mitunter ein dreckiger Job.

Konjunkturen. Wenn der Wohlstand einbricht. Was hat das für Konsequenzen? Mich hat das vor Jahren im Rahmen eines Architekturprojektes am Beispiel Graz 8020 beschäftigt: "area_8020 revisited". Damals bin ich zu einer Vorstellung gelangt, die ich "Avantgarden des Blühens" genannt habe:

>>Kein Stadtteil kann ausdauerndes Blühen erleben. Außer vielleicht, er ist der Standort erheblicher Machtkonzentration, die aus ihrer Umgebung laufend Mittel abzieht. Areale in den Zyklen wirtschaftlicher und sozialer Fluktuation sind dagegen immer wieder auf neue "Avantgarden des Blühens" angewiesen.<< [Quelle]

Ich hatte gestern Gelegenheit, solche Aspekte mit einem erfahrenen Unternehmer zu debattieren. Er scheint mir eher pessimistisch, was ein breiteres gesellschaftliches Engagement gegen solche Krisensituationen und für neue Perspektiven angeht. Schockstarre statt Veränderung, Repression statt Öffnung, das scheinen die weit populäreren Positionen zu sein.

Vielleicht muß ja genau in diesem Zusammenhang, wenn auch etwas polemisch, gesagt werden, daß wir anscheinend genau die Politik haben, die wir verdienen. Denn in kleinräumigen Dimensionen, in meinem Lebensraum, sehe ich ganz konkret, daß die lokale und regionale Politik meine Positionen kaum ignorieren kann, wenn ich diese nur ausreichend klar und energisch vertrete.

Das wird in Städten ab der Größe von Graz schon nicht mehr auf die gleiche Weise funktionieren können. Aber nichts hindert uns, sachlich und in den Perspektiven klar aufgestellt, der Politik und der Verwaltung etwas abzuverlangen, wenn wir feststellen, daß die Dinge völlig aus dem Gleis laufen. Also leck mich am Arsch mit den erschreckten Gesichtsausdrücken und der Nervosität! (Die Heuchelei, dieses große Erbe der Gegenreformation, ist eine bewährte Pose und führt ... nirgendwo hin.) Wir machen das jetzt oder wir stellen uns um einen "geschützten Arbeitsplatz" an und hoffen, daß uns jemand durchfüttert ...


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