17. Oktober 2010

Ich bin manchmal überrascht, im Alltag auf Dinge zu stoßen, von denen ich angenommen hätte, sie seien längst aus dem Gebrauch und durch andere Fabrikate ersetzt. Dabei habe ich erst kürzlich in den Fabrikationsräumen der Familie Pölzer gesehen, daß Holzfässer etwa bei der Essigproduktion durchaus noch in Verwendung sind.

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Schlankere, kleinere Fässer als diese, die ich im Stadtzentrum aufgestellt fand. Was verlangt das handwerklich? Das fällt mir deshalb ein, weil mir der Zusammenbau eines Bücherregals bevorsteht. Ich hab Jahrzehnte gebraucht, um draufzukommen, daß verleimte Holzdübel den flott zusammengeschossenen Regalen längerfristige Stabilität zu verleihen.

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Das Handwerkliche liegt mir überhaupt nicht. Vielleicht interessiert es mich gerade deshalb so. Ich finde es auch rasend interessant, was IN so manchen Gegenständen zu finden ist. Leider darf ich nicht alles zerreißen, dessen Innenleben ich gerne betrachten würde. Das ist übrigens eine Computer-Festplatte. Ihre Kapazität von 50 Gigabyte läßt sie veraltet erscheinen. Sie trägt den Namen "Barracuda". (Im Eintrag vom 30. September hab ich einen älteren "Barracuda" gezeigt.)

Es war schon in meinen Kindertagen wenig gelitten, daß ich etwas zerlege, um zu sehen, was es in sich birgt. Das gäbe ein spaßiges Museum, ein "Technisches Museum der zerlegten Geräte". In früheren Zeiten konnte man einem Großteil der Maschinen ihre Funktion ansehen, weil sie diese in ihrer Form abgebildet haben.

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Die "Hauptmaschine" des 20. Jahrhunderts, das Automobil, ist ein kurioses Beispiel dafür. Das ist übrigens eine Puch Voiturette aus dem Jahr 1907. Daran hängt eine bemerkenswerte Geschichte. Keuschlerbub. Handwerker. Fabrikant. Kein "American Dream", sondern eine steirische Biographie. Die des "Windischen" Janez Puh, der als Johann Puch ein Stück Landesgeschichte geschrieben hat.

Johann Puch, so nannte er sich schließlich, stammt aus bescheidenen Verhältnissen, wuchs im Raum Ptuj, in Sakušak, auf. Das war damals Österreich, genauer: die Untersteiermark. Heute ist es Slowenien. Ich höre heute gelegentlich erstaunliche Debatten, wer denn nun mehr Recht habe, Puch für sich zu beanspruchen, Österreich oder Slowenien.

In den Zentren der Untersteiermark, in Städten wie Maribor, Celje und Ptuj, haben deutschsprachige Eliten des Bürgertums dominiert. Die slowenische Bevölkerung, eher abschätzig als "Windische" bezeichnet, war mehrheitlich in der agrarischen Welt zuhause.

Es scheint also offensichtlich, daß Puch ethnisch Slowene war, jedoch österreichischer Staatsbürger. Er starb 1914. Der (ethnisch weitgehend homogene) Nationalstaat ist eine vergleichsweise junge Idee. Das nationale Beanspruchen historischer Persönlichkeiten erweist sich als Unfug.

Es wird geltend gemacht, Puch habe sich vom Slawischen abgewandt und sich gegen eine diesbezügliche Zuschreibung  verwehrt. Das glaube ich gerne. Bei seinem technischen und ökonomischen Erfolg war ihm in Graz sicher daran gelegen, in den "besseren Kreisen" Akzeptanz zu finden. In jenen Tagen vollkommen undenkbar für einen "windischen Keuschlerbuben". Es war ja schon für ein "deutsch" aufgestelltes Talent kaum möglich, wie etwa die Geschichte des Peter Rossegger belegt.

Rossegger war der Sohn eines ärmlichen "Waldbauern". Beide, Puch und Rossegger, haben gemeinsam, daß sie die Tochter eines bessergestellten Herren ehelichten. Rosseggers Schwiegervater war Hutfabrikant, Puchs Schwiegervater ein Hausbesitzer. (Komischer Beruf!)

Soziale Kategorien und Fragen des sozialen Aufstieges ethnisch zu deuten, das ist eines der Probleme des nationalstaatlichen Modelles, das wir uns zugelegt haben ... und zwar erst 1919. Es ist also noch nicht einmal hundert Jahre alt.

In dieser Konzeption, die in Auschwitz und Srebrenica gründlich erprobt wurde, wurzeln auch gegenwärtige Konfliktlösungsmodi, mit denen die Menschenverachtung neuerdings wieder in staatstragendem Rang auftritt.


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